Nachhaltigkeit
In deutschen Kliniken steigt der Verbrauch von Einwegprodukten ungebremst an. Doch ein „blindes Wettern“ dagegen ist falsch. Eine Hilfestellung für die Entscheidungsfindung zwischen Einweg und Mehrweg am Beispiel Waschschüssel gibt die Stiftung viamedica.

Krankenhäuser und das Gesundheitswesen beginnn im Rahmen der allgemeinen Entwicklung hin zu mehr ökologischer Nachhaltigkeit einen Fokus auf diesen Themenbereich zu legen. Diese Entwicklung kommt spät, doch auch der riesige Sektor Gesundheitswesen, der für circa zwölf Prozent des Bruttoinlandprodukts zuständig ist und in dem rund 7,6 Millionen Menschen tätig sind, muss bereits bis 2030 die CO2 Emissionen um 65 Prozent absenken und bis 2045 klimaneutral sein.
Das Gesundheitswesen in Deutschland ist mit circa Millionen Tonnen für rund fünf Prozent des gesamten Rohstoffverbrauchs verantwortlich und belegt damit den vierten Platz in Deutschland. Zu diesen Ergebnissen kommt die Studie „Ressourcenschonung im Gesundheitswesen“ des Fraunhofer-Instituts für System- und Innovationsforschung im Auftrag des Umweltbundesamtes. Auch steht der Gesundheitssektor für 5,2 Prozent der gesamten nationalen Treibhausgasemissionen, das sind 57 Mega-Tonnen CO2. Dabei ist es spannend, dass 66 Prozent dieser Emissionen aus dem Einkauf von Waren und Dienstleistungen der Branche, den so bezeichneten Scope 3 Emissionen (englisch: Scope = Geltungsbereiche) stammen.
4,8 Millionen Tonnen Müll
In den deutschen Kliniken steigt der Verbrauch von Einwegprodukten ungebremst in astronomische Höhen. Im Jahr 2017 erzeugten die deutschen Kliniken und Arztpraxen einen Müllberg in Höhe von 4.800.000 Tonnen. Deutschland gesamt erzeugt rund 401 Millionen Tonnen Müll in einem Jahr. Trotz der stetig sinkenden Anzahl der Krankenhäuser in Deutschland, sind die Sachkosten in den letzten 20 Jahren von rund 17 Milliarden auf über 43 Milliarden Euro gestiegen. In den Klinikabfällen sind tausende von Tonnen Einmalinstrumente, Scheren, Pinzetten aus wertvollem Edelstahl, aber auch der Kunststoffmüll aus den Kliniken geht meist unsortiert in die Müllverbrennung. Schaut man einige Jahre zurück, war das auch in den Kliniken noch anders. Da war Mehrweg der normale Weg. Tabletten gab es in Metalldosen oder Pappröhrchen, Säfte in Glasflaschen. Man erinnert sich nicht daran, doch vor den Einweghandschuhen wurden Baumwoll- oder Latexhandschuhe ausgewaschen, getrocknet und wiederverwendet.
An dieser Stelle soll nicht blind gegen Einwegprodukte gewettert werden, schon gar nicht im Gesundheitswesen. Ganz sicher haben hier viele dieser Produkte ihre Relevanz und werden auch sinnvoll eingesetzt. Doch die Entwicklung bei den Einwegprodukten scheint schier ungebremst und eventuell auch nicht immer genau hinterfragt zu sein. Wo liegen wirklich die Gründe für den Einkauf und für die Verwendung von Einwegprodukten? Die immerwährenden Argumente sind die Hygiene und die Wirtschaftlichkeit. Doch liegen hier wirklich immer präzise Daten vor und sind Entscheidungswege immer klar strukturiert?
Die Entscheidung: Einweg oder Mehrweg – was steckt wirklich dahinter?
Die Stiftung viamedica hat für ein einfaches Produkt, die Patientenwaschschüssel, im Rahmen einer Masterthesis eine wissenschaftliche Ausarbeitung zur Mehrwegedelstahl- und zur Einwegkunststoff-Patientenwaschschüssel erarbeitet. Aufgabe war eine Ökobilanzierung und die Wirtschaftlichkeitsanalyse der beiden Produkte. Analysiert wurden sieben verschiedene Varianten. Für die Mehrwegedelstahl-Schüssel mit drei Varianten für die Aufbereitung und zusätzlich einer Variante mit einem Mix zweier Varianten. Für die Einwegkunststoff-Schüssel wurden zwei Entsorgungs- und eine Recyclingvariante untersucht. Folgende Varianten wurden analysiert:
- für die Edelstahl-Schüssel die Aufbereitung in einer Containerwaschanlage (CWA),
- die Aufbereitung auf der Station in einem Reinigungs- und Desinfektionsgerät (RDG) und
- die Aufbereitung von Hand und ein Variantenmix Hand und CWA.
Für die Kunststoff-Schüssel sind die Varianten:
- Restmüll mit Verbrennung,
- Downcycling mit der Verwendung für minderwertige Plastikprodukte und
- einer innovativen Recycling-Variante mit einem geschlossenen Stoff-Kreislauf in die Untersuchung geganen.
Die Untersuchungen für die Ökobilanz und für die Wirtschaftlichkeitsanalyse wurden, im Rahmen der Masterthesis, umfangreich durchgeführt. Es wurden keine Parameter außer Acht gelassen. Als Beispiel soll hier die Aufbereitung der Edelstahl-Waschschüssel per Hand näher ausgeführt werden. Selbstverständlich wurden Reinigungsmittel und Wasser mit aufgenommen. Weiter wurde auch die Zeit gestoppt, die für die Aufbereitung einer Schüssel benötigt wird. Auch die Dienstgrade der Personen, die die Waschschüsseln per Hand aufbereiten, wurden erfasst. Von diesen wurden exakt die Lohnkosten für die Zeit mit in die Wirtschaftlichkeitsberechnung aufgenommen. Derart präzise wurde auch bei den anderen Parametern der anderen Varianten vorgegangen.
Mehrweg teurer, dafür ökologischer
Die Ergebnisse der Analysen waren teilweise zu erwarten: Etwa, dass das Verbrennen der Kunststoff-Waschschüssel den schlechtesten CO2-Fußabdruck hat. Die Aufbereitung per Hand auf der anderen Seite die beste Ökobilanz hat. Mit großem Interesse haben wir gesehen, dass die Recyclingvariante der Kunststoffschüssel, in einem geschlossenen Materialkreislauf, eine durchaus akzeptable Ökobilanz aufweist. Auf der Kostenseite ist die Variante mit der schlechtesten Ökobilanz (Verbrennen) knapp die günstigste Version.
Bei dem Vergleich der sieben Varianten und dem parallelen Blick auf die Ökobilanz und der Wirtschaftlichkeitsanalyse, hat die Mehrwegedelstahl-Patientenwaschschüssel mit der Aufbereitung in einer Containerwaschanlage im Durchschnitt am besten abgeschnitten. Diese Variante ist also im Vergleich der Analysierten die wirtschaftlichste und ökologischste Waschschüssel.
Um es klar zu sagen, dieses Ergebnis war so nicht erwartet worden. Die Mehrweg-Waschschüssel ist zwar geringfügig teurer, doch der klare Vorteil durch eine sehr gute Ökobilanz lassen diese Variante überzeugen. Mit dem Ergebnis zeigt sich, dass für eine Entscheidungsfindung zwischen Einweg und Mehrweg umfassende Analysen herangezogen werden sollten. Auch reicht es nicht immer aus, nur das Produkt zu betrachten, der gesamte Prozess muss für eine Entscheidung untersucht werden.
Favorit: Recyclat-Einweg
Sehr spannend ist das Abschneiden der Version einer Waschschüssel aus recyceltem Kunststoff in einem geschlossenen Stoffkreislauf. Diese Recyclat-Variante ist in der Gesamtwertung der Einwegkunststoff-Waschschüsseln die ökologischste und wirtschaftlichste Schüssel.
Zu dem Thema Produkte aus Recyclat-Kunststoff für das Gesundheitswesen will die Stiftung viamedica in Kürze einen runden Tisch initiieren um hier gemeinsam mit Medizinprodukteherstellern und anderen Protagonisten neue nachhaltigere Wege zu überlegen und zu entwickeln.
Kontakt zum Autor: |
Markus Loh, Stiftung viamedica, Kontakt: markus.loh@viamedica-stiftung.de |