Medizinische Versorgungszentren (MVZ) Klinik-MVZ: Verluste unausweichlich?

MVZ, die einem Krankenhaus angeschlossen sind, befinden sich oft im Kontext einer hochpolitischen Investorendebatte, bei der die Zielsetzung der dort erbrachten Leistungen in Frage gestellt wird. Doch auch in diesem Setting kann Wirtschaftlichkeit mit dem Fokus aufs Patientenwohl gelingen.Gut jedes dritte Krankenhaus in Deutschland ist Träger eines oder mehrerer Medizinischen Versorgungszentren (MVZ) und nimmt so nach § 95 SGB V regelhaft an der ambulanten Versorgung teil. Zulässig ist das seit 2004. Damals wie heute ist diese Regelung jedoch von Protesten begleitet, die sich dagegen richten, dass Krankenhäuser ihr Geschäftsfeld in den ambulanten Sektor erweitern. Der Gesetzgeber sah genau darin jedoch die Chance, „ein wichtiges Bindeglied bei der Verzahnung von ambulanter und stationärer Versorgung“ zu schaffen. MVZ böten darüber hinaus – wie sich noch heute auf der Webseite des Bundesgesundheitsministeriums nachlesen lässt – die Möglichkeit der umfassenden Versorgung aus einer Hand, bei der auch Effizienzreserven erschlossen würden und ein verbesserter Informationsaustausch gewährleistet werde. Viel Vorschusslorbeeren also, mit denen gerade auch Klinik-MVZ in der öffentlichen Debatte konfrontiert sind. Klinik-MVZ in der InvestorendebatteGleichzeitig sehen sich die MVZ in nichtärztlicher Trägerschaft seitens der ambulanten Ärzteschaft dem Vorwurf ausgesetzt, sie würden sich nicht angemessen an der Grundversorgung beteiligen, sondern wirtschaftliche Rosinenpickerei betreiben bzw. als reines Zu- und Einweiserportal agieren, das nur darauf ausgerichtet sei, der angeschlossenen Trägerklinik bessere Profite und/oder eine hohe Auslastung zu verschaffen. Häufig wird dabei unterstellt, dass Patientinnen und Patienten durch Klinik-MVZ gefährdet werden, indem an ihnen zu viel oder zu wenig Leistungen erbracht werden, sich die Behandlung sonst „nicht rechne“ oder dass unnötige, mindestens aber überdurchschnittlich vielen stationäre Behandlungen generiert würden. Das Klinik-MVZ steht damit im Kontext einer hochpolitischen Investorendebatte um die Frage, ob nichtärztliche MVZ-Träger überhaupt weiter zulässig sein sollten, seit Beginn an einer Art Pranger. Verbunden mit der Unterstellung, den Kliniken gehe es anders als den Niedergelassenen eben nicht um das Patientenwohl, sondern prioritär um den Profit. Dem entgegen steht die Beobachtung, dass es nur wenigen Klinik-MVZ überhaupt gelingt, mit dem MVZ Profit zu generieren. Selbst der Helios-Konzern – bekannt dafür, offen über Renditeerwartungen an sein Geschäft zu sprechen und beispielhaft für diese Entwicklung – hat kürzlich in einem Interview mit dem COO Enrico Jensch klargestellt, dass die derzeit mehr als 100 MVZ-Standorte nicht profitabel laufen. Insofern dürfte die Innensicht der Klinikleitung bezüglich des eigenen MVZ oftmals weniger mit Rosinen oder Profitdenken zu tun haben, sondern mehr mit Gefühlen, die an das MVZ als ein Fass ohne Boden denken lassen, in das beständig Geld gesteckt werden müsse. Profitproblematiken oft hausgemachtEs gibt hier offensichtlich eine große Diskrepanz zwischen der externen politischen Debatte um Klinik-MVZ und der Innensicht der Verantwortlichen im Krankenhaus, wenn sie – bisher oft genug vergeblich – versuchen, ihr(e) MVZ möglichst wirtschaftlich zu führen. Paradoxerweise sind dabei auch nach 17 Jahren gelebter MVZ-Praxis viele Probleme der Kliniken hausgemacht. So ist das Modell, bei dem die Krankenhausgeschäftsführung gleichzeitig auch als MVZ-Leitung fungiert, nach wie vor verbreitet. Häufig steht dahinter der Gedanke, dass, wer eine große Klinik leiten könne, dies auch bei einem kleinen MVZ hinbekäme. Dabei wird verkannt, dass ein MVZ als vieles betrachtet werden kann, nur eben nicht als weitere Abteilung des Krankenhauses. Denn die Spielregeln des ambulanten Sektors, dem jedes MVZ zuzuordnen ist, verhalten sich zum stationären Sektor in vielen Aspekten konträr. MVZ haben einen gesonderten StatusSo lange es damit in der Klinikleitung kein Bewusstsein dafür gibt, dass zur Führung eines MVZ eine spezifische Fachkompetenz nötig ist, die in der Lage ist, mit den Besonderheiten des ambulanten Sektors adäquat umzugehen und entsprechende Risiken zu erkennen und zu beachten, wird das MVZ dem Träger nur wenig Freude bereiten. In der Perspektive des Trägers muss ein MVZ folglich, um eigenständig funktionieren zu können, einen gesonderten Status einnehmen, der sich – in den meisten Fällen – aproportional zur direkten wirtschaftlichen Bedeutung des MVZ bzw. zu seiner Größe verhält. Wenn daher die Entscheidung gefallen ist, sich über ein MVZ ambulant zu engagieren, muss klar sein, dass damit die Fahrkarte in die hochkomplexe Welt der Kassenärztlichen Vereinigungen gelöst wurde, die dazu neigen, bei nichtärztlichen Trägern noch einmal genauer auf etwaige Fehler zu sehen, als es ohnehin ihr gesetzlicher Auftrag ist. Hinzu kommt, dass das Klinik-MVZ sich an ein Regelwerk halten muss, das immer noch zu 99 Prozent der Welt der Einzelpraxis entstammt, weshalb viele Vorschriften aus der Krankenhausperspektive dysfunktional wirken – und das oft genug auch tatsächlich sind. Aber: Diese Feststellung erlaubt keine Abweichung von den Vorschriften. Vielmehr ist es die immer noch weit verbreitete Ignoranz, dass sich die Klinik mit dem MVZ quasi auf fremden Terrain bewegt, die teure Fehler produziert oder unproduktive Auseinandersetzungen mit der KV in Gang setzt. Auch ist es keine gute Idee, dem Arztmangel in vielen Regionen dauerhaft dadurch zu begegnen, dass Stationsärztinnen und -ärzte mehr oder weniger mit Zwang zu Teilzeitdiensten im klinikeigenem MVZ verpflichtet werden. Ohne Frage wird zwar die parallele ambulante und stationäre Tätigkeit von vielen als wirkliche Bereicherung ihrer Arbeit empfunden, nur gilt das eben nicht für alle. Und eingefleischte Klinikerinnen und Kliniker ohne Kenntnis des ambulanten Sektors oder dem Interesse, dessen Regeln zu erlernen, tun meist weder dem MVZ noch den Patienten was Gutes. Gründungsfehler und die ferne KV-WeltZusammengefasst lassen sich die typischen Fehler von Klinik-MVZ in zwei Cluster teilen: in Gründungsfehler, die dauerhaft auf den laufenden Betrieb nachwirken, und solche Fehler, die sich aus der Ignoranz bzw. aus dem mangelndem Respekt der Verantwortlichen gegenüber den Besonderheiten der KV-Welt speisen. Zu Ersteren gehörten eine fehlende Strategie und vorschnelle Entscheidungen bei Sitzübernahmen oder Standortplanung sowie die Unterschätzung der Mitarbeitendenproblematik, dass MFA und Ärzteschaft nicht gehalten werden können, und/oder dass das MVZ in direkte Personal- und Lohnkonkurrenz mit der Klinik tritt. Häufig werden bei der MVZ-Gründung Inhalte und Verfahrensdauer von Behördenentscheidungen falsch eingeschätzt, bzw. völlig unrealistische Erwartungen an die Einnahmensituation gestellt. Mitnichten ist davon auszugehen, dass der/die niedergelassene Praxischef/-chefin, die ihren Sitz in das Klinik-MZ einbringt, um in dieser Konstellation angestellt weiter tätig zu sein, nach diesem Wechsel automatisch dieselbe Leistungsperformance erbringt wie zuvor als Selbstständige. Zu den Klassikern des Ignoranzclusters zählt dagegen, dass es keine wirkliche (kompetente) MVZ-Leitung mit Entscheidungsbefugnis gibt bzw. dass das MVZ-Management durch die übergeordnete Klinikleitung nicht ernst genommen wird. Häufig werden auch Prozessroutinen, unterstützende Hard- und Software sowie Controllingerfahrungen aus der Klinik auf das MVZ übertragen, ohne zu hinterfragen, inwieweit im ambulanten Sektor andere Grundvoraussetzungen andere Lösungen verlangen. In der Folge werden oft genug Vorschriften bewusst verletzt bzw. Verstöße fahrlässig hingenommen. All das bewirkt diese kulmulierende Melange aus echter Ahnungslosigkeit und auf Bequemlichkeit gestützten Nicht-wissen-Wollens, dass viele Krankenhaus-MVZ ganz unabhängig von der politischen Debatte über ihre prinzipiellen Unzulänglichkeiten deutlich unter ihren Möglichkeiten hinsichtlich von Wirtschaftlichkeit, aber auch Versorgungsrelevanz, bleiben. Klar stellt sich nicht zuletzt die Frage, ob ein Krankenhaus-MVZ für sich genommen überhaupt Profit machen müsse oder ob es nicht ausreicht, wenn es in der Gesamtbetrachtung des Klinikkonzerns zum positiven Gesamtergebnis beiträgt, da es schlichtweg Teil der stationären Leistungserbringungskultur ist, Patientinnen und Patienten im Ärzteteam zu behandeln und unkompliziert mit allen Fachrichtungen und Fachberufen zusammenzuarbeiten. Allerdings kann und sollte dies niemanden davon abhalten, im Rahmen des Möglichen nach einer ausgeglichenen wirtschaftlichen Bilanz zu streben. Hier schlummert in vielen Klinik-MVZ noch einiges an Potenzial. " Nur wenigen Kliniken gelingt es, auch mit dem MVZ Profit zu generieren." Susanne Müller "Ein MVZ ist nicht als eine weitere Klinikabteilung zu betrachten." Susanne Müller Konträre Lebenswelten: Was anders als bei Kliniken für MVZ gilt Zulassung: Bindung an die Bedarfsplanungsvorgaben und -beschränkungen, fast alle Genehmigungen werden personenbezogen erteilt. Leistungserbringung: Verpflichtung zur personenbezogenen Abrechnung sowie zur höchstpersönlichen und korrekten Leistungserbringung, quartalsweise Betrachtungsweise mit Budgetzuweisung, Einzelleistungsvergütung, bzw. Komplexpauschalen (leistungs- nicht diagnosebezogen). Qualität und Wirtschaftlichkeit: Permanente Qualitätskontrollen und Überprüfung von Qualifikationen, Geräten, Abrechnungsgenehmigungen, Einhaltung der WANZ-Kriterien und verordneten Leistungen, wirtschaftliche Verantwortung für verordnete Leistungen. Anstellung von Ärztinnen und Ärzten: Anstellungsgenehmigung dauerhaft statusbegründend und zeitlich wie örtlich konkret definiert – ist die Stelle sechs Monate unbesetzt, droht Sitzeinzug. Vertretungen sind immer anzeige- und auch teils genehmigungspflichtig, die KV muss jederzeit wissen, welcher Arzt/welche Ärztin wann tätig ist. Vertretungsgründe sind stark beschränkt.

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