Quarantäne- und Isolationszeiten Nachgewährung von Urlaub bei Absonderungspflicht

Verfällt der Urlaubsanspruch der Arbeitnehmenden, wenn diese während des Urlaubs in Quarantäne oder Isolation sind, oder müssen diese Tage „nachgewährt“ werden? Für zukünftige Fälle ist der Gesetzgeber jetzt der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs zuvorgekommen. Die Frage, ob Arbeitgeber Mitarbeitenden bezahlten Erholungsurlaub nachgewähren müssen, wenn sich der Arbeitnehmer während des Urlaubs in eine behördlich angeordnete Quarantäne begeben muss, war bereits Gegenstand einiger gerichtlicher Auseinandersetzungen. Das Arbeitsgericht Neumünster sowie das Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein (LAG) hatten entschieden (Urteil vom 15. Februar 2022, Az. 1 Sa 208/21), wer in Quarantäne ist, ist nicht auch automatisch arbeitsunfähig. Die Revision war wegen grundsätzlicher Bedeutung der in Rede stehenden Rechtsfrage zugelassen worden. Daraufhin hatte sich das Bundesarbeitsgericht (BAG) mit Beschluss vom 16. August 2022 zur Sache geäußert: BAG: Gilt Urlaub während einer Quarantäne als genommen? Im zu beurteilenden Fall hatte die örtlich zuständige Behörde einen Bescheid über die Absonderung des Arbeitnehmers in die häusliche Quarantäne erlassen, die zum Teil in die Zeit seines Urlaubs fiel. Während dieser Zeit durfte der Arbeitnehmer nun seine Wohnung ohne Zustimmung des Gesundheitsamtes nicht verlassen. Auch war es ihm verboten, haushaltsfremde Personen in seiner Wohnung zu treffen. Nach Beendigung der Quarantänezeit (und des Urlaubs) stritten sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer jetzt darum, ob dieser Zeitraum als Urlaub zu betrachten sei oder nicht. Rechtslage nach dem Bundesurlaubsgesetz In § 9 Bundesurlaubsgesetz (BurlG) heißt es: „Erkrankt ein Arbeitnehmer während des Urlaubs, so werden die durch ärztliches Zeugnis nachgewiesenen Tage der Arbeitsunfähigkeit auf den Jahresurlaub nicht angerechnet.“ Das BUrlG legt fest, dass ein Arbeitnehmer seinen Urlaubsanspruch nicht verliert, wenn er während des bereits bewilligten Urlaubszeitraums arbeitsunfähig erkrankt. Da der Arbeitnehmer in dem geschilderten Fall nicht krank war, sondern sich absondern musste, greift § 9 BUrlG nicht unmittelbar. Der Arbeitnehmer würde den Urlaubsanspruch also verlieren. § 9 BUrlG ist auch nicht analog auf den Fall der Anordnung einer Absonderung anzuwenden. Das BAG vertritt seit über 25 Jahren die Auffassung, dass eine analoge Anwendung von § 9 BUrlG wegen seines Ausnahmecharakters nicht in Betracht kommt. Der Gesetzgeber hat auf diese Rechtsprechung reagiert und eine § 9 BUrlG entsprechende Regelung für den Fortbestand des Urlaubsanspruchs während eines Beschäftigungsverbotes im MuSchG eingefügt, nicht aber eineRegelung im Infektionsschutzgesetz. BAG richtete Vorabentscheidungsersuchen an den EuGH Der EuGH soll nun klären, ob der Arbeitgeber aus dem Unionsrecht verpflichtet ist, einem Arbeitnehmer bezahlten Erholungsurlaub nachzugewähren, wenn dieser während des Urlaubs einer Quarantäneanordnung unterliegt. Rechtlich wird dem EuGH die konkrete Frage gestellt, ob es mit Art. 7 der Arbeitszeitrichtlinie 2003/88/EG und Art. 31 Abs. 2 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union im Einklang steht, dass Arbeitgeber den Urlaub nicht nachgewähren müssen, wenn Arbeitnehmer in behördlich angeordneter Isolation, nicht aber krank sind. Während der Ausgang des Vorabentscheidungsersuchens noch aussteht, hat der Gesetzgeber diese Frage für zukünftige Fälle nunmehr geregelt. Neues IfSG: Urlaubstage müssen nachgewährt werden Absonderungszeiten werden nach dem neuen § 59 Abs. 1 Infektionsschutzgesetz (IfSG) nicht mehr auf den Urlaub angerechnet. Der Gesetzgeber hat mit dem Gesetzespaket zur Bekämpfung der Corona-Pandemie ab Herbst 2022 eine Regelung zulasten der Arbeitgeber zur Nachgewährung von Urlaub bei Quarantäne/Isolation eingeführt. Gemäß § 59 Infektionsschutzgesetz in der neuen Fassung gilt: „Wird ein Beschäftigter während seines Urlaubs (...) abgesondert oder hat er sich auf Grund einer (...) Rechtsverordnung abzusondern, so werden die Tage der Absonderung nicht auf den Jahresurlaub angerechnet.“ Diese Regelung ist nach der Zustimmung des Bundesrats und der Veröffentlichung im Bundesgesetzblatt auch bereits in Kraft. Seit dem 17. September gilt daher, dass im Falle einer behördlichen Anordnung der Absonderung während des Urlaubs Arbeitgeber verpflichtet sind, diese Urlaubstage nachzugewähren, auch wenn keine Erkrankung des Mitarbeitenden besteht. Wie es sich mit den alten Fällen vor dem 17. September 2022 verhält ist nach wie vor offen, da die Entscheidung des EuGH hierzu noch aussteht. Eine Rückwirkung der neuen Vorschrift auf Altfälle gibt es nicht, sodass insoweit die Entscheidung des EuGH nach wie vor von Bedeutung ist. Kontakt zur Autorin. Anna Stenger, LL.M., Rechtsanwältin und Fachanwältin für Medizinrecht, Lyck+ Pätzold healthcare.recht, stenger@medizinanwaelte.de

Quarantäne- und Isolationszeiten Nachgewährung von Urlaub bei Absonderungspflicht

Reimbursement im Überblick

Digitale Gesundheit von A bis Z

Themenwelt Pflege: Alles im Blick

Kostenloser Newsletter