Strategisches Einkaufsmanagement Krankenhaus (Teil 2) Liquidität und Innen­finanzierungskraft steigern

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Über die klassischen Einkaufsinstrumente hinaus bietet das Working Capital Management (WCM) verschiedene Ansatzpunkte, um die Liquität und Innenfinanzierungskraft einer Healthcare-Einrichtung zu verbessern.

Die Finanzierung eines Krankenhauses unterliegt der Besonderheit der starken Regulierung und Budgetierung verbunden mit dem Prinzip der dualen Krankenhausfinanzierung. Vor allem für Plankrankenhäuser mit Grund- oder Maximalversorgungsauftrag ist die Einnahmenseite insgesamt budgetiert. Wer mehr leistet, muss mit einem Mehrerlösausgleich rechnen, wobei dessen Grundlage – vollständige Deckung der Fixkosten durch das Budget – oft mehr theoretischer Natur ist. Auf der Kostenseite ist der Bewegungsspielraum der Krankenhäuser aufgrund der medizinischen Erfordernisse ebenfalls stark beschränkt. Der größte Kostenblock ist das Personal mit einem Anteil von circa 50 bis 60 Prozent an den operativen Kosten (OPEX). Kostensenkungen sind wegen des Fachkräftemangels oft kaum realistisch. Bereits heute schreiben mehr als ein Viertel aller Krankenhäuser in Deutschland Verluste. Jeder zehnten Einrichtung droht aktuell sogar die Insolvenz – trotz guter struktureller Kennzahlen wie Verweildauer und Fallzahlen (Roland Berger 2017, Augurzky 2017). Ein steigender Investitionsbedarf, der durch öffentliche Fördermittel nicht mehr gedeckt ist, sowie steigende Finanzierungskosten verschärfen die Situation zusätzlich.

Das Management des sogenanntne Net Trade Working Capital (NWC) bestehend aus Vorräten, Forderungen aus Lieferungen und Leistungen (LuL) sowie notwendiger gebundener Arbeitsliquidität abzüglich Verbindlichkeiten (LuL), erfährt in diesen Rahmenbedingungen eine neue Bedeutung und wird ein zunehmend wichtiger Faktor der Innenfinanzierung eines Krankenhauses. Dadurch können Kreditlinien entlastet, die Leverage und damit Kreditkennzahlen verbessert und die Liquidität des Unternehmens gestärkt werden.

Working Capital Management
im Krankenhausbereich

Ein positives Working Capital (WC) bedeutet, dass der operative Geschäftsbetrieb zum Teil mit langfristigem Kapital finanziert wird (Meyer et al. 2007) und somit Kapital bindet und Finanzierungskosten verursacht. Ein Net (Trade) Working Capital (NWC) dagegen besagt, dass der betriebliche Wertschöpfungsprozess Kapital freisetzt und langfristige Vermögensgegenstände finanziert. Die damit verbundene Verletzung der sogenannten goldenen Bilanzregel ist für das Unternehmen in der Going Concern Situation (Grundsatz der Unternehmensfortführung) unproblematisch, da es sich nur buchhalterisch um eine kurzfristige Finanzierung handelt, wirtschaftlich aufgrund des revolvierenden Charakters des NWC dagegen um eine langfristige Finanzierung. Jede Reduktion des NWC setzt sofort Euro für Euro Liquidität frei und ist damit ein höchst effizientes Mittel der Innenfinanzierung, das zudem die Effizienz der Nutzung des eingesetzten Kapitals und damit die Gesamtkapitalrendite erhöht.

Steuerung des Net Trade
Working Capital

Die Steuerung des NWC erfolgt über definierte Kennzahlen. Anschaulicher und operativ besser zu steuern als die absolute Höhe der einzelnen Posten des NWC ist die Umschlagshäufigkeit der einzelnen Positionen. Zusammengerechnet ergibt sich die sogenannte Geldumschlagsdauer, auch genannt Cash Conversion Cycle (CCC), also die Kapitalbindung im Bereich des Umlaufvermögens in Tagen.

Die Liquiditätseffekte durch eine Reduzierung des CCC sind beachtlich. Bei einem Jahresumsatzvolumen von z.B. 130 Millionen Euro für ein 500- bis 700-Betten-Haus beträgt der Liquiditätseffekt pro Tag, um den der CCC verkürzt wird, rund 360.000 Euro (Formel: Umsatzerlöse/365 Tage).

Forderungsmanagement

Wichtigster Teil des Working Capital Managements auf der Aktivseite im Krankenhausbereich sind die Forderungen gegenüber den gesetzlichen Kostenträgern. In diesem Bereich wird zugleich das Regulierungskorsett des Gesundheitswesens deutlich. Entsprechend den sozialversicherungsrechtlichen Regelungen betragen die Zahlungsfristen für die Kostenträger drei Wochen und sind deshalb durch ein Krankenhaus kaum beeinflussbar. In positivem Sinne sind diese Zahlungsfristen im Vergleich zu anderen Branchen extrem kurz, so dass sich hier z.B. eine Reduktion des Forderungsbestandes durch Factoring oder Forfaitierungsmodelle wirtschaftlich kaum rechnen würde und diese in der Praxis daher auch nicht angewandt werden. Wichtiger ist hier das Management der Abrechnungsprozesse, nämlich die zeitnahe elektronische Übermittlung der DRG-Daten an die Kostenträger über die entsprechenden DRG-Grouper-Systeme, denn die gesetzliche Zahlungsfrist von drei Wochen beginnt erst mit Übermittlung der Daten an die Kostenträger.

In diesem Bereich bekommt dann auch die Qualität der Kodierungsprozesse eine besondere Bedeutung. Die Schnelligkeit der Kodierung reduziert das NWC in Form niedriger DSO und die Qualität der Kodierung steigert die Höhe der Fallpauschalen. Bereits eine geringe Verbesserung bei den abgerechneten Fallpauschalen und des Case Mix Index (CMI) hat einen beachtlichen Hebel für die Profitabilität. Damit einher geht das Erfordernis einer guten und detaillierten ärztlichen Dokumentation und eine entsprechende Steuerung der Verweildauer, wobei hier aus Sicht des Krankenhausmanagements die ärztliche Schweigepflicht und medizinische Erfordernisse unbedingt zu beachten sind. Diese wichtigen Rahmenbedingungen setzen dem Working Capital Management bei der Anwendung im Krankenhaus klare Grenzen. Die Abbildung in der linken Spalte zeigt einen beispielhaften Abrechnungsprozess im Krankenhaus.

Fazit

Zusammenfassend ist festzuhalten, dass im öffentlichen Bereich das NWC-Management eng in die Dokumentations- und Kodierprozesse des Krankenhauses einzubetten ist. Im privaten Bereich, seien es Chefarztbehandlungen von Privatpatienten oder Privatklinken ohne Versorgungsvertrag, kommt es neben einer zeitnahen Abrechnung gegenüber den Patienten (die ggf. aufgrund von Vereinbarungen mit den Chefärzten sicherzustellen ist) auch auf ein effektives Mahnwesen an, da in der Praxis die Zahlungsmoral von Privatpatienten oft zu wünschen übrig lässt und viele Patienten erst nach Erstattung durch die Privatkasse bezahlen. In diesem Bereich kommt Factoring durchaus in Frage, wobei das Factoring dann gleichzeitig mit einem Outsourcing der Abrechnung an das Factoring­unternehmen bzw. privatärztliche Verrechnungsstelle die Erlöshöhe optimiert werden kann.