Arbeitsrecht Lohnfortzahlung bei Arbeitsunfähigkeit im Ausland

In welchen Fällen muss ein Arbeitgeber einem im Ausland erkrankten Arbeitnehmer Lohnfortzahlung leisten? Wie kann der Arbeitnehmer seine Arbeitsunfähigkeit im Ausland beweisen? Die sicherste Methode ist eine ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung, die den deutschen Vorgaben entspricht.

Eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung nach deutschen Vorgaben ist der sicherste Weg, dem Arbeitgeber eine Krankheit zu beweisen. – © Pixelot (Fotolia.com)

Lohnfortzahlung bei Arbeits- unfähigkeit im Ausland

Ein Arbeitnehmer, der krankheitsbedingt arbeitsunfähig wird, hat nach § 3 Entgeltfortzahlungsgesetz (EFZG) einen Anspruch auf Entgeltfortzahlung bis zu einer Dauer von sechs Wochen. § 5 Absatz 2 EFZG regelt die Mitteilungs- und Nachweispflichten des Arbeitnehmers bei einer Arbeitsunfähigkeit: Danach muss ein Arbeitnehmer, der sich zu Beginn einer Arbeitsunfähigkeit im Ausland aufhält, seinem Arbeitgeber die Arbeitsunfähigkeit auf schnellstmöglichem Weg mitteilen. Zudem muss er dem Unternehmen die voraussichtliche Dauer seiner Arbeitsunfähigkeit und die Adresse seines Aufenthaltsortes angeben. Der Arbeitnehmer muss auch beweisen, dass er krankheitsbedingt arbeitsunfähig ist bzw. war.

Mit den Fragen, welche Anforderungen eine im Ausland ausgestellte ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung erfüllen muss und welche weiteren Möglichkeiten ein Arbeitnehmer für den Beweis seiner Arbeitsunfähigkeit hat, hat sich das Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz in seinem Urteil vom 24.06.2010 beschäftigt (Aktenzeichen 11 Sa 178/10).

Der Fall: Arbeitnehmer erkrankt in der Türkei

Der Kläger stammt aus der Türkei. Er hat vier Kinder und arbeitet seit mehr als 25 Jahren für die Beklagte als Hilfskraft. Sein Bruttomonatsentgelt beträgt 2.000 Euro.

Der Kläger stellte für den Sommer 2009 zwei Urlaubsanträge, die allerdings beide nicht genehmigt wurden: Den ersten Antrag stellte er für den Zeitraum vom 20.07.2009 bis 21.08.2009, den zweiten für den Zeitraum vom 03.08.2009 bis zum 21.08.2009. Ein weiterer Urlaubsantrag vom 13.07.2009 bis 31.07.2009 wurde genehmigt. Der Kläger reiste zu Beginn seines Urlaubs in die Türkei.

Im August erschien der Kläger dann nicht zur Arbeit. Nach seiner Rückkehr legte er seinem Arbeitgeber drei Dokumente vor: In einem in türkischer und deutscher Sprache ausgefülltem Formblatt stand geschrieben, dass sich der Kläger vom 27.07.2009 bis zum 30.07.2009 wegen Kopfschmerzen in stationärer Behandlung befand. Außerdem gab der Kläger seinem Arbeitgeber ein im gleichen Krankenhaus ausgefülltes, nicht vorgedrucktes Attest in türkischer Sprache mit deutscher Übersetzung. Darin wurde dem Kläger 30 Tage Bettruhe nach der Entlassung empfohlen. Als Grund wurde Arbeitsunfähigkeit angegeben. Nach den 30 Tagen sei der Arbeitnehmer wieder arbeitsfähig.

Die Arbeitgeber leistete für den Monat August keine Entgeltfortzahlung. Ende September forderte der Kläger den Beklagten vergeblich auf, 2.000 Euro zu zahlen. Daraufhin erhob der Kläger eine Zahlungsklage beim Arbeitsgericht Ludwigshafen. Das Gericht wies die Klage mit Urteil vom 11.03.2010 ab (Aktenzeichen 4 Ca 2752/09). Der Kläger legte gegen das Urteil Berufung beim Landesarbeitsgericht (LAG) Rheinland-Pfalz ein.

Das Urteil: Ernste Zweifel an der Arbeitsunfähigkeit

In der zweiten Instanz hatte der Kläger auch keinen Erfolg. Das LAG lehnte einen Anspruch des Klägers auf Entgeltfortzahlung für den Monat August ab.

In seiner Urteilsbegründung betonte das LAG Rheinland-Pfalz den hohen Beweiswert einer ordnungsgemäß ausgefüllten ärztlichen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung. Für eine im Ausland erstellte Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung komme im Allgemeinen der gleiche Beweiswert zu wie einer im Inland ausgestellten Bescheinigung. Jedoch müsse die ausländische Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung erkennen lassen, dass der Arzt zwischen einer bloßen Erkrankung und einer mit Arbeitsunfähigkeit verbundenen Krankheit unterscheidet.

Nach § 5 Absatz 2 EFZG muss ein gesetzlich krankenversicherter Arbeitnehmer eine Erkrankung im Ausland auch seiner Krankenkasse mitteilen. Hält sich der Arbeitnehmer allerdings in einem Staat auf, mit dem Deutschland ein Sozialversicherungsabkommen vereinbart hat, gilt diese Erfordernis in der Regel nicht. Vereinfachte Nachweisverfahren bestehen für Erkrankungen von Arbeitnehmern in Staaten der Europäischen Union und der Türkei.

Nach dem deutsch-türkischen Abkommen über die soziale Sicherheit müssen für den Nachweis einer krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit zweisprachige Vordrucke verwendet werden. Einen solchen Vordruck hat der Kläger nur zur Bescheinigung seines Krankenhausaufenthaltes vom 27.07.2009 bis 30.07.2009 vorgelegt, nicht aber für den Monat August.

Ein Arbeitnehmer kann seine Arbeitsunfähigkeit jedoch auch auf andere Weise darlegen und beweisen. Grundsätzlich eignet sich auch ein Attest, das nicht unbedingt in deutscher Sprache abgefasst sein muss. Solch ein Attest hat der Kläger für den Monat August vorgelegt.

Dem Arbeitgeber gelang es allerdings, den Beweiswert dieses Attestes zu erschüttern. Konkrete Zweifel an der Arbeitsunfähigkeit des Klägers ergeben sich aus folgenden Umständen:

  • Der Kläger hat für den überwiegenden Krankheitszeitraum zuvor zwei vergebliche Urlaubsanträge gestellt. Die Arbeitsunfähigkeit trat dann in der letzten genehmigten Urlaubswoche ein.
  • Ungewöhnlich erschien auch die empfohlene 30-tägige Bettruhe im Anschluss einer abgeschlossenen Behandlung.
  • Daneben ist es auch ungewöhnlich, dass bei einer Erkrankung, die eine 30-tägige Bettruhe erfordert, keine weiteren Kontrolluntersuchungen geplant sind.
  • Ein Zweifel am Beweiswert des Attestes besteht auch deshalb, weil die Bescheinigung vom 30.07.2009 bereits prognostiziert, dass der Kläger genau nach Ablauf dieser 30-tätigen empfohlenen Bettruhe wieder arbeitsfähig sein würde.

Hat der Arbeitgeber den Beweiswert einer vom Arbeitnehmer vorgelegten ärztlichen Bescheinigung erschüttert, ist der Prozess für den Arbeitnehmer noch nicht zwingend verloren. Der Arbeitnehmer kann seine Arbeitsunfähigkeit auch auf andere Weise als durch eine ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung darlegen und beweisen.

Der Kläger hätte z.B. vortragen können, wie sich die von ihm vorgetragene Erkrankung im August 2009 geäußert hat, welche Behandlung durchgeführt wurde und wegen welcher Umstände die Krankheit ihn an der Erbringung seiner Arbeitsleistung gehindert hat. Der Kläger hätte auch den ihn behandelnden Arzt von der Schweigepflicht entbinden können. All dies hat der Kläger aber unterlassen. Aus diesen Gründen wurde die Berufung zurückgewiesen.

Das Urteil des LAG Rheinland-Pfalz liegt auf der Linie der gefestigten Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts. Die Revision wurde nicht zugelassen. Das Urteil überzeugt.