17. Krankenhaus Rating Report 2021 Weniger Krankenhäuser im „grünen Bereich“

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Die wirtschaftliche Lage einiger deutscher Krankenhäuser hat sich im Jahr 2019 weiter verschlechtert. 13 Prozent befinden sich in erhöhter Insolvenzgefahr. Das geht aus dem neuen Krankenhaus Rating Report hervor, der auf dem Hauptstadtkongress vorgestellt wurde.

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    © Screenshot HCM/WISO
    Der aktuelle Krankenhaus Rating Report, vorgestellt auf dem HSK 2021, zeigt, dass weniger Krankenhäuser im „grünen Bereich“ sind. Wie die Zukunft der deutschen Krankenhauslandschaft aussieht, hängt von unterschiedlichen Faktoren ab.
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    © medhochzwei
    Der Krankenhaus Rating Report 2021 wurde auch in diesem Jahr wieder auf dem HSK vorgestellt und ist jetzt erhältlich.

Der 17. Krankenhaus Rating Report gibt Aufschluss über die aktuelle wirtschaftliche Lage von deutschen Krankenhäusern. Er wurde gemeinsam vom RWI – Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung und der Institute for Healthcare Business GmbH (hcb) in Kooperation mit der Bank im Bistum Essen (BIB) und der HIMSS erstellt und auf dem diesjährigen Hauptstadtkongress vorgestellt. Die wichtigsten Ergebnisse des Krankenhaus Rating Reports im Überblick:

Status quo der Krankenhäuser

  • Die wirtschaftliche Lage deutscher Krankenhäuser hat sich im Jahr 2019 erneut verschlechtert. 13 Prozent der Krankenhäuser befanden sich im „roten Bereich“ erhöhter Insolvenzgefahr, 27 Prozent im „gelben“ und 60 Prozent im „grünen Bereich“. Im Jahr zuvor lagen noch 63 Prozent im grünen Bereich. Die Ertragslage hat sich 2019 ebenfalls leicht verschlechtert: 33 Prozent der Krankenhäuser schrieben auf Konzernebene einen Jahresverlust, 2018 waren es 31 Prozent. Im Jahr 2019 betrug das durchschnittliche Jahresergebnis 0,8 Prozent der Erlöse, im Jahr 2016 waren es noch 2,2 Prozent.
  • Ausschlaggebend für die schlechte wirtschaftliche Lage dürfte laut den Autorinnen und Autoren der Untersuchung die seit 2017 anhaltende Stagnation der Leistungsmenge gewesen sein. Aufgrund der Covid-19-Pandemie sank im Jahr 2020 die stationäre Fallzahl zudem um dramatische 13 Prozent, in den ersten Monaten der Pandemie vorübergehend sogar um 30 Prozent. Im Jahr 2020 waren zwei Prozent aller Betten und vier Prozent aller Intensivbetten durch Covid-19-Patienten belegt. Auch im Jahr 2021 dürfte die Ausnahmesituation mit deutlich geringerer Leistungsmenge als 2019 bestehen bleiben.
  • Insgesamt wurden 2020 rund 10,2 Milliarden Euro für die Einnahmeausfälle der Krankenhäuser in Form von Ausgleichszahlungen ausgezahlt. Die Ausgleichszahlungen lagen in der Summe höher als die durch die Leistungsreduktion hervorgerufenen Mindererlöse der Krankenhäuser, sodass die Erlöse 2020 bei den somatischen Krankenhäusern durchschnittlich um etwa 3,7 Prozent und bei psychiatrischen und psychosomatischen Kliniken durchschnittlich um etwa 10,6 Prozent zugenommen haben. Entsprechend dürfte sich die wirtschaftliche Lage der Kliniken 2020 kurzzeitig verbessern und 73 Prozent im grünen sowie neun Prozent im roten Bereich liegen.
  • Die Auslagerung der Pflegepersonalkosten ab dem Jahr 2020 führte schon 2019 zu einem erheblichen Aufbau des Pflegediensts in den Krankenhäusern und gleichzeitig zu einem Abbau des Funktionsdiensts. Außerdem sind Wanderungsbewegungen von der Alten- in die Krankenpflege zu beobachten. Der erwartete starke Sogeffekt des Pflegebudgets zeigt sich demnach schon. Auch der Wettbewerb um die Pflegekräfte auf dem Arbeitsmarkt nimmt zu. Schon vor 2019 war die Fluktuation des Pflegepersonals gestiegen.
  • Im Krankenhausbereich und im vertragsärztlichen Bereich arbeiten immer mehr Ärzte, allerdings sind sie zunehmend in Teilzeit tätig. Im vertragsärztlichen Bereich stieg der Teilzeit-Anteil von acht Prozent im Jahr 2009 auf 38 Prozent im Jahr 2020. Daher ist hier umgerechnet die Zahl der Vollkräfte zwischen 2009 und 2020 konstant geblieben. Überdies arbeiten immer mehr ambulant tätige Ärzte in einem Angestelltenverhältnis. Im Jahr 2008 waren es 6 Prozent, im Jahr 2020 schon 24 Prozent.
  • Große Krankenhäuser haben typischerweise ein besseres Rating als kleine. Dabei erreichen Krankenhäuser mit einer Bettenzahl zwischen 600 und 900 bzw. mit Umsatzerlösen zwischen 140 und 190 Millionen Euro die beste Ertragslage – ausgenommen Fachkliniken. Ein hoher Grad an Spezialisierung beeinflusst das Rating ebenso positiv wie die Zugehörigkeit zu einer Kette. Kliniken in freigemeinnütziger und privater Trägerschaft schneiden im Allgemeinen beim Rating und der Ertragslage deutlich besser ab als öffentlich-rechtliche Kliniken.
  • Regional fällt das Rating am schlechtesten in Baden-Württemberg und Niedersachsen/Bremen aus, signifikant besser in Ost-Deutschland.

Basis-Szenario und „Neustart“

In einem Basisszenario wird der Status quo des Jahres 2019 unter Berücksichtigung der Erkenntnisse während der Covid-19-Pandemie in den Jahren 2020 und 2021 sowie der demografischen Entwicklung und bereits beschlossener Gesetzesänderungen bis 2030 fortgeschrieben. Annahme ist eine Rückkehr zum Vor-Krisen-Niveau im Jahr 2022 und eine Zunahme der Fallzahl in Höhe von vier Prozent gegenüber 2019 bis zum Jahr 2030. In diesem Szenario würde der Anteil der Krankenhäuser im roten Rating-Bereich bis 2030 auf 26 Prozent und der Anteil der Häuser mit einem Jahresverlust auf 34 Prozent wachsen.

In einem Szenario „Neustart“ werde angenommen, dass das Leistungsvolumen nicht mehr das Vorkrisenniveau von 2019 erreichen wird, sondern auf dem Niveau von 2021 stagniert und bis 2030 nur noch marginal ansteigt, sodass die stationäre Fallzahl im Jahr 2030 rund sechs Prozent unter dem Niveau von 2019 liegt. Kombiniert mit einer weiter sinkenden Verweildauer würde die Auslastung der stationären Kapazitäten infolgedessen stark sinken. In diesem Szenario würde sich die wirtschaftliche Lage der Krankenhäuser dramatisch verschlechtern. Nahezu drei Viertel der Häuser schrieben dann bereits ab 2022 Verluste und bis 2030 betrüge das durchschnittliche Jahresergebnis minus zehn Prozent. Bei kontinuierlichen Struktur- und Prozessoptimierungen sowie einer Anpassung der Krankenhauskapazitäten an das neue niedrigere Leistungsniveau könnte sich die Lage bis 2030 dagegen wieder etwa auf dem Niveau von 2019 stabilisieren.

Zielbild der modernen Gesundheitsversorgung

Im Krankenhaus Rating Report wird ein Zielbild einer modernen Gesundheitsversorgung erarbeitet, das als Richtschnur für die 2020er-Jahre dienen kann. In diesem Zielbild wird die Gesundheitsversorgung ganzheitlich gedacht, von präventiven bis zu kurativen Angeboten und von sehr einfachen bis zu hochkomplexen Spezialangeboten:

  • In der elektronischen Patientenakte (ePA) werden alle Gesundheitsdaten des Patienten hinterlegt.
  • Ein „dezentraler Kümmerer“ agiert als individueller Ansprechpartner für Patienten in allen Gesundheitsfragen und als Koordinator von Diensten. Diese Aufgabe eines „Case Managers“ wird von Hausärzten und Pflegeexperten gemeinsam wahrgenommen. Sie organisieren die individuelle Gesundheitsversorgung vor Ort und arbeiten nach dem Vorbild der Gesundheitszentren in Finnland in größeren Zentren zusammen.
  • Die Rolle des Krankenhauses ändert sich: Kleine Krankenhäuser der Grundversorgung können in ein solches Zentrum integriert werden. Auf der Landkreisebene übernimmt ein großes Krankenhaus als Regionalversorger für die Organisation der regionalen Gesundheitsversorgung Verantwortung. Maximalver sorger engagieren sich in der überregionalen Versorgung.
  • Es gibt eine sektorenübergreifende Versorgungsplanung nach bundeseinheitlichen Kriterien und sektorenübergreifende Vergütungselemente .
  • Auf der lokalen Ebene wird große Gestaltungsfreiheit gewährt, um innovative Versorgungsmodelle erproben zu können.
  • Die Bevölkerung in ländlichen Gebieten ist an die Gesundheitsangebote durch flexible und effiziente Mobilitätsangebote angebunden, umgekehrt gelangt das Angebot beispielsweise über mobile Gesundheitsexperten mit telemedizinischer Anbindung an ein Gesundheitszentrum zu den Menschen.

“ Der Anteil der von Insolvenz bedrohten Kliniken wird in den kommenden Jahren voraussichtlich weiter steigen“, sagt RWI-Gesundheitsexperte Boris Augurzky. „Sektorenübergreifende Versorgung und Digitalisierung sind wichtige Bausteine, um die Situation von Kliniken und Patienten zu verbessern“, erklärt Augurzky. „Voraussetzung für alle digitalen Anbindungen ist jedoch eine Standardisierung der Daten und Schnittstellen“, ergänzt Sebastian Krolop, HIMSS, Healthcare Information and Management Systems Society.

Welche Handlungsempfehlungen die Autorinnen und Autoren des Reports Krankenhäusern auf Basis der Daten an die Hand geben, erfahren Sie mit einem Klick hierauf.

Über die Datengrundlage

Datengrundlage des Krankenhaus Rating Report 2021 sind 550 Jahresabschlüsse von Krankenhäusern aus dem Jahr 2018 und 547 aus dem Jahr 2019. Sie umfassen insgesamt 951 Krankenhäuser. Für das Jahr 2020 lagen noch keine Jahresabschlüsse in ausreichender Zahl vor.

Der Krankenhaus Rating Report kann hier bestellt werden.