GKV-Finanzen Lauterbach hört Kritik, ändert aber wenig

Das Gesetz zur Finanzierung der GKV-Finanzen hat das Kabinett passiert. Trotz aller Kritik wurde am Referentenentwurf wenig verändert. DKG, VUD, Kassen und die Opposition äußern schwerwiegende Bedenken.

Kritik am GKV-Finanzstabilisierungsgesetz
Nun hat das Gesetz zur Finanzierung der GKV-Finanzen das Kabinett passiert und die Kritik wird schärfer. – © meranda (stock.adobe.com)

Das Bundeskabinett hat das GKV-Finanzstabilisierungsgesetz verabschiedet und es kann jetzt den Weg ins Parlament antreten. An den vorab veröffentlichten Gesetzentwürfen gab es harsche Kritik von Krankenkassen, Leistungserbringern, der pharmazeutischen Industrie und von den eigenen Koalitionspartnern. Man habe „viel diskutiert“, sagt Bundesgesundheitsminister Prof. Karl Lauterbach nach der Kabinettssitzung, aber letztendlich „so gut wie keine Änderungen vorgenommen“. Nichtsdestotrotz rechne er mit einer „breiten Zustimmung in der Ampel“.

Was im GKV-Finanzstabilisierungsgesetz an (Nicht-)Änderungen zu erwarten ist

Die Neupatientenregelung hat sich aus Sicht von Lauterbach „nicht bewährt“, weshalb sie weiterhin gestrichen werden soll. „Unsere empirische Auswertung gibt keine Hinweise darauf, dass ein einziger Patient zusätzlich behandelt wurde nur wegen dieser Regelung.“

Bei den Krankenhäusern seien Einsparungen mit Blick auf die Pandemie und die aktuelle Erhöhung der Gaspreise „kaum realisierbar“. Ganz aus dem Schneider sind die Kliniken jedoch nicht, denn beim Pflegebudget sollen die berücksichtigungsfähigen Berufsgruppen konkretisiert werden.

Beim Zusatzbeitragssatz wird eine „maßvolle Erhöhung“ angekündigt. Je nach Ergebnis des Schätzerkreises im Oktober sei eine Anhebung um 0,3 Prozentpunkte möglich. Den Krankenkassen geht es an die Finanzreserven, außerdem wird die Obergrenze für die Liquiditätsreserve des Gesundheitsfonds halbiert. Der Bund soll im Jahr 2023 einen ergänzenden Zuschuss in Höhe von zwei Milliarden Euro leisten und vergibt ein Darlehen in Höhe von einer Milliarde Euro an den Gesundheitsfonds.

Einige Änderungen gibt es aber doch. Die Solidarabgabe der pharmazeutischen Industrie in Höhe von zwei Milliarden Euro ist vom Tisch. Stattdessen sei man zu Lauterbachs „ursprünglichen“ Vorschlag zurückgekehrt: höherer Herstellerabschlag, AMNOG-Reform und Verlängerung des Preismoratoriums für Arzneimittel. Auch die einst vom Minister selbst ins Spiel gebrachte Kommission zur GKV-Finanzierung soll es nicht geben. Sein Haus wolle diese Arbeit nun selbst übernehmen.

DKG hält an Kritik fest und wirft Lauterbach Gefährdung von Arbeitsplätzen in der Pflege vor

Die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) kritisiert den Kabinettsentwurf des GKV-Finanzstabilisierungsgesetzes und die Ankündigung von Bundesgesundheitsminister Lauterbach zu neuen Belastungen für die Krankenhäuser auf das Schärfste. „Es ist nicht nachvollziehbar, dass der Minister in seinem Pressestatement ausdrücklich erwähnt, welche extreme Belastungen auf die Krankenhäuser in den kommenden Wochen zukommen, schon allein durch die Kostensteigerungen bei Gas, und gleichzeitig den Kliniken noch einmal 375 Millionen Euro entzieht. Er bringt nicht nur keine Verbesserung für die Krankenhäuser in Form eines Inflationsausgleichs auf den Weg, sondern verschärft auf diese Weise noch die ohnehin angespannte finanzielle Lage und gefährdet sogar Arbeitsplätze in der Pflege“, erklärt der DKG-Vorstandsvorsitzende Dr. Gerald Gaß.

„Im Extremfall würde dieses Gesetz dazu führen, dass bis zu 20.000 Arbeitsplätze gefährdet wären. Ein Wahnsinn angesichts des Personalmangels. Somit bleibt das politische Handeln des Ministers in diesem Stil absolut inakzeptabel.“

Dr. Gerald Gaß, DKG-Vorstandsvorsitzender

Verband der Universitätsklinika: „Hickhack um das Pflegebudget beenden“

Auch beim Verband der Universitätsklinika (VUD) rechnet man mit negativen Auswirkungen. „Mit der Einschränkung der Berufsgruppen, die zukünftig über das Pflegebudget finanziert werden sollen, wird der Fehlanreiz verstärkt, möglichst viele Tätigkeiten auf diese Berufsgruppen zu übertragen. Hierdurch werden Krankenhäuser, die Pflegekräfte durch Einbezug anderer Berufsgruppen entlasten, strukturell benachteiligt. Die Ungleichbehandlung von Berufsgruppen, die einen wichtigen Beitrag für die Pflege am Bett leisten, wird manifestiert. Gerade qualifiziertes Personal, wie z. B. Hebammen auf Neugeborenen-Stationen, das einen wichtigen Beitrag für die Pflege am Bett leistet, muss weiterhin vollständig im Pflegebudget angerechnet werden können“, heißt es in einem Pressestatement. Die neue Zuordnung zu „Pflege am Bett“ werde den hohen administrativen Aufwand nicht reduzieren, sondern weiterhin Konfliktpotenzial bergen.

„Der Gesetzgeber verliert sich zunehmend im Klein-Klein. Das fehlende Gesamtkonzept führt zu einer weiteren Steigung der Komplexität auf Bundes- und Ortsebene. Die Universitätsklinika sprechen sich anstelle kleinteiliger Neuregelungen für eine auf Versorgungsstufen aufbauende Weiterentwicklung der Krankenhausfinanzierung aus.“

Prof. Dr. Jens Scholz, VUD-Vorsitzender

AOK-Bundesverband kritisiert Entwurf zum GKV-Finanzstabilisierungsgesetz weiter

„Dieses Gesetz enthält keinerlei Maßnahmen für eine kurz- oder langfristige Stabilisierung der GKV-Finanzen. Beiträge werden hochgeschraubt, Rücklagen eingezogen und Schulden gemacht“, betonte Vorstandsvize im AOB-Bundesverband Jens Martin Hoyer. Auch marginale Änderungen im Vergleich zum Referentenentwurf wie etwa die einmalige Erhöhung des Herstellerabschlags im Arzneimittelbereich oder die Aussetzung der verschärften Regelungen zur Anhebung des Zusatzbeitrags für ein Jahr würden am grundsätzlichen Befund nichts ändern. „Diese kosmetischen Anpassungen verstärken den Eindruck, dass das Ziel einer nachhaltigen Finanzierung der GKV weit verfehlt wird. Es handelt sich um ein kurzatmiges Einjahresgesetz“, erklärt Hoyer in seiner Reaktion auf den Kabinettsbeschluss am 27. Juli 2022. Kein strukturelles Problem werde damit gelöst.

Bayerns Gesundheitsminister zeigt sich enttäuscht

Bayerns Gesundheits- und Pflegeminister Klaus Holetschek hat den Beschluss der Bundesregierung zum Finanzstabilisierungsgesetz der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) scharf kritisiert. Er sagte am gestrigen Mittwoch: „Es ist enttäuschend, dass die Bundesregierung heute unbeeindruckt von aller berechtigten Kritik einen Gesetzentwurf verabschiedet hat, der mehr Probleme schafft als löst. Mehrmals habe ich den Bund zu einer Überarbeitung aufgefordert, denn die Mängelliste ist lang. Klar ist: Das riesige Defizit in Höhe von mindestens 17 Milliarden Euro muss rasch durch den Bund gedeckt werden. Der Bund muss die versicherungsfremden Leistungen finanzieren – daran führt kein Weg vorbei!“ Holetschek betont, dass die Länder in die Beratungen hätten einbezogen werden müssen.