Strukturveränderungen Krankenhausreform in der aktuellen Diskussion

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Bundesgesundheitsminister Lauterbach will das Krankenhaussystem reformieren – weg von Fallpauschalen, hin zu besserer Patientenversorgung. Welche Erwartungen für die Beratungen am 5. Januar 2023 im Raum stehen und welche kritische Stimmen seitens des Gesundheitsministerkreises jetzt laut werden.

Krankenhausreform
Die Gesundheitsminister beraten am 5. Januar 2023 über die geplante Krankenhausreform. – © Marijan Murat/dpa

Vor den ersten Beratungen der Gesundheitsminister von Bund und Ländern über die Krankenhausreform hat die Deutsche Krankenhausgesellschaft e.V. (DKG) mehr Mittel als derzeit vorgesehen gefordert. Die von einer Expertenkommission erstellten Reformpläne basierten auf einer „falschen Grundprämisse“, sagte DKG-Vorstandsvorsitzender Dr. Gerald Gaß dem Nachrichtenportal t-online. „Die Reform soll nach Vorstellung der Kommission die aktuellen Mittel nur umverteilen.“ Der von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) angekündigte Vorrang der Medizin vor der Ökonomie bleibe bislang ein leeres Versprechen, sagte Gaß.

Der ökonomische Druck, der auf den Krankenhäusern laste, sei gewaltig. 60 Prozent der Krankenhäuser erwarteten für das Jahr 2022 „zum Teil tiefrote Zahlen“. Auch 2023 würden die Kosten der Häuser „doppelt so schnell steigen“ wie die staatlich festgelegten Preise. Er warnte, dass das Kliniksterben „in diesem Jahr voraussichtlich einen neuen Höhepunkt erreichen“ werde.

Krankenhausreform: Drei Level der Krankenhausversorgung geplant

Nach den Vorschlägen der Regierungskommission zur Krankenhausversorgung sollen die Kliniken statt nur über Fallpauschalen künftig nach drei neuen Kriterien honoriert werden:

  • Vorhalteleistungen,
  • Versorgungsstufen und
  • Leistungsgruppen.

Unter anderem sollen für das Vorhalten von Personal, einer Notaufnahme oder notwendiger Medizintechnik feste Beträge fließen.

Anders als heute sollen Krankenhäuser zudem in drei Level eingeordnet und entsprechend gefördert werden. So soll es Kliniken zur Grundversorgung geben –­­­­­­­­­ z.B. für grundlegende chirurgische Eingriffe und Notfälle. Andere Häuser sollen sich um die Regel- und Schwerpunktversorgung kümmern. Unikliniken sollen einer dritten Gruppe zugeordnet werden, den Kliniken für die Maximalversorgung. Geplant ist u.a. auch eine Absenkung der Pauschalbeträge (Fallpauschalen), die Kliniken pro Patient oder Behandlungsfall bekommen. Das soll Anreize senken, möglichst viele Menschen zu behandeln. Im Gegenzug sollen die Kliniken feste Beträge für das Vorhalten von Personal, einer Notaufnahme oder notwendiger Medizintechnik bekommen. Die Reform soll wirtschaftlichen Druck von den Häusern nehmen.

Die Gesundheitsminister wollen am Donnerstag, 5. Januar 2023, über die geplante Reform beraten.

Forderung nach auf Regionen bezogene Versorgungsangebote

Patientenschützer forderten vor den Beratungen mehr Rücksichtnahme auf die Regionen. „Große Krankenhäuser in Ballungszentren setzen sich durch. Kleine Krankenhäuser auf dem Land bleiben auf der Strecke. Viel zu oft haben Bund und Länder diesem Spiel freien Lauf gelassen. Das Ausbluten der medizinischen Versorgung in der Region gilt es durch eine Krankenhausreform zu verhindern“, sagte der Vorstand der Deutschen Stiftung Patientenschutz, Eugen Brysch, der Rheinischen Post (Mittwoch, 4. Januar 2023). Der Fokus müsse endlich auf den Patienten und Patientinnen liegen, die geplanten Vorhaltekosten und Investitionen hätten diesem Ziel zu folgen. „Gerade im ländlichen Raum brauchen die Menschen passgenaue Angebote bei Schlaganfall, Herzinfarkt, Krebstherapie und Altersmedizin. Das wird ohne Zweifel Geld kosten.“

Holetschek warnt vor massiver Fehlsteuerung durch neue Krankenhausreform

Bayerns Gesundheitsminister Klaus Holetschek fürchtet bei der Krankenhausreform um die Kompetenzen der Länder. „Es kann nicht riskiert werden, dass durch zentralistische Planung von heute auf morgen bedarfsgerechte Versorgungsstrukturen zerstört werden“, sagte der CSU-Politiker. Notwendige Versorger in der Fläche müssten erhalten bleiben. Die Änderung des Fallpauschalensystems sei grundsätzlich richtig. Aber das Konzept der Reformkommission riskiere mit detaillierten Vorgaben massive Fehlsteuerungen und gefährde Versorgungsstrukturen vor Ort, sagte Holetschek. Für die Krankenhausplanung seien laut Grundgesetz die Länder zuständig.

Zugleich forderte der bayerische Minister vom Bund, die Kliniken bei den Betriebskosten mit jährlich 15 Milliarden Euro zu unterstützen. Eine zukunftsfähige Krankenhausversorgung werde nicht durch reine Umverteilung gelingen: „Der Krankenhausbereich muss mit zusätzlichem Geld ausgestattet werden.“

Klinikchef Scholz sieht keine Alternativen zu Krankenhausschließungen

Jens Scholz
Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Jens Scholz, Vorstandsvorsitzender, CEO Universitätsklinikum Schleswig-Holstein. – © UKSH

Der Chef des Universitätsklinikums Schleswig-Holstein (UKSH), Jens Scholz, sieht wegen der großen Personalprobleme keine Alternative zu Krankenhausschließungen. Bei der jüngsten Reform der Notfallversorgung seien 600 der insgesamt 1.900 Kliniken ausgeschlossen worden, weil sie nicht über die entsprechende Ausstattung verfügten, sagte er dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (Donnerstag, 5. Januar 2023). Dennoch habe sich die Versorgung der Bevölkerung nicht verschlechtert. „Das könnte ein Indiz für eine angemessene Klinikstruktur sein“, sagte Scholz.

Mit Blick auf das Pflegepersonal sagte Scholz, Deutschland nehme im internationalen Vergleich bei der Zahl der Pflegekräfte pro Einwohner einen Spitzenplatz ein. „Wir haben also genug Pflegekräfte, sie sind nur an falscher Stelle.“ Die von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) eingesetzte Regierungskommission zur Klinikreform sei grundsätzlich richtig, allerdings kritisierte Scholz die geplante Übergangszeit. „Ich fürchte, dass wir keine fünf Jahre mehr haben.“

Quelle: dpa/lno

Nonnemacher fürchtet Klinikabbau und fordert Regelungen zur ambulanten Versorgung

Brandenburgs Gesundheitsministerin Ursula Nonnemacher (Grüne) befürchtet im Zuge der geplanten Krankenhausreform einen Abbau von Kliniken. „Ich befürchte, dass diese Krankenhausfinanzierungsreform eigentlich eine Strukturreform ist, die zur Zentralisierung und zum Abbau von Krankenhäusern in Deutschland führen soll“, sagte Nonnemacher der Deutschen Presse-Agentur (dpa) vor der Bund-Länder-Konferenz zur Reform mit Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach. „Kleine Krankenhäuser im ländlichen Raum sind gefährdet beziehungsweise die Sicherstellung der flächendeckenden Versorgung.“

Für ein Flächenland wie Brandenburg sei es daher zwingend erforderlich, dass es schnellstmöglich Regelungen zur Finanzierung von ambulant-stationären Versorgungsleistungen gebe, sagte die Ministerin. Dazu habe Brandenburg gemeinsam mit Baden-Württemberg bereits Vorschläge unterbreitet. Nonnemacher wies darauf hin, dass Brandenburg seine Krankenhausbereinigung bereits nach der Wende weitgehend vollzogen habe: „1990 gab es in Brandenburg 73 Krankenhäuser, im aktuellen Vierten Krankenhausplan des Landes Brandenburg sind heute insgesamt 54 Krankenhäuser aufgenommen.“

Die Krankenhausplanung müsse Ländersache bleiben, forderte Nonnemacher. „Gerade für ein Flächenland wie Brandenburg ist das sehr wichtig.“