Digitalisierung
Wie ist die Digitalisierung im dänischen Gesundheitssystem erfolgreich gelungen? Wie lässt sich der Klinikbetrieb innovativ, digital und patientenfokussiert organisieren? Antworten bekamen Delegierte der Universitätsmedizin Dresden bei einem DDKA-Site-Visit im Super-Hospital in Aarhus.
Weiterlesen: Know-how aus Dänemark
Super-Hospitals wie die Universitätsklinik Aarhus wie auch die dänische Versorgungsstruktur mit ihrem Fokus auf digitale Prozesse werden in Deutschland immer wieder als Modell für die diskutierten Veränderungsbedarfe herangezogen. Beim ehrfürchtigen Blick auf den Digitalisierungs- und Strukturreformerfolg der Nachbarn bleibt häufig unerwähnt, dass die digitale Reise „auch in Dänemark eine lange war“, wie Anne Katrine Greisen, Healthcare Denmark, beim DDKA-Site Visit in Aarhus bestätigte. Die DDKA, gegründet von der Handelsabteilung der dänischen Botschaft in Berlin, hat es sich zur Aufgabe gemacht, Player aus beiden Gesundheitssystemen zusammenzubringen, um den Wissenstransfer zu unterstützen. Anfang Mai 2022 fand die erste Reise ins Super-Hospital Aarhus statt. Eine Delegation der Klinik für Innere Medizin und Kardiologie der Universitätsmedizin Dresden um den Geschäftsführer Jörg Scharfenberg vertrat Deutschland und nahm zahlreiche Learnings mit nach Hause (s. Interview Seite 13).
Was Deutschland und Dänemark in Sachen Digitalisierung bisher maßgeblich unterscheidet: Das Commitment bzw. das Festlegen auf eine „Digital Health Strategie“ – sie fehlt hierzulande bisher. „Unser Gesundheitsministerium hat gezeigt, dass alle hinter den Veränderungsvorhaben stehen“, erklärte Greisen. Der Regierung sei es gemeinsam mit starken Akteuren und wissenschaftlich fundierter und stringenter Kommunikation der Ziele – gesteigerte Patientensicherheit und mehr Versorgungsqualität – gelungen, die Bevölkerung mitzunehmen.
Transformation in Fokus-bereichen
Thomas Engsig-Karup, Digital Innovation, Universitätsklinikum Aarhus, gilt als einer der Top-Digitalisierungsexperten in Aarhus und riet den Entscheidern aus Deutschland, den Fokus auf die in seinem Haus definierten Fokusbereiche für digitale Transformation zu legen. Dazu gehören u.a.:
- Digitalisierungsmanagement,
- Plattformentwicklung,
- Patientenportale und krankheitsspezifische Lösungen,
- Telemedizin und KI,
- Robotic Process Automation (RPA),
- Date Governance,
- Analyse und Monitoring sowie
- Integration von Daten aus neuen Anwendungen in bestehende.
Welche Grundsätze laut den Expertinnen und Experten aus Aarhus dabei gelten und welche weiteren Learnings der Site-Visit für das deutsche Gesundheitswesen bereithielt, lesen Sie unter www.hcm-magazin.de/DDKA
7 Fragen an Jörg Scharfenberg

1 Sie haben das dänische Gesundheitssystem in Aarhus erlebt: Kann es als Muster in Sachen digitaler Gesundheitsversorgung dienen?
Scharfenberg: Wir waren zwei Tage am Universitätsklinikum in Aarhus zu Gast und konnten mit vielen dänischen Kolleginnen und Kollegen ins Gespräch kommen sowie einen ersten Eindruck in die tägliche Arbeit in einem dänischen Krankenhaus erhalten. Aus unserer ganz persönlichen Perspektive ist Dänemark im Bereich der Digitalisierung ein großes Vorzeigeland. Alle Patientenprozesse können digital und transparent geplant und abgebildet werden. Besonders beeindruckt waren wir von der sektorenübergreifenden Verfügbarkeit von Patientendaten. Es besteht jederzeit durch alle Leistungserbringer in der Gesundheitsregion Zugriff auf die komplette medizinische Patientenakte. Diese Infos sind schnell und unkompliziert verfügbar. Das vermeidet Informationsasymmetrien.
2 Könnten Sie sich das Modell der Superkrankenhäuser und Gesundheitsregionen in Deutschland vorstellen?
Scharfenberg: Für die Strukturen in Dänemark ist das Modell des Superkrankenhauses zielgerichtet konzipiert und umgesetzt worden. Es ist mit dem in Deutschland etablierten Maximalversorgungskliniken zu vergleichen. Es ist bemerkenswert, wie progressiv und konsequent die Dänen ihre Versorgungsstrukturen auf den demografischen Wandel und den Versorgungsbedarf angepasst haben.
3 Wie stehen Sie zur nationalen Strategie Dänemarks, die Umstrukturierung flächendeckend voranzutreiben?
Scharfenberg: Die Dänen haben sich der nötigen gesellschaftspolitischen Diskussion gestellt und sehr transparent an der Restrukturierung und Weiterentwicklung mitgewirkt. Ergebnis war die Zentralisierung, Spezialisierung und die konsequente Digitalisierung. Um diese Ziele zu realisieren, war es nötig, erheblich finanzielle Ressourcen zur Verfügung zu stellen. Die nötigen finanziellen Mittel wurden durch den Staat und die Gesundheitsregionen zur Verfügung gestellt.
4 Wie lauten die wichtigsten Learnings, die Sie für Ihre Arbeit mitgenommen haben?
Scharfenberg: Das wichtigste Learning ist, dass es dringend eine umfassende Digitalisierung im Gesundheitswesen braucht, um effektiver und effizienter zu arbeiten. In Zeiten der stärker werdenden Arbeitsverdichtung bei gleichzeitigem Fachkräftemangel ist es wichtig, dass Abläufe und Prozesse so konzipiert werden, dass Medizin und Pflege den Großteil ihrer Arbeit dort verbringen können, wo sie am nötigsten ist – bei unseren Patientinnen und Patienten. Dafür sind die digitale Gestaltung von Prozessen, der effiziente Einsatz von Ressourcen und die digitale Vernetzung aller Leistungserbringer von großer Bedeutung für die hohe Qualität der Versorgung.
5 Welche Bereiche gibt es, in denen Dänemark von Deutschland lernen kann?
Scharfenberg: Deutschland hat eines der besten Gesundheitssysteme der Welt, mit hervorragend ausgebildeten Fachkräften und einer sehr modernen Infrastruktur. Es gibt sicher viele Punkte, wo man wechselseitig voneinander profitieren kann. Wir benötigen noch ein wenig mehr Zeit, um die Prozesse in Dänemark zu analysieren, wo genau ein Austausch uns alle voranbringt. Für die Komplexität des Themas ist ein zweitägiger Besuch letztlich leider zur kurz. Aus diesem Grund haben wir all unsere dänischen Partner nach Dresden eingeladen, um weitere Felder der Zusammenarbeit zu erschließen. Dieser Besuch soll noch in diesem Jahr stattfinden.
6 Können Sie bereits abschätzen, an welchen Stellen Sie die Zusammenarbeit vertiefen werden?
Scharfenberg: Wir sehen da einige Möglichkeiten, gerade was den Grad der Digitalisierung und das Wie der Projektentwicklung und -umsetzung betrifft. Mit einer Firma, die sich mit digitaler Patientenaufklärung beschäftigt, sind wir bereits im konkreten Austausch.
7 Können Sie die Teilnahme an den Programmen der DDKA empfehlen?
Scharfenberg: Auf jeden Fall. Es ist immer wichtig, über den Tellerrand hinauszublicken, um neue Perspektiven zu erschließen. Der internationale Austausch bietet eine tolle Form des Inputs. Wir können viel voneinander lernen und den europäischen Gedanken so auf unserer Ebene leben.
Die Fragen stellte Bianca Flachenecker.
Begleitende Industriepartner
- Careturner: Dekubitusreduzierung/Ressourcenoptimierung
- Gibotech: Logistik in der automatisierten Zentralsterilisation
- LSR Life Science Robots: Arbeitsentlastung in der Reha
- Ramboll: Automatisierung der Krankenhauslogistik
- Systematic: Software fürs klinische Aufgabenmanagement
- UVD Robots: Optimierung von Behandlungsqualität
- UVmedico: Automatisierung der Standdesinfektion
- Visikon: Ergebnisverbesserung durch optimalen Patientenfluss
- PDC: Digitale Personalplanung
- PTR Robots: Robotik für den Patiententransfer
Kontakt zur Autorin:
Bianca Flachenecker, Redakteurin Health&Care Management, bianca.flachenecker@holzmann-medien.de