Krankenhausgesetzgebung
HCM schaut gemeinsam mit der Allianz Kommunaler Großkrankenhäuser (AKG) die kommenden Wochen genauer auf die Reformvorschläge zur Krankenhausreform und konfrontiert in Streitgesprächen Vertreter unterschiedlicher Entscheidungsebenen mit den einzelnen Bestandteilen der jeweils aktuellen Reformvorschläge.

Die Einteilung in drei Level bestimmt die Zukunft der Krankenhäuser, wenn es nach der Regierungskommission geht. Level-1-Krankenhäuser sollen die Grundversorgung, Level-2-Krankenhäuser die Regel- und Schwerpunktversorgung und Level-3-Krankenhäuser die Maximalversorgung übernehmen. Verspricht die Unterkategorie 1i einen Brückenschlag zum ambulanten Sektor? Über dieses Thema sprachen Bianca Flachenecker und Michael Reiter für Health&Care Management (HCM) mit
- Nils Dehne, Geschäftsführer der Allianz Kommunaler Großkrankenhäuser e.V. (AKG) und
- Martin Degenhardt, Geschäftsführer der Freien Allianz der Länder KVen (FALK), die acht Kassenärztliche Vereinigungen vertritt.
Wie zielführend ist denn die geplante Krankenhausreform aus Sicht der KVB?
Degenhardt: Für uns steht außer Frage, dass es eine grundsätzlich Krankenhausreform braucht. Wir haben einfach zu viele Krankenhäuser, die alles machen. Der Ansatz, jetzt eine Strukturreform mit Qualität im Fokus durchzuführen, ist sicher richtig. Die finanzielle Lage der Krankenhäuser scheint auch zwingend zu erfordern, dass etwas passiert. Bei den Qualitätsindikatoren ist der G-BA gefragt.
Dehne: Die Krankenhausreform ist dringend notwendig. Schon aufgrund der wirtschaftlichen Situation ist dies das Beste, was den Krankenhäusern jetzt passieren kann. Wir sind sehr gespannt, was tatsächlich in die Umsetzung kommt.
Ist denn die vorbereitete Ambulantisierung bei den Entwürfen ausreichend mitgedacht?
Dehne: Grundsätzlich muss man die Gesundheitsversorgung sektorübergreifend planen. Bei der Ambulantisierung kommen allerdings zusätzliche Herausforderungen durch die Selbstverwaltung ins Spiel. Insofern ist es nachvollziehbar, dass die Bundespolitik im ersten Schritt die Krankenhausseite in den Fokus nimmt.
Auch in der ambulanten Versorgung muss eine kontinuierliche Weiterentwicklung stattfinden. Wir benötigen neue Formen der Leistungserbringung, mit denen wir Patientinnen und Patienten anstatt im stationären im ambulanten Setting adäquat behandeln können. Derzeit gibt es noch berechtigte Zweifel, ob der ambulante Sektor einen zusätzliches Leistungsaufkommen aus den Krankenhäusern überhaupt verkraften kann. Insofern brauchen wir auch hier einen vernünftigen Entwicklungsprozess, in dem sich beide Seiten schrittweise anpassen können.
Degenhardt: In der Debatte stellt sich jeder unter Ambulantisierung etwas anderes vor – das haben ja die gescheiterten Verhandlungen zum § 115 f gezeigt. Die Vorstellungen der beiden Sektoren und der Kostenträger sind unterschiedlich. Mir scheint sogar, dass der Begriff ein Stück weit verbrannt ist: Wir haben bisher unter Ambulantisierung eigentlich immer nur verstanden, wie sich das Krankenhaus in die ambulante Versorgung einbringen kann. Das ist die Angst vieler Niedergelassener.
„Denken wir Ambulantisierung in beide Richtungen!“
Martin Degenhardt
Wo kommt denn Level 1i ins Spiel?
Degenhardt: Zum Veränderungsprozess gehört die Frage, wie wir gemeinsam mit Niedergelassenen kleinere Krankenhäuser aufsetzen können. Und da sind wir beim Level 1i angekommen. Wie lassen sie sich auf aktuellem medizinischem Niveau betreiben, ohne dass wir dort Ärztinnen und Ärzte, die es einfach nicht gibt, in einer doppelten Struktur vorhalten? Wie bahnen wir Wege für Niedergelassene ins Krankenhaus, um Personalprobleme der kleineren Häuser zu lösen?
Dehne: Ein Kernaspekt ist, dass wir künftig nicht mehr ausreichend personelle Kapazitäten haben, um die Versorgung in der heutigen Form aufrechtzuerhalten. Wir brauchen neue Formen der Zusammenarbeit. Dabei geht es nicht um die Institutionen – Krankenhaus, Praxis oder MVZ –, sondern um die dahinterliegenden Prozesse. Menschen und Expertise müssen für eine effiziente Versorgung zusammengebracht werden. Das darf nicht am Türschild scheitern.
Degenhardt: Im Übrigen läuft die Zusammenarbeit der Sektoren vor Ort bereits besser als man von Berlin aus interpretiert. In der Stadt Berlin selbst herrscht natürlich große Konkurrenz. Im Großen und Ganzen funktioniert „draußen“ das Miteinander.
Dehne: Wir müssen jedoch einen verlässlichen Anspruch der Patientinnen und Patienten definieren – passend zu deren Erwartungshaltung. Bei aller Gestaltungsfreiheit vor Ort müssen wir Anspruch, Vertrauen und Verlässlichkeit bundesweit einheitlich sicherstellen.
Sie haben Strukturen, Prozesse und Personal erwähnt. Ein Kernaspekt ist aber sicher die Vergütung, die derzeit noch sektoral aufgestellt ist?
Degenhardt: Ja, das sieht man beim Thema § 115f. Wie gestalten wir eine Lösung? Auch Fragen wie Bereitschaftsdienst sind zu klären. Wenn wir uns im ambulanten Vergütungsregime bewegen, muss das für Krankenhäuser ebenso wie für Niedergelassene gelten.
Dehne: Gefordert sind klare Anforderungen an die Struktur der Leistungserbringung. Darauf kann man ein Vergütungssystem für die Leistungen aufbauen. Im Moment reden wir leider viel zu oft von der Institution, die vergütet werden soll.
Degenhardt: Ideen hierzu gibt es ja. Aus dem ASV ist leider nichts geworden; aber mit dem Gedanken eines Budgets für einen Leistungskomplex, das ein Team erhält und untereinander aufteilt, haben wir positive Erfahrungen gesammelt.
Es gibt ja einen Vorschlag zur Vergütung, der einerseits tagesgleiche Pflegesätze sowie andererseits die Abrechnung ärztlicher Leistungen nach EBM vorsieht – ohne Vorhaltebudgets und ohne Pflegebudget.
Dehne: Also erstmal muss man erkennen, dass die Level 1i- Krankenhäuser, für die diese Vergütung beschrieben worden ist, einen echten Bedarf decken könnten. In unseren Krankenhäusern müssen auch immer wieder Menschen versorgt werden, die nicht rund um die Uhr eine ärztliche Überwachung erfordern, sondern pflegerische Begleitung und Betreuung brauchen. Insofern ist der Bedarf dafür eindeutig und niemand muss sich Sorgen machen, dass diese Krankenhäuser leer stehen. Ich glaube eher, die Kassen haben die große Sorge, dass zu viele Patientinnen und Patienten dort aufgenommen werden, weil diese Fälle bis jetzt vielfach durch den medizinischen Dienst gekürzt oder durch familiäre Strukturen aufgefangen wurden.
Der Ansatz, dort Tagessätze zu kalkulieren, auch wenn sie degressiv sind, eröffnet grundsätzlich die Perspektive eines wirtschaftlich tragfähigen Betriebskonzepts. Wenn dort also nur punktuell ärztliche Leistungen notwendig sind, dann ist die Einbindung der Niedergelassenen entsprechend ihres Vergütungssystems absolut vertretbar. Allerdings werden an vielen Orten gar nicht genug niedergelassene Ärztinnen und Ärzte zur Verfügung stehen, die diese Patientinnen und Patienten noch betreuen können. Dann werden wir doch wieder auf angestellte Ärztinnen und Ärzte zurückgreifen müssen – soweit diese überhaupt verfügbar sind.
„Die relevante Frage ist hier, woher das Geld für diese Versorgung kommen soll. Bislang sind diese Fälle in unserem System meistens hinten runtergefallen.“
Nils Dehne
Degenhardt: Über das wichtige Thema der Vergütungsgestaltung für Level 1i hat sich die Krankenhauskommission nicht ausreichend Gedanken gemacht. Auf Nachfrage kam immer die saloppe Antwort in Richtung EBM und ambulantes Regime. Die Pflegeleistung degressiv zu bezahlen, liegt auf der Hand. Wie aber die angestellten Ärzte und Ärztinnen in der Klinik vergüten? Gilt hier nach wie vor stationäre Vergütung? KVen haben mit diesen Budgets nichts zu tun, wir können das bestenfalls administrieren.
Ich sehe jedenfalls Chancen: In unserer Welt leben immer mehr alte Leute alleine zu Hause, etwa weil der Partner verstorben ist. Unter diesen Umständen wird ein Hausarzt bestimmte Patientinnen und Patienten für ein, zwei Nächte vollstationär einweisen – in genau diese kleinen Krankenhäuser, von denen wir sprechen. Sie brauchen dort aber keine volle medizinische Versorgung; und hat das nicht auch Sinn, dass der Hausarzt diese Patienten dort weiter betreut? Was sie benötigen, ist eine pflegerische Betreuung und Beobachtung. Aus hausärztlicher Perspektive liegt hierin die Chance. Zugleich haben Fachärzte die Sorge, dass je nach Ausgestaltung und ambulantem Handlungsspielraum Krankenhäuser Fälle wegnehmen … mit ihrer Quersubventionierung über Länderfinanzierung, Vorhaltepauschale und Tagessätze. Allerdings wird sich diese Debatte überholen, weil wir in Zukunft die Ärzte gar nicht mehr haben.
Dehne: Mein Angebot wäre: jedes 1i-Krankenhaus erhält das bisherige stationäre Budget nach Fachabteilungen differenziert und unter Herausrechnung der Pflegeanteile umgewandelt in Sonderbedarfszulassungen, die das Land neu vergeben kann. Das könnte ein fairer Kompromiss sein. Dieses Budget ließe sich dann im ambulanten Setting für die Versorgung in diesen Häusern nutzen.
Degenhardt: Wenn die ambulante Versorgung nicht am Ende draufzahlen muss und wenn wir diese Sonderbedarfe in dem Umfang brauchen, kann man das im Detail ansehen. Ich glaube aber das wird nicht zu finanzieren sein.
Würde denn nicht im Zuge der Neustrukturierung ein Teil des verfügbaren Budgets weiterwandern müssen – etwa zu den Schwerpunktzentren?
Dehne: Machen wir uns nichts vor. Die Reform ist aus der Perspektive des aktuellen Gesundheitsministers dazu angelegt, Geld einzusparen. Die Vorhaltefinanzierung schafft erhebliche Anreize, weniger Leistungen zu erbringen. Und wenn es parallel eben eine Strukturbereinigung gibt, dann bestehen große Chancen, dass die Kassen im stationären Bereich Geld einsparen.
Im ambulanten Bereich gehen alle Reformansätze dahin, nicht mehr auszugeben, sondern maximal mehr Leistungen zu bekommen. Dabei werden schon heute die beschriebenen Fälle de facto nicht adäquat bezahlt.
Degenhardt: Wenn dort weniger Leistung stattfindet, muss das Geld aus den Level-1i-Krankenhäusern in die höheren Level fließen. Kein Krankenhausmanager will diesen Level, weil sie Angst haben, dass sie die Leute und Budgets verlieren.
Dehne: Wie findet man Leute, die in diesen Häusern arbeiten wollen? Nun, es gibt auch Menschen, die nicht immer die hochtechnisierte Spezialmedizin machen möchten, sondern eine allgemeine Versorgung auch für sich als Betätigungsfeld sehen. Und: diese Häuser sind ein Konstrukt insbesondere für ländliche Regionen; In Großstädten wäre es ja sonst sehr attraktiv, den Patienten so schnell wie möglich nach einer Behandlung im Level-3-Krankenhaus sofort in das benachbarte Level-1i-Krankenhaus zu legen und einen zusätzlichen Deckungsbeitrag zu generieren. Deshalb sollten wir in Ballungsgebieten wie Berlin besser am Ausbau der Kurzzeitpflege und an der Zusammenarbeit zwischen Niedergelassenen und Pflegeeinrichtungen arbeiten.
Wer managt denn solche Häuser – mit Pflegeschwerpunkt?
Dehne: Die Pflegeverbände sehen hier eine Aufwertung ihres Berufsbildes. Prinzipiell sehe ich ein Management durch die Pflege positiv. Allerdings gibt es ja gar nicht genügend Community Nurses oder Advanced Practice Nurses (APN), die eine Leitungsfunktion übernehmen könnten.
Klinikkonzerne könnten durchaus attraktive Geschäftsmodelle erkennen. Etwa dort, wo schon Strukturen der ambulanten Versorgung existieren, also MVZs neben kleinen Krankenhäusern. Solche Häuser sind prädestiniert dafür, mit ihrem MVZ diese Level-1i-Krankenhäusern ärztlich zu betreuen und dadurch einen zusätzlichen Vergütungstopf anzuzapfen. Und diese Konzernstrukturen sorgen ja schon heute dafür, dass die Patientinnen und Patienten, die einer höherwertigen Behandlung bedürfen, in das konzerneigene Level-2- oder Level-3-Krankenhaus weitergeschickt werden. Auch für Großkrankenhäuser gibt es Mehrwerte mit Blick auf die Reduzierung des ambulanten Risikos oder der MD-Prüfung.
Außerdem könnte es spannend sein, über die rein medizinische Zusammenarbeit hinaus Dienstleistungen für solche Organisationsstrukturen anzubieten. Es ist sicher nicht sinnvoll, wenn Level-1i-Krankenhäuser ihr eigenes Qualitätsmanagement, eigene Hygiene und eigene Personalabrechnungen oder IT-Infrastrukturen betreiben. Hier eröffnen sich spannende Kooperationsmöglichkeiten.
Degenhardt: 1i-Management durch die Pflege beurteile ich ebenfalls grundsätzlich positiv. – Dass wir Krankenhaus-MVZ, die vor allem zur Einweisung dienen, kritisch sehen, ist ja kein Geheimnis. Generell wird sich aber die Situation in den nächsten Jahren verändern, weil der Druck auf beiden Versorgungsebenen so groß ist, qualifiziertes Personal gerade für ländliche Regionen zu generieren. Es muss also andere Formen der Zusammenarbeit geben, und Krankenhäuser sind eher in der Lage, solche Konstrukte zu organisieren. Welche Einflussmöglichkeiten bleiben dabei den Ärztinnen und Ärzten? Es braucht auf jeden Fall ein Miteinander auf Augenhöhe. Sonst wird es nicht funktionieren, weil die Praxen vor Ort sich verweigern. Da können wir im Zweifel beschließen was wir wollen.
Dehne: Aber was ist denn mit den Praxiskliniken? Im Grunde ist doch so ein Level-1i-Krankenhaus ein willkommenes Betätigungsfeld auch für bestehende Strukturen mit unternehmerisch denkenden Ärztinnen und Ärzten.
Degenhardt: Ja – es gibt Ärzte, die darin eine Chance sehen, sowie viele Hausärzte, die froh sind, wenn sie ihre Patienten auch über Nacht in einer in eine gute Betreuung geben können. Allerdings erfordert dies Akzeptanz für 1i beim stationären Sektor.
Welchen grundsätzlichen Änderungsbedarf sehen Sie bei den Rahmenbedingungen?
Degenhardt: Wichtig ist das Thema Erlaubnisvorbehalt – für die Kassen die heilige Kuh. Wir müssen zum Verbotsvorbehalt kommen, damit auch stationäre Medizin durch ambulante Ärztinnen und Ärzte im Klinikum erbracht werden kann.
Dehne: Zu überlegen ist, ob die Struktur-/Qualitäts-/Bürokratieanforderungen an ein Krankenhaus auf dieser Ebene adäquat sind. Darüber hinaus stellt sich mir noch die Frage, ob ein Arzt oder eine Ärztin eines kommunalen Großkrankenhauses Patientinnen oder Patienten mit gutem Gewissen an ein Level-1i-Krankenhaus unter Führung einer APN überweisen? Dabei geht es um eine Entlassung, weil wir das Vergütungssystem verlassen – und auf einer anderen Seite um eine Aufnahme. Was sind Kriterien für ein Aufnahme-Assessment? Wann ist ein Patient richtig in einem Level-1i-Krankenhaus aufgehoben? Entscheidet das der Einweisende oder die APN? Beauftragt sie bzw. er die ärztlichen Leistungen?
Wie steht es denn um die Verfügbarkeit und Akzeptanz bei den Fachberufen?
Dehne: Die APN-Ausbildungszahlen an den wenigen anbietenden Hochschulen dürften noch überschaubar sein. Traditionell tun sich die ärztlichen Fachgesellschaften schwer mit einer eigenständigen Rolle der Pflege in unserer Versorgung. Es bleibt spannend, ob der Minister diese Entwicklung gegen absehbare Widerstände aus der Ärzteschaft durchbringen kann. Die Grünen gelten ja als klare Unterstützer dieses Berufsstandes.
Wäre das denn so nachteilig?
Dehne: Meine Meinung ist klar: Solange es uns in den Krankenhäusern nicht gelingt, unseren studierten Pflegekräften ein adäquates Tätigkeitsfeld zu bieten, wären sie gut aufgehoben in der Leitung oder Organisation einer solchen Einrichtung. Wir müssen uns dieser Entwicklung in jedem Falle stellen. Eines Tages wird sich nur noch die Frage stellen, ob Patientinnen und Patienten initial einen ersten digitalen, oder einen nichtärztlichen Ansprechpartner bekommen, weil gar nicht genug Ärztinnen oder Ärzte zur Verfügung stehen, um jeden Versorgungsbedarf als erstes zu überprüfen oder zu lenken.
Was denken denn Patientinnen und Patienten über Level 1i?
Degenhardt: Verstehen Patientinnen und Patienten überhaupt, was das ist … wie ordnen sie sich selbst ein? Im Zweifelsfall landen sie in der Notaufnahme eines Maximalversorgers, wo sie in vielen Fällen nicht hingehören. Die Herausforderung liegt in der Kommunikation. Wenn es um Auffangstationen für Niedergelassene geht, die ihre Patientinnen und Patienten weiterversorgt sehen wollen, würde die Klärung durch den Arzt/die Ärztin erfolgen oder im Krankenhaus?
„Diese Einrichtung soll jene unterstützen, die nicht durch die Familie oder anderweitig betreut werden können ohne „echte Krankenhausfälle“ zu sein … als echter Mehrwert.“
Martin Degenhardt
Dehne: Ich denke auch, dass die Patientinnen und Patienten, die in diesem Setting versorgt werden, den Nutzen erkennen werden – und dass es langfristig zum Erfolgsmodell wird, wenn wir es uns konsequent leisten können und wollen. Ich finde es schade, dass wir von allen Seiten dieses Setting schon von Beginn an so diskreditieren und so der Startpunkt für das Vertrauen der Patienten und Patienten im Minusbereich anfängt. Vermitteln wir doch den Patientinnen und Patienten frühzeitig in dieser Reform, dass nicht jedes Krankenhaus gleich Krankenhaus ist!
Ich vergleiche das ganz gerne mit der Situation der Schwimmbäder in Kommunen. Jeder Bürgermeister weiß inzwischen, dass ein Schwimmbad ohne Rutsche nur Kosten verursacht und keiner hingeht. Leider wissen viel zu wenig Bürgermeister, dass ihr Krankenhaus keine Rutsche hat! Die Ehrlichkeit müssen wir aufbringen, den Patienten das zu erklären, und dann schaffen wir es auch dafür zu sorgen, dass das Level-1i-Krankenhaus zur Lösung wird und nicht zum Problem.
Welche weiteren Aspekte sehen Sie bezüglich Finanzierung und Planung?
Degenhardt: Wie berücksichtigt man denn Level 1i in der Versorgungsplanung? Sind sie Teil des Krankenhausplans. Da sagt die DKG bereits – auf keinen Fall, das sind ja keine Krankenhäuser, wenn sie Teil der ambulanten Versorgung sind. Wie werden sie also berücksichtigt – über Sonderbedarfe oder aber über einen Level-1i-Schlüssel? Welche Formen oder wieviel ambulante Versorgung müssen sie erbringen, um Berücksichtigung zu finden? Plant man auf Kreisebene oder über den Landeskrankenhausplan? Hier sehe ich keine Anhaltspunkte bei der Kommission.
Dehne: Im Rahmen eines Gesetzgebungsprozesses kann durchaus die Idee aufkommen, Level-1i-Krankenhäuser mit Regionalbudgets zu verknüpfen. Sie zählen zu den Lieblingsthemen der Grünen. Mir fehlt allerdings noch die Fantasie, wie sich das zwischen den verschiedenen Töpfen sinnvoll abwickeln lassen soll.
Kommt es am Ende des Tages einfach darauf an, Veränderungen zu akzeptieren?
Degenhardt: Die ambulante Ärzteschaft befindet sich in einem riesigen Generationenumbruch. Er wird zwangsläufig zu Veränderungen führen, weil die Jungen ganz anders arbeiten wollen als viele, die jetzt seit 30 Jahren in der Versorgung waren. Das wird mit Akzeptanz für diese Veränderungen einhergehen. „Das haben wir schon immer so gemacht“ zählt dann nicht mehr. Sie haben den Anspruch an Teamarbeit, sie wollen auch in der ambulanten Versorgung weg von der Arztzentrierung hin zur Praxiszentrierung als Team. Zu dieser Entwicklung passen auch Level-1i-Krankenhäuser. Jetzt kommt die große Einschränkung: wenn man es richtig macht!
Dehne: Im Moment fehlen noch ein Stück weit Fantasie, Kreativität und Mut, solche Veränderungen aktiv zu gestalten und auszuprobieren – wohlwissend, dass sich auf einem Blatt Papier noch nicht alles optimal ausgestalten lässt. Das große Problem in der jetzigen Vorgehensweise ist der Versuch, gleich initial solche Leistungsbereiche über detaillierte Strukturen und Anforderungen zu definieren.
„Es fehlt auch der mutige Schritt, über eine budgetäre Anreizstruktur zu sprechen, weil man sich bei der Diskussion über den Budgettopf die Finger verbrennen könnte.“
Nils Dehne