45. Deutscher Krankenhaustag +++aktualisiert+++ Krankenhäuser in der Krise – trotz Milliardenhilfe

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Der 45. Deutsche Krankenhaustag wurde eröffnet. „Die Krankenhäuser in Deutschland befinden sich in einer multiplen Krisenlage, die tagtäglich bewältigt werden muss“, betonte Kongresspräsident Dr. Josef Düllings bei seiner Eröffnungsrede. Es gehe darum, wie trotz Energiekrise, Teuerung und Personalknappheit die Versorgung der Patientinnen und Patienten möglichst flächendeckend gewährleistet werden kann.

Kongresspräsident Dr. Josef Düllings eröffnete den 45. Deutschen Krankenhaustag. – © Screenshot HCM/www.deutscher-krankenhaustag.de

Dass die Politik – wenn auch sehr spät – entschieden hat, die Krankenhäuser mit einem acht Milliarden Euro-Hilfspaket zu unterstützen, führe dazu, dass drohende Insolvenzen wegen der galoppierenden Inflation gebannt werden. „Wir bauen alle darauf, dass sie ihr Versprechen, kein Krankenhaus soll aus Gründen der Inflation und der Energiekostenteuerung schließen muss, einhalten wird, denn hier geht es um den Erhalt einer Infrastruktur, die für die Bürger mit zu den wichtigsten gehört“, erklärte Dr. Josef Düllings, Kongresspräsident des 45. Deutschen Krankenhaustags, bei der Eröffnungspressekonferenz in Düsseldorf. Der VKD-Präsident begrüßte das Vorhaben der Bundesregierung einer finanziellen Unterstützung für die Pädiatrie, Kinderchirurgie und Geburtshilfe. Sie müsse angesichts der Situation in diesem wichtigen Bereich zügig erfolgen.

Gaß fordert gemeinsamen Konsens der politisch Verantwortlichen

Dr. Gerald Gaß, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG), machte deutlich, dass weitreichende und grundsätzliche Reformen im Krankenhausbereich und darüber hinaus notwendig seien.

„Diese Reformen müssen aber, wenn sie am Ende auch erfolgreich in der Umsetzung sein sollen, einem Leitbild folgen wie die Patientenversorgung in Zukunft ausgestaltet sein soll. Das muss am Anfang stehen und dazu braucht es einen Konsens zwischen den politisch verantwortlichen Ebenen also Bundesregierung und Bundesländer.“

Dr. Gerald Gaß
Dr. Gerald Gaß, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG).
Dr. Gerald Gaß, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG). – © DKG/Lopata

Dann könnten Expertenkommissionen sich ans Werk machen, die richtigen Instrumente zu entwickeln, um dieses gemeinsame Leitbild zu erreichen, betonte der DKG-Vorstandsvorsitzende. Darüber hinaus unterstrich Gaß, dass die Corona-Pandemie weiterhin die Krankenhäuser belaste. Tagtäglich spüren die Krankenhäuser weiterhin teils massive Auswirkungen. Die Kliniken leiden v.a. unter starken Personalausfällen durch Isolation und Quarantäne. Und noch immer meiden zu viele Patientinnen und Patienten aus Ansteckungsangst die Krankenhäuser. Das habe nicht nur wirtschaftliche Folgen für die Kliniken, v.a. werden weiterhin viele Erkrankungen so nicht erkannt und behandelt.

Gemeinsamer Masterplan für die Pflege gefordert

Dr. Sabine Berninger, Vertreterin der Arbeitsgemeinschaft christlicher Schwesternverbände und Pflegeorganisationen in Deutschland (ADS) sowie des Deutschen Berufsverbandes für Pflegeberufe (DBfK), betonte den weiterhin großen Handlungsbedarf im Bereich der Pflege. „Wir brauchen dringend einen Masterplan für die Pflege, an dem wir gemeinsam arbeiten können“, forderte die Pflegedirektorin des KJF Klinik Josefinum. Gleichzeitig kritisierte Berninger, dass die Pflegeverbände nicht in die Gestaltung des Corona-Pflegebonus einbezogen wurden. Zudem forderte sie die kurzfristige Einführung der Pflegepersonalregelung 2.0 (PPR 2.0) als Übergangsinstrument.

Notwendiger Bürokratieabbau zur besseren Patientenversorgung

Dr. Michael A. Weber, Präsident des Verbandes leitender Krankenhausärztinnen und -ärzte (VLK), verdeutlichte, dass die weiter bestehende Pandemie, Inflation und Energiekosten einen immensen finanziellen Druck auf die Kliniken bewirken. „Personalmangel- und ausfälle führen zu Überlastung und Engpässen trotz rückläufiger Patientenzahlen“, betont der VLK-Präsident. Gleichzeitig versuche die Regierungskommission das Rad in Sachen Krankenhausreform und Planung gerade neu zu erfinden. Zudem würden die konstruktiven Vorschläge der Verbände einfach ignoriert. Viele Vorschläge zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen der Pflege seien auf dem Tisch. Ein zwingend notwendiger Bürokratieabbau würde viel Zeit zur besseren Patientenversorgung freisetzen, machte dieser deutlich.

Zweiter Kongresstag: Pflege darf nicht von der Kassenlage abhängig sein

Am zweiten Tag beim Deutschen Krankenhaustag wurde über das Thema Pflege diskutiert. Dabei ging es sowohl um die Pflegepersonalbedarfsbemessung als auch um die vermeintliche Entlastung von Pflegefachpersonen durch tagesstationäre Behandlung, wie sie Bundesgesundheitsminister Lauterbach angekündigt hat. Insbesondere die geplante Umsetzung des Pflegepersonalbemessungsinstruments PPR 2.0, das Deutscher Pflegerat, Ver.di und Deutsche Krankenhausgesellschaft gemeinsam entwickelt haben, stieß bei den Beteiligten auf Unverständnis, da der Gesetzesentwurf mit dem ursprünglichen Modell der drei Organisationen nicht mehr viel gemeinsam hat. „Auch wenn Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach gestern gesagt hat, dass das Vetorecht des Finanzministers nie zu einer Pflege nach Kassenlage führen könne, bleiben unser Unbehagen und Unverständnis. Wir brauchen bei der Umsetzung der Bedarfsplanung ein klares Zeichen an die Pflegenden, dass sich ihre Situation tatsächlich nachhaltig verbessern wird“, erklärt Dr. Sabine Berninger, Vertreterin der Arbeitsgemeinschaft christlicher Schwesternverbände und Pflegeorganisationen in Deutschland (ADS) sowie des Deutschen Berufsverbandes für Pflegeberufe (DBfK).

Auch der vermeintlich große Wurf durch tagesstationäre Behandlungen die Pflege zu entlasten, scheitert zumindest in diesem Punkt. Die Geschäftsführerin des Berufsverbandes für Pflegeberufe Dr. Bernadette Klapper erklärte eindrücklich, dass es nicht zu erwarten sei, dass Pflegekräfte durch weniger Übernachtungen im Krankenhaus entlastet würden. „Wer geht denn nach Hause, das sind nicht die Pflegebedürftigen, die tatsächlich Arbeit auf der Station machen. Es sind genau die Patientinnen und Patienten, die ohne großen Pflegebedarf sind. So werden vielleicht weniger Betten belegt, die Arbeitslast reduziert sich aber höchstens unwesentlich. Zur Folge wird es aber haben, dass auf weniger Pflegekräfte eine extreme Arbeitsverdichtung zukommt“, betont sie.

„Wir laufen Gefahr, mit einer guten Idee, nämlich die ambulanten Potenziale der Krankenhäuser zu heben, für Pflegekräfte genau das Gegenteil zu erreichen – eine Verdichtung und Verschärfung der Arbeitssituation.“

Dr. Bernadette Klapper

Dritter Kongresstag: Deutscher Krankenhaustag fordert Überwindung der Sektoren

Am Mittwoch, 16.November wurde beim Deutschen Krankenhaustag intensiv über das Thema Krankenhausplanung und Versorgungssicherung diskutiert. Die in der Hand der Länder liegende Krankenhausplanung ist eine der zentralen Aufgaben der Daseinsvorsorge. Sie entscheidet über die Krankenhausversorgung in den Regionen. Vor allem die jüngsten politischen Vorschläge aus dem Bundesgesundheitsministerium zu weniger Übernachtungen und mehr ambulanten Behandlungen im Krankenhaus haben die Debatte bestimmt.

Die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) hat insbesondere für die Versorgung in strukturschwachen und dünn besiedelten Regionen das Modell der Gesundheitszentren und regionalen Netzwerke entworfen, in denen sektorenübergreifend Gesundheitsversorgung gesichert wird. „Wir sind überzeugt, dass wir die strikte Trennung der Sektoren überwinden müssen, um die Strukturen zu modernisieren“, erklärte der DKG-Präsident Ingo Morell in einer Diskussionsrunde mit der niedersächsischen Gesundheitsstaatssekretärin Dr. Christine Arbogast und Prof. Dr. Tom Bschor, dem Koordinator der Regierungskommission Krankenhausversorgung. „Ambulantisierung ja, aber nicht in Konkurrenz zu den niedergelassenen Ärztinnen und Ärzten. Anders können wir Versorgung, v.a. im ländlichen Bereich, gar nicht organisieren“, betonte Morell. Dr. Arbogast berichtete vom Aufbau regionaler Gesundheitszentren in Niedersachen. Auch sie ist überzeugt, dass die strikte Trennung der Sektoren überwunden werden muss.

„Ein Krankenhaus ist ein Haus für Kranke. Da steht nicht, dass man da unbedingt übernachten muss.“

Prof. Dr. Tom Bschor

Dies, betonte Bschor in der Debatte um die Sektorengrenzen, sei die Zukunft, ob man das regionale Gesundheitszentren nenne oder nicht. In vielen Regionen seien die Menschen froh, wenn überhaupt jemand die ärztliche Versorgung übernehme.

Vierter Kongresstag: Krankenhaustag fordert beschleunigte Digitalisierung

An seinem letzten Tag hat sich der Deutsche Krankenhaustag in Düsseldorf mit der Digitalisierung im Gesundheitswesen beschäftigt. Die Debatte fand unter dem Eindruck der angekündigten Digitalisierungsstrategie aus dem Bundesgesundheitsministerium statt.

Prof. Ferdinand Gerlach aus dem Sachverständigenrat Gesundheit mahnte in Deutschland als Land der „digital Spätgeborenen“ dringenden Reformbedarf und Beschleunigung der Prozesse an.

„Wir haben kein Erkenntnisdefizit sondern ein Umsetzungsdefizit. Wir stehen in Europa abgeschlagen, ganz weit unten, in den Rankings meistens Vorletzter. Bei der Patientenakte haben wir z.B. 15 Jahre Abstand.“

Prof. Ferdinand Gerlach

Digitalisierung allein werde nicht die Strukturen modernisieren, auch die Binnenorganisation der Krankenhäuser benötige Erneuerung. In Deutschland werde erst etwas eingeführt, wenn wir hundertprozentig sicher seien, dass alles funktioniert. Im Ergebnis werde heute mit veralteter Technik gearbeitet. Das müsse sich unbedingt ändern. „Wir müssen von unseren Nachbarn lernen. Inzwischen kann man fast überall in Europa schauen, denn fast alle sind weiter als wir“, betont Gerlach. Gerade in der Corona-Pandemie hätten sich Defizite in der Digitalisierung deutlich gezeigt, da fast alle Daten zur Einschätzung der Pandemie, Wirksamkeit der Impfstoffe usw. aus anderen Ländern mit digitalisierten Gesundheitssystemen kamen.

Der Geschäftsführer der gematik Dr. Markus Leyck Dieken gab einen Einblick in die Arbeit seiner Gesellschaft. Diese verwende nun endlich internationale Standards in ihrer Programmierung. Bislang habe sie „in Sütterlin“ gearbeitet, so dass sich die Technik nicht mit anderen Systemen in Europa austauschen konnte. „Wir glauben immer noch, dass wir den Koalitionsvertrag umsetzen“, sagte Sebastian Zilch, der die Unterabteilung für gematik, Telematikinfrastruktur und eHealth im BMG leitet.

„Daten retten leben“, sagte Prof. Sylvia Thun vom Berlin Institute of Health. Daten nicht zu nutzen, gefährde Leben. Eine Umfrage unter Patientinnen und Patienten habe ergeben, dass mehr als 80 Prozent ihre Daten der Forschung zur Verfügung stellen würden.

Der 45. Deutsche Krankenhaustag endet

Der Deutsche Krankenhaustag widmete sich auch in diesem Jahr der gesamten Bandbreite gesundheits- und krankenhauspolitischer Themen. Er bot Gelegenheit, eine Vielzahl an Vorhaben – von der Personalbemessung in der Pflege bis zur Krankenhausplanung der Zukunft – intensiv zu diskutieren. Der 45. Deutsche Krankenhaustag war angesichts der Energiekrise und der hohen Inflation insbesondere von den Erwartungen der Kliniken an die Politik geprägt. Die Krankenhäuser hatten im Vorfeld eine schnelle Unterstützung gefordert.

Bundesgesundheitsminister Prof. Dr. Karl Lauterbach. – © BMG/Thomas Ecke

Höhepunkt des Kongresses war die Rede von Bundesgesundheitsminister Prof. Karl Lauterbach auf der Auftaktveranstaltung. Dabei präzisierte er einerseits die bereits zuvor angekündigten Finanzhilfen für die Kliniken. Gleichzeitig kündigte der Bundesgesundheitsminister an, dass die von ihm eingesetzte Regierungskommission ihre Vorschläge zur Reform des diagnosebezogenen Fallpauschalensystems (DRGs) in Kürze vorlegen werde.

Auf große Resonanz stieß ebenfalls die Informationsveranstaltung zur Finanzierung im Krankenhaus am Eröffnungstag. An den Folgetagen erörterten die Teilnehmenden aus allen Bereichen des Gesundheitswesens unter dem Motto „Reformpolitik quo vadis – was wird aus dem Koalitionsvertrag?“ eine Vielzahl an Krankenhausthemen wie

  • Pflegeausbildung,
  • fortschreitende Digitalisierung,
  • Patientenrechte,
  • Qualitätssicherung,
  • Krankenhausarchitektur sowie
  • Herausforderungen bei der Integration von im Ausland ausgebildeten Ärztinnen und Ärzten.

Deutscher Krankenhaustag

Klinikvertreter und Politik werden im Rahmen des 45. Deutschen Krankenhaustages sowohl die aktuellen Entwicklungen als auch die Anforderungen für den Kliniksektor und die Erwartungen der Krankenhäuser für die laufende Legislaturperiode debattieren. „Reformpolitik quo vadis – was wird aus dem Koalitionsvertrag?“ – so lautet das Motto des Kongresses, der vom 14. bis 17. November 2022 im Rahmen der weltweit größten Medizinmesse Medica in Düsseldorf stattfindet.

Die folgenden Kongresstage werden aufgezeichnet und als Video on Demand auf der Website des Deutschen Krankenhaustages eingestellt.

Weitere Informationen zum Kongressprogramm finden Interessierte unter: www.deutscher-krankenhaustag.de.

Der 46. Deutsche Krankenhaustag wird vom 13. bis 16. November 2023 erneut in Düsseldorf im Rahmen der weltgrößten Medizinmesse Medica stattfinden, dann allerdings in neuen Räumen, dem CCD Süd.