HCM Academy Nachhaltiges Energiemanagement im Krankenhaus

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Energie und Nachhaltigkeit

Dr.-Ing. Michael Schmidt, Geschäftsführer der encadi GmbH, stellt die aktuellen Entwicklungen am Energiemarkt dar und geht dabei auf Maßnahmen für ein effizientes Energiemanagement im Krankenhaus ein. Welche Fördermittel dabei zur Verfügung stehen und warum auch krankenhausübergreifende Ansätze als Chance genutzt werden sollen, hat er im Webinar aufgezeigt.

Energiemanagement im Krankenhaus
Ein effizientes Energiemanagement wird auch für die Krankenhäuser zunehmend relevant. – © wladimir1804 (stock.adobe.com)

Gemeinsam mit der Medizinisch Wissenschaftlichen Verlagsgesellschaft (MWV) hat Health & Care Management (HCM) die Live-Webinarreihe zum Thema „Nachhaltigkeit in allen Abteilungen umsetzen“ kreiert. Am 14. Februar 2023 wurde im ersten Live-Event der Veranstaltungsreihe das Thema „Energiemanagement im Krankenhaus“ vom Experten, Dr. Ing. Michael Schmidt beleuchtet und mit praxisnahen Maßnahmen verdeutlicht.

In den letzten Monaten gab es am Energiemarkt immer wieder Diskussionen und steigende Preise für Strom und Gas. So müssen sich auch Gesundheitseinrichtungen der Healthcare-Branche mit einem nachhaltigen Energiemanagement beschäftigen. Die Ressourcen werden knapper und die Kosten im laufenden Betrieb steigen. Damit stellt sich zunehmend die Frage, wie Krankenhäuser Energie einsparen, mehrfach nutzen und richtig beziehen, d.h. ein effizientes Energiemanagement einführen und integrieren können.

Energie ist nicht gleich Energie

Für eine effizientes Energiemanagement in Health-Care-Einrichtungen ist die Unterscheidung der Energieformen:

  • Primärenergie: Welchen Ursprung hat die Energie? (z.B. Solare Energie, Fossile Energie oder Erneuerbare Energie)
  • Endenergie: Welche Energie wird bezogen? Energie, die von außen zugeführt werden muss, um den Nutzbedarf zu decken (z.B. Stromabrechnung)
  • Nutzenergie: Welche Energie wird benötigt? Energie, die an der Nutzungsstelle benötigt wird (z.B. die Wärmeabgabe am Heizkörper)

relevant.

Im Krankenhaus zeigt sich laut Schmidt häufig eine Differenz zwischen der Endenergie und der Nutzenergie. „Oft werde Energie bezogen, die nicht vollständig genutzt und somit eingespart werden kann“, erklärt der Experte.

Differenz zwschen den Energieformen
Die Energieformen in der Energiebilanz eines Krankenhauses. – © encadi GmbH

Bedeutung von CO2-Folgekosten

Wichtig im Zusammenhang der Energiebilanzen sind die CO2-Folgekosten. Neben den direkten Kosten für CO2 kann eine Erweiterung erfolgen. Das Umweltbundesamt hat direkte Betriebskosten von C02 veröffentlicht, die die volkswirtschaftlichen Auswirkungen bepreisen.

  • Ansatz Jahr 2020: 195 Euro/ tCO2
  • Ansatz Jahr 2025: 250 Euro/tCO2

Das Thema CO2 hat demnach eine volkswirtschaftliche Relevanz, die zur Bewertung von Maßnahmen im Energiemanagement herangezogen werden kann.

Treibhausgase lassen sich auf Basis des Treibhausgaspotentials in CO2-Äquivalente überführen, was im Krankenhaus z.B. beim Einsatz von Narkosegasen und Kältemitteln einen signifikanten Einfluss hat. Das Problem in der Praxis ist jedoch, dass in Krankenhäusern das Maß an vorhanden bzw. aufgenommen Messdaten für eine Bilanzgrenze im Vergleich zur Industrie sehr gering ist. Daher ist eine differenzierte Zuordnung und Kennzahlenbildung oftmals nicht möglich.

Energiemanagementsystem als Führungsinstrument

Hier spielen insbesondere die Energieziele und die Energiepolitik im Unternehmen eine zentrale Rolle. Der Einsatz eines Energiemanagementsystems (EnMS) dient dazu, anhand einer Energiedatenbasis herauszufinden, wo das Krankenhaus energietechnisch steht (CO2-Bilanzen, Nutzenergie etc.). So können Kenntnisse über den Energiebedarf, -strukturen und -flexibilität identifiziert werden. Daraufhin können die Entwicklung und Initiierung von nachhaltigen Maßnahmen erfolgen.

Da es – im Gegensatz zur Industrie – keine wirtschaftliche Entlastung gibt, zeigt sich in der Praxis häufiger der Fall, dass ein EnMS ohne formale Zertifizierung eingesetzt wird. „Es wird zwar ein Energiemanagementsystem eingeführt, jedoch nur die Teile genutzt, die im Krankenhaus relevant sind, ohne es zertifizieren zu lassen“, erklärt Schmidt. Dabei fallen die Kosten für eine Zertifizierung weg und es kann trotzdem eine Energiestruktur verfolgt werden.

Strategisches Energiemanagement  

Ehe man die Maßnahmenentwicklung in den Fokus nimmt, sollten Zielsetzungen definiert werden. Maßnahmen können unterschiedliche Ziele (z.B. ökonomische oder ökologische Ziele) verfolgen und Interessenskonflikte verursachen.

Der Experte empfiehlt für eine nachhaltige Maßnahmenentwicklung die Berücksichtigung der vier verschiedenen aufeinander aufbauende Themenbereiche, die auf der nachfolgenden Grafik dargestellt sind.

Allgemeines konsekutives Idealmodell
Modell zur Entwicklung nachhaltiger Maßnahmen für ein effizientes Energiemanagement im Krankenhaus. – © encadi GmbH

Maßnahmen und Best Practice in relevanten Bereichen im Krankenhaus

Schmidt hat im Webinar mögliche Maßnahmen für eine effizientes Energiemanagement in sechs verschiedenen Bereichen eines Krankenhausgebäudes aufgezeigt. Zu jedem Bereich wird eine exemplarische Auswahl an Energiesparmaßnahmen aufgeführt.

  1. Gebäudehülle
    Bei dem äußeren Baukörper eines Krankenhauses können die nachfolgenden Maßnahmen zu einem energiesparenden Vorteil führen:
    • Die Verbesserung der bauphysikalischen Eigenschaften (z.B. durch eine bessere Dämmung oder den Austausch von Fenstern) kann im Bestand zu einer erheblichen Reduktion des Heizwärmebedarfs führen.
    • Der Austausch von Fenstern unter Berücksichtigung des Nutzverhaltens. Der Effekt einer ganztägig geöffneten Wärmeschutzverglasung ist deutlich geringer, als bei einer bedarfsgerechten Belüftung.
    • Aufzügen stellen durch die Rauch- und Wärmeabzugsanlagen (RWA) eine dauerhafte Öffnung der Gebäudehülle dar. Hier können Wärmeverluste z.B. durch automatisch im Brandfall gesteuerte Klappen reduziert werden.
  2. Beleuchtung
    Bei der Auswahl des Leuchtstoffes sowie bei der Betriebszeit bestehender Beleuchtungen sind einige Nachrüstungsmöglichkeiten zu bedenken.
    • Die in vielen Krankenhäusern verbauten Leuchtstoffe und Halogenlampen werden aufgrund der Ökodesign-Richtlinien zunehmend zum Problem, da sie bald nicht mehr am Markt erhältlich ist. Schmid verdeutlicht dies an dem Beispiel einer OP-Beleuchtung, „die sich je nach Größe des OPs auf 45.000 Euro bis 60.000 Euro beziehen kann. Sollte eine derartige Beleuchtung ausfallen und nicht mehr ersetzt werden können, fällt ein OP-Saal weg und es entstehe in der Folge ganz andere Kosten“.
    • Einsatz von LED Beleuchtung erfolgt meistens nur im Rahmen laufender Instandhaltung, eine Ist-Bestands-Analyse, kann im Hinblick auf Einsparungsmaßnahmen sinnvoll sein.
    • Die Einbindung einer Automationsschnittstelle zur bedarfsgerechten Steuerung der Beleuchtung (Einfluss Tageslicht, Anwesenheit, Notbeleuchtung, etc.)
  3. Raumlufttechnische Anlagen
    Für Raumlufttechnische Anlagen ergeben sich bestehen mögliche Anpassungsmaßnahmen:
    • Die Komfort-Konditionierung (Kühlung, Be- und Entfeuchtung, Luftwechsel) sollten abgeschaltet bzw. minimiert werden.
    • Eine Erhöhung der maximalen sowie eine Reduktion der minimalen Raum-Solltemperatur sollte erfolgen.
    • Es sollte eine Anpassung an die Betriebszeiten (Nachtabsenkung, -abschaltung) erfolgen.
  4. Wärme- und Kältenetze
    Auch bei den Wärme- und Kältenetzen sind Energieeinsparungen möglich:
    • Hydraulische Bestandaufnahme
    • Hydraulische Optimierungsmaßnahmen (z.B. Ungedämmte Rohrleitungen)
    • Optimierungen bei Einzelraumregelungen z.B. durch „Smartes Heizkörperthermostat“ oder „Smarter Fensterkontakt“
  5. Zentrale Anlagetechnik
    Im Bereich verschiedener Anlagetechniken können bestimmte Maßnahmen ebenfalls zur Einsparung von Energie beitragen.
    • Dampfversorgung: Rück-, Umbau bzw. Stilllegung von Netzteilen, Substitution der Dampfzentralen durch dezentralisierte Bereitstellung (Gas/Strom), Alternative Prozesse (elektrische Küchengeräte, Bettenaufbereitung durch Wischdesinfektion)
    • Kälteversorgung: Reduktion der Betriebszeit der Kältemaschine durch den Einsatz von indirekter, freier Kühlung
    • Wärmebereitstellung: Einsatz von effizienten Brennwertkesseln (Nachrüstungsoption für Abgaswärmetauscher), Umstellung auf Wasserstoff möglich, Zweistoffbrenner (Nachteil für die CO2-Emission), Wärmepumpen (bei hydraulisch optimiertem System)
  6. Eigenstrombeteiligung
    Maßnahmen zur Gewinnung von eigenem Strom sind ebenfalls zu überlegen. Hier könnten die folgenden Maßnahmen zur Energiegewinnung angewendet werden:
    • Einsatz von Photovoltaik (PV) auf Krankenhausdächern, Parkplatzüberdachung mit PV, Gebäudeintegrierte PV
    • BHKW (Wirtschaftlichkeit eines vorhandenen BHKW berücksichtigen)
    • Brennstoffzelle

Fördermöglichkeiten im Bereich Energiemanagement

In Deutschland gibt es derzeit 2.500 Fördertöpfe im Bereich Nachhaltiges Energiemanagement, wobei stetig neue Fördermittel hinzukommen oder auslaufen. Die Fördermittel werden auf bundes-, landes- und regionaler Ebene zur Verfügung gestellt. Für vergleichbare Fördergegenstände kann es mehrere Fördermittel mit unterschiedlichen Bedingungen geben, daher ist es v.a. bei größeren Maßnahmen (> 100.000 Euro) sinnvoll einen Fördermittelvergleich durchzuführen, empfiehlt Schmidt. Die Fördermittel sind vor Maßnahmenbeginn zu beantragen, betont der Experte. Ein vorzeitiger Maßnahmenbeginn gilt – sofern nicht vom Fördermittelgeber freigegeben – als förderschädlich.

Krankenhausübergreifende Ansätze im Energiemanagement

Ein Krankenhaus kann energietechnisch im Hinblick auf die Suffizienz, Konsistenz und Effizienz innerhalb der Einrichtung optimiert werden. Darüber hinaus besteht jedoch noch die Möglichkeit eines vernetzten Energiemanagements. Als Beispiel kann sich ein Krankenhaus an einer Windkraftanlage (WKA) beteiligen und profitiert von der bereitgestellten Energie. Es kann auch eine Energiebeschaffung im Verbund erfolgen, sodass z.B. mehrere Krankenhäuser über eine PV-Anlage versorgt werden und finanzielle Vorteile generiert werden können. Schmidt betont, „dass die technischen Flexibilitätsoptionen bereits vorhanden seien, diese nur genutzt werden müssen“. Der übergreifende Ansatz kann je nach gesetzten Energiezielen zu einer Verbesserung der wirtschaftlichen Lage oder der Emissionsbilanz führen.

Gesamtstrategie der Energieversorgung
Perspektiven eines krankenhausübergreifenden Energiemanagements. – © encadi GmbH