Digitalisierung und KHZG
Pflegetätigkeiten sind analog und können nicht digitalisiert werden, dennoch können digitale Lösungen Pflegende unterstützen. Wie genau stellten die Referenten im Webinar „Digitalisierung – was ist ihr Nutzen für die Pflege“ beim Kongress Pflege 2021 vor.

Patienten mobilisieren, bei der Körperpflege unterstützen oder einfach in schweren Momenten begleiten – Tätigkeiten in der Pflege sind analog und können nicht digitalisiert werden. Dennoch sollten digitale Lösungen Pflegende unterstützen. Wie genau stellten die Referenten im Webinar „Digitalisierung – was ist ihr Nutzen für die Pflege“ beim Kongress Pflege 2021 vor. Auch im Hinblick auf die neuen Förderungsmöglichkeiten im Rahmen des Krankenhauszukunftsgesetzes (KHZG) .
Das neue Gesetz soll den notwendigen Schub leisten, denn während in Nachbarländern wie Polen das E-Rezept und die digitale Terminvergaben längst Alltag sind, gibt es hier noch zahlreiche Knackpunkte. „Durch das Krankenhauszukunftsgesetz kommt richtig Schwung in die Sache und nun werden die Sünden der Vergangenheit sichtbar“, erklärt Andrea Albrecht, Pflegedirektorin am Lukaskrankenhaus Neuss und Vorstand Landesgruppe Nordrhein-Westfalen des Bundesverbands Pflegemanagement, im Hinblick auf die Pflege. Denn die Medizin ist laut Expertin schon einige Schritte weiter was die Digitalisierung betrifft, z.B. mit dem Arztbrief oder der OP-Dokumentation.
"#Pflege ist analog und lässt sich nicht digitalisieren, daher sollte es '#Digitalisierung zur Unterstützung der Pflege' und nicht 'Digitalisierung der Pflege' heißen." – Ludger Risse vom Bundesverband Pflegemanagement beim #KongressPflege2021 – pic.twitter.com/6W7mppneev
— hcm-magazin (@hcm_magazin) February 4, 2021
Pflege als Kosten- statt Erlösfaktor
Laut Albrecht steht vielen Einrichtungen das weitgehend hierarchische System beim Digitalisieren von Pflegeaufgaben im Weg. In vielen Köpfen herrsche noch die Meinung, dass Pflege kein eigenständiger Beruf sei, sondern „Zuarbeiter der Mediziner“. Auch die aktuelle Erlössystematik mit dem G-DRG-System rechnet die Pflege als Kosten- statt Erlösfaktor ab, kritisiert Ludger Risse, Standortleiter des St. Christophorus Krankenhaus Werne und stellvertretender Vorsitzender Bundesverband Pflegemanagement. Das System sei fast ausschließlich an medizinische Leistungen gekoppelt, was auch die digitalen Investitionen steuert. Ein Fehler, den das KHZG nun ausbügeln könnte, denn es liefert klare Eckpunkte und Deadlines.
Die Vision einer Pflege, die digital unterstützt arbeitet, liefert Dr. Pia Wieteck, zweite Vorsitzende Fachgesellschaft Profession Pflege. Denn es geht nicht nur um den Einsatz von Pflegerobotern, die Patienten behilflich sein können. Das Ziel muss sein, auf Basis der automatisch erfassten Patientendaten, Cybersysteme zu entwickeln, die Entscheidungen beschleunigen und erleichtern können. Ein Beispiel könnte die Trinkmenge sein, die automatisch in der Pflegedokumentation erfasst wird – inklusive Systemalarm sollte die Menge z.B. zu gering ausfallen. Dass dies möglich ist, zeigt u.a. das Start-Up Laqa mit einem smarten Trinkbecher .
SNOMED CT als Systemsprache für Pflege ungeeignet
Die erfassten Daten sollen auch sektorenübergreifend zur Verfügung stehen. Basis hierfür liefert eine einheitliche Terminologie. Die aktuell führende medizinische Nomenklatur SNOMED CT, die auch in die elektronische Patientenakte integriert werden soll, eignet sich aber kaum, um pflegerische Begriffe und Tätigkeiten abzubilden. Laut Wieteck muss das Begriffssystem erweitert werden, um eine aussagekräftige digitale Pflegedokumentation zu gewährleisten.
Die Umsetzung dieser Vorhaben kann nun durch die Förderung des KHZG finanziert werden. Mit Fokus auf die Pflege sind folgende Vorhaben förderfähig:
- Patientenportale (Fördertatbestand 2): Digitales Aufnahmemanagement, digitales Behandlungsmanagement, digitales Entlass- und Überleitungsmanagement
- Digitale Pflege- und Behandlungsdokumentation (Fördertatbestand 3): Digitale Dokumentation, Systeme zur automatisierten und sprachbasierten Dokumentation […]
- Einrichtung von teil- oder vollautomatisierten klinischen Entscheidungsunterstützungssystemen (Fördertatbestand 4): Z.B. durch pflegerische Behandlungspfade oder Auswertung von Anamnese-Items und Unterstützung der Risikobewertung usw.
- Digitales Medikamentenmanagement (Fördertatbestand 5)
Wie das digitale Medikamentenmanagement Pflegende entlasten kann, zeigt das Helios Klinikum Erfurt, dessen Klinikapotheke die sog. Unit-Dose-Versorgung bereits einsetzt, und so automatisch Medikamente für stationäre Patienten vorsortiert und verpackt .
Damit die smarten Lösungen förderfähig im Rahmen des KHZG sind, müssen sie syntaktische und semantische Interoperabilität vorweisen. Das bedeutet laut Wieteck:
- Syntaktische Interoperabilität: Struktur der Schnittstellen bzw. Datenformate (Syntax) ist zwischen beteiligten Systemen bekannt und nutzbar z. B. mittels XML oder H7-Standard
- Semantische Interoperabilität: Bedeutung einzelner Informationen in den beteiligten Systemen wird erkannt und nutzbar gemacht; Rückgriff auf Terminologien, Klassifikationen z. B. in der Pflege auf ENP, NANDA-I, in der Medizin auf ICD-10, OPS …
Fazit
Die Pflege stand bei der Digitalisierung lange hinten an, das rächt sich nun. Einrichtungen sollten daher z.B. die Digitalisierung der Pflegedoku in die IT-Strategie aufnehmen und die aktuelle Systematik hinterfragen, die Pflege nicht monetarisiert, fordert Wieteck. Auch die Sektorengrenzen müssen laut Referenten abgebaut werden. „Die Pflege muss jetzt selbst Einfluss nehmen – aktuell haben wir den juristischen Rückenwind“, sagt Albrecht