Krankenhausapotheke Mehr Verantwortung für Medikationssicherheit

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Patientensicherheit

Wer in der Krankenhausapotheke arbeitet, soll eine aktive Rolle im Wissensmanagement einnehmen. Denn in zu vielen Fällen hat Fehlmedikation zu unerwünschten Arzneimittelwirkungen geführt. Der 8. Kongress für Arzneimittelinformation verdeutlichte: Evidenzbasierte Informationen schaffen hier die Grundlage, und IT-Lösungen leisten einen wichtigen Beitrag.

Stationsapotheke
Die Stationsapotheke nimmt eine zentrale Rolle in der Medikationssicherheit ein. – © I Viewfinder (stock.adobe.com)

„Die Flut an verfügbaren Arzneimitteln wächst – ebenso wie der Zeitdruck auf alle Angehörigen der Gesundheitsberufe“, erklärte Dr. Claudia Mildner in Köln. Sie ist Fachapothekerin für Klinische Pharmazie, Praktischer Betriebswirt für Pharmazie (WDA) und Präsidentin des Kongresses für Arzneimittelinformation. „Das erschwert es allen in die Arzneimitteltherapie involvierten Berufsgruppen, Arzneimittelinformation kritisch zu bewerten und Studienergebnisse in klinisch relevante Informationen umzusetzen, die auf den einzelnen Patienten anwendbar sind.“

Stationsapotheker und -apothekerinnen haben eine wichtige Rolle in der Arzneimittelinformation

Unterstützung durch Stationsapotheker und -apothekerinnen, so Mildner, sei sehr wichtig, um ärztliche Entscheidungen zeitnah unterstützen zu können. „Man braucht die Stationsapotheker – und apothekerinnen vor Ort, die die Patienten und Patientinnen begleiten, von der Anamnese über den stationären Aufenthalt bis zur Entlassung.“ Für komplexere Anfragen zur Arzneimitteltherapie gebe es v.a. in größeren Häusern Abteilungen – bzw. Beauftragte für Arzneimittelinformationen in Krankenhausapotheken –, die diese Fragen anhand von Evidenzkriterien bewerten und beantworten.

Von Vorteil: Abteilungen für Arzneimittelinformation

Zur Qualitätssicherung der Arbeitsweise von Abteilungen für Arzneimittelinformation werde durch den Ausschuss Arzneimittelinformation des Bundesverbandes Deutscher Krankenhausapotheker (ADKA) jährlich ein in Europa einzigartiger Ringversuch angeboten, an dem sich die Krankenhausapotheken rege und mit Erfolg beteiligen. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) fordere im Übrigen Arzneimittelinformationszentren – als Instrumente zur Verbreitung unvoreingenommener Arzneimittelinformationen und damit zur Förderung des rationalen Gebrauchs von Arzneimitteln.

„Moderne Medikationsmanagementsysteme und Gesundheits-Apps verändern sicher die Prozesse der Arzneimittelinformation“, sagte die Kongresspräsidentin. So deckten entscheidungsunterstützende Systeme durch Warnhinweise die Erkennung von Interaktionen teilweise ab. Allerdings komme immer nur eine begrenzte Anzahl von Datenquellen zum Einsatz; Studienergebnisse würden nicht auf die Gegebenheiten des jeweiligen Patienten heruntergebrochen. „Die menschliche Arzneimittelinformation wird also durch Technologie unterstützt – aber nicht ersetzt“, sagt Mildner. Ihr Rat an die Krankenhausführung lautete: „Legen Sie mehr Wert auf Arzneimitteltherapiesicherheit und treffen Sie die nötigen Maßnahmen – dies fördert auch die Wirtschaftlichkeit!“. Verschwendung und Verweildauerverlängerung würden vermieden. „Was teuer erscheint, kann im Rückblick viel Geld sparen.“

Gesetze einhalten, Risiken reduzieren

Maßnahmen zur Erhöhung der Arzneimitteltherapiesicherheit (AMTS) sind längst gesetzlich vorgeschrieben, brachte Dr. Dagmar Horn in ihrem Vortrag in Erinnerung. Oberstes Ziel sei dabei die Patientensicherheit. „Arzneimittel“, so die Leiterin der Abteilung AMTS der Apotheke am Universitätsklinikum Münster weiter, „sind die häufigste Intervention im Krankenhaus – den Umgang mit ihnen müssen wir daher ernst nehmen!“. Folgen für Häuser, die sich nicht an die Vorgaben halten, sei neben dem Verstoß gegen geltende Gesetze vor allem das Risiko für einen möglichen Schaden für die Gesundheit der Patient:innen. Bereits seit 2015 beinhalte die QM-Richtlinie des G-BA, dass Krankenhäuser sich um AMTS kümmern müssen – das bedeutet, sie müssen Risiken identifizieren, das Problembewusstsein bei den Mitarbeitenden erhöhen und durch geeignete Maßnahmen AMTS sicherstellen. Wenn Häuser sich nicht an diese Richtlinie halten, könne das dazu führen, dass sie künftig bestimmte Fälle nicht mehr behandeln dürfen. „Eine sorgfältige Dokumentation erhöht die Transparenz unter den unterschiedlichen Behandlern, aber damit auch gegenüber Kassen und Patienten sowie Patientinnen“, mahnte die Apothekerin. Der Krankenhausplan NRW nenne Stationsapotheker und Stationsapothekerinnen als eine mögliche Optionen, über die Häuser eine Verbesserung der AMTS erreichen können.

„Wir müssen v.a. standard- und evidenzbasierte Arzneimitteltherapie im Krankenhaus umsetzen“, unterstrich Horn bei ihrem Vortrag. Die notwenigen Informationen ließen sich aus aktuellen Leitlinien und veröffentlichten Daten ableiten; darauf basierend sollten die Häuser Therapiestandards verabschieden. Allerdings, so Horn im Gespräch, sei eine Messbarkeit der Qualität grundsätzlich schwierig. Mittels geeigneter Qualitätsindikatoren lasse sich nicht nur die Einhaltung von Vorgaben, sondern auch in einem gewissen Umfang die qualitative Leistung darstellen. Und, so Horn: „Patientinnen und Patienten wissen heute mehr. Fehler werden auch durch die zunehmende Umsetzung der Digitalisierung leichter identifizierbar, so dass die Anzahl von Klagen gegebenenfalls zunehmen kann“. Meldewege wie CIRS seien weiterhin sinnvoll, um das Bewusstsein unter den Mitarbeitenden zu schärfen: „Nur aus gemeldeten Fehlern können wir lernen und Sicherheit herstellen“.

In der Neustrukturierung der NRW-Häuser sieht Horn einen tragfähigen Ansatz, der auch bundesweit nötig sei. Dies führe zur Einordnung der Krankenhäuser nach ihren Möglichkeiten und zu bedarfsgerechten Therapien – inklusive der Medikation. Den Geschäftsführern rät Horn: „Beschäftigen Sie sich mit AMTS! Als ein zentrales Thema und die häufigste Intervention in deutschen Krankenhäusern erfordert die Medikamententherapie, dass wir uns um eine adäquate Anwendung kümmern“.

Auch neue Verpflichtung in Niedersachsens Stationsapotheken

Das Niedersächsische Krankenhausgesetz mache seit Anfang 2022 Stationsapotheker und -apothekerinnen zur Pflicht, betonte beim Kongress Julia Hehr. Sie ist Stationsapothekerin beim Klinikum Region Hannover (KRH). In Bremen und Hamburg seien ähnliche Regelungen geplant. Wie in anderen Bundesländern sei Patientensicherheit das Ziel. Der Fall des Pflegers Nils H. habe hier als Treiber gewirkt. Niedersachsen gebe zwar keine Zahl an Apotheker und Apothekerinnen pro Krankenhaus vor, aber die zu erfüllenden Aufgaben. „Die Kolleginnen und Kollegen müssen sich mit den Themen auseinandersetzen, in denen vermehrt Medikationsfehler auftreten können – z.B. auf Intensivstation und in der Geriatrie“, erläuterte Hehr. Im KRH, so die Apothekerin, werde priorisiert. Eine wichtige Aufgabe sei beispielsweise das Schnittstellenmanagement bei der Krankenhausaufnahme. Hier prüfen die Stationsapotheker und -apothekerinnen, ob alle Arzneimittel des Patienten im Krankenhaus gelistet sind, und schlagen ggf. Alternativen vor oder kümmern sich um die Beschaffung als Sonderanforderung.

Stationsapotheker und -apothekerinnen überprüfen die Aufnahmebriefe der Ärzteschaft, die oft Lücken beinhalten, hinsichtlich der Angaben zur Medikation – ist alles plausibel, passt die Dosierung zur Nierenfunktion? Medikationspläne seien in der Praxis oft unvollständig, merkte Hehr an. Für Empfehlungen außerhalb der Routine gelte das Vier-Augen-Prinzip. Das evidenzbasierte Vorgehen setze auf Leitlinien und Fachinformationen. Eine Messung der Effekte des Einsatzes von Apothekerinnen und Apothekern geschehe im KRH derzeit nur hinsichtlich der Anzahl an gesehenen Patientenfällen; „eine Zeit lang haben wir die Fehlerschwere laut NCC-MERP-Score gemessen, auch um den Sinn des Einsatz von Stationsapothekern und -apothekerinnen nachzuweisen“, sagte Hehr in Köln. Heute gebe es genügend Studien zur fehlerreduzierenden Wirkung ihres Einsatzes. „Fachkräftemangel und Kosten sind eine Herausforderung. Die Aufgaben gehen auch über die Arzneimittelinformation hinaus – die Ausbildung muss das berücksichtigen“, betonte Hehr. Die Zahl einzusetzender Apothekerinnen und Apotheker müsse sich an Versorgungskategorie und Fallzahlen orientieren.

Digitale Patientenakte im Einsatz für Arzneimittelinformation

Auch zur potenziell positiven Rolle der elektronischen Patientenakte (ePA) gab es Stimmen beim Kongress. Sie könne als zentrale Dokumentation helfen, Informationen über die Behandlungskette hinweg verfügbar zu machen, die derzeit an Sektorengrenzen und auch unter Behandlern verschiedener Disziplinen hängen bleiben. Auch bei Therapiestellungen in Krankenhäusern wie etwa bei angeborener QTC-Verlängerung könne ihr Beitrag wertvoll sein: Über die ePA könnten alle in der Kette über das erhöhte Risiko informiert werden.

„Ich bin überzeugt, dass eine evidenzbasierte Arbeitsweise … den größten Nutzen stiftet und die größte Patientensicherheit mit sich bringt“, unterstrich Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach in seinem Grußwort an die Kongressteilnehmenden. Dr. Josef Düllings, Klinikgeschäftsführer und Präsident des Verbandes der Krankenhausdirektoren Deutschlands (VKD), kommentierte außerhalb der Veranstaltung, das Kernproblem der Medikation liege im ambulanten Bereich. Die Krankenhäuser verzeichneten immer mehr Aufnahmen älterer Menschen mit Medikamenteninteraktion. Den Krankenhäusern Personalvorgaben ohne finanzielle Kompensation vorzuschreiben, sei nicht realitätsnah – Ergebnisqualität solle über das Qualitätsmanagement gemessen werden.

Diese Diskussionen zeigen: Die Zielsetzung der Erhöhung der Patientensicherheit ist erkannt, die Umsetzung muss im Alltag erfordert noch einiges an Arbeit.