Wie ist es, in der Notaufnahme zu arbeiten? Welche Herausforderungen birgt der Beruf? Diese Fragen versuchen Krankenpfleger Michael Steidl und freier Autor Fabian Marcher in ihrem gemeinsamen Buch „Weil es ohne uns nicht geht“ zu beantworten.

Michael Steidl ist Krankenpfleger und seit zehn Jahren stellvertretender pflegerischer Leiter der Zentralen Notaufnahme in Rosenheim. Fabian Marcher ist freiberuflicher Autor und hat Steidl mehrere Monate jeden Tag bei seinem Job begleitet und dabei selbst mit angepackt, eine neue Erfahrung für den ausgebildeten Sortimentsbuchhändler.
Beide schildern abwechselnd ihre Erlebnisse in der Notaufnahme, manche sind lustig, manche traurig, andere unangenehm. Ihre Sichtweisen sind sehr authentisch, jeweils grafisch durch eine Spritze und einen Stift gekennzeichnet, damit der Leser weiß, wessen Eindruck er gerade liest. Medizinische Fachbegriffe werden am Ende jedes Kapitels erklärt.
Buchprojekt: „Kann man ja mal machen“
Steidl selbst kam eher zufällig dazu, ein Buch über seine Arbeit zu schreiben bzw. mitzuschreiben, wie er selbst in einem Anfangskapitel des Buches erläutert. Er hatte beiläufig einer Patientin gegenüber erwähnt, dass er ein Buch über all die Geschichten, die er täglich erlebt schreiben könnte: „Das kann man ja mal machen“. Wirklich ernst gemeint hatte er diesen Satz zwar nicht, doch schon ein paar Wochen später bekam er von einer Kollegin die Kontaktdaten vom Autor Fabian Marcher. Dieser begleitete ihn bald darauf Tag und Nacht im Dienst. Dabei sah er nicht nur zu, sondern packte selbst mit an, da die Zentrale Notaufnahme jedes zusätzliche paar helfender Hände gebrauchen kann. Dadurch erfuhr er am eigenen Leib, was der Beruf einem abverlangt.
Authentischer Einblick in den Alltag der Notaufnahme
Der Leser bekommt einen ausführlichen Einblick in den Alltag einer Notaufnahme und spürt dabei förmlich den Stress, die Anstrengung aber auch die Freude, die der Beruf mit sich bringt. Die Vorstellung, dass der Job in der Pandemie zeitlich noch schwieriger zu managen sein soll, ist für den Laien kaum vorstellbar, da man das Gefühl bekommt, als Verantwortliche zugleich an mehreren Orten sein zu müssen – zu jeder Zeit. Über Marchers Perspektive, welcher keinerlei Vorerfahrung im Gesundheitswesen hat, erlebt der Leser die schiere Menge an Patienten und auch für den Druck, der auf dem Personal lastet. An Pausen ist in manchen Schichten gar nicht zu denken. Man atmet kurz durch, schon ist der nächste Fall dran und die Warteliste ist lang. Etwa 46.000 Menschen werden jährlich in der Zentralen Notaufnahme in Rosenheim versorgt. Dabei sind jedes Alter und jede Art von körperlichem Unbehagen vertreten; ein Mann, der in eine Schlägerei verwickelt war, ein Rentner, der im Bad gestürzt ist oder eine junge Frau, die zum wiederholten Male einen Alkoholentzug machen will.
Corona-Notizen wurden nachträglich hinzugefügt, durch die der Leser die Chance bekommt, sich in die permanente körperliche, organisatorische und psychische Belastung des Notfallpersonals hineinzuversetzen. Von diesem Blick durch die Augen eines Anderen lebt das ganze Buch.
„Wir möchten nicht bemitleidet werden, weil wir diesen Job machen.“
Steidl geht es in seinem Buch nicht um Mitleid, wie er selbst schreibt. Er möchte respektiert werden. Vor allem aber möchte er „die andere Seite der Medaille“ seines Berufes zeigen. Dass sein Job nicht nur aus körperlicher Belastung und stressigen Arbeitszeiten besteht, sondern auch sehr viel Organisationstalent, Geduld und Menschenkenntnis voraussetzt. Ganz besonders herausstellen möchte er dabei die Menschen, die „unter der Uniform des Pflegepersonals stecken“. Menschen, die wie jeder andere auch mit privaten Problemen zu tun haben, diese aber täglich bei Seite schieben, um diesen unverzichtbaren Job zu erledigen. Der Titel des Buches fasst dies sehr treffend zusammen.
Fazit
Beide Perspektiven sind sowohl informativ, als auch unterhaltsam erzählt. Man verliert anfangs gelegentlich den Überblick, wessen Erfahrungen nun beschrieben werden, allerdings wird durch die kleinen Grafiken am Anfang jedes Kapitels Abhilfe geschaffen. Der Leser wird am Ende glauben, dabei gewesen zu sein und vielleicht hat der ein oder andere im Nachhinein nicht nur mehr Verständnis für das medizinische Personal, sondern auch mehr Respekt gegenüber der Tätigkeit.
Über die Autoren
Michael Steidl ist ausgebildeter Krankenpfleger und seit zehn Jahren Leiter der Notaufnahme in Rosenheim. Er ist verheiratet und hat drei Kinder.
Fabian Marcher ist ausgebildeter Sortimentsbuchhändler und ist seit 2014 als freier Autor tätig. Er veröffentlicht Kriminalromane, sowie Reiseführer in Zusammenarbeit mit seiner Frau Julia Lorenzer.
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Steidl M. (2020) Weil es ohne uns nicht geht. Akutes aus der Notaufnahme. Ein Krankenpfleger erzählt. Hamburg: Eden Books. ISBN 978-3-95910-297-1 |