Nachhaltigkeit
Das Ziel der Klimaneutralität darf auch angesichts der Auswirkungen des Krieges in der Ukraine auf Politik, Wirtschaft und Gesellschaft nicht aus den Augen verloren werden. Dabei kann das Gesundheitswesen eine entscheidende Rolle spielen. Wie wird auf dem diesjährigen Hauptstadtkongress im Juni Thema sein.

Die (Um)Welt kommt einfach nicht zur Ruhe. Nach zwei Jahren Pandemie jetzt der Krieg im Osten Europas. Die schrecklichen Folgen für die Menschen in der Ukraine lassen vieles was uns gestern noch wichtig vorkam, heute banal erscheinen. Die Auswirkungen des Krieges auf Politik, Wirtschaft und Gesellschaft sind dennoch gravierend; und auch Corona ist noch lange nicht besiegt. Die sich anschließenden Themen wie atomare Bedrohung, militärisches Aufrüsten, Flüchtlingsbewältigung, Energiekrise, Warenknappheit oder befürchtete Hungersnöte in den Ländern der Dritten Welt lassen uns fast vergessen, dass der Klimawandel nach wie vor die größte Bedrohung für unseren Planeten und somit für die gesamte Menschheit ist. Der Krieg in der Ukraine könnte hier sogar zu einem Brandbeschleuniger werden – man denke nur an die derzeitigen Überlegungen bzgl. einer Verlängerung der Energiegewinnung aus fossilen Brennstoffen wie Kohle. Gerade deshalb ist es weiterhin wichtig, Zeichen zu setzen und den einmal eingeschlagenen Weg zur Klimaneutralität nicht aus dem Auge zu verlieren. Ein weiterer Aufschub würde uns alle weit mehr kosten als die Folgen von Corona und Krieg; die derzeitigen Preissteigerungen wären im Vergleich dazu fast unbedeutend.
Krieg wirft den Klimaschutz zurück
Bereits im Jahr 2010 wurde von der Fundación Dara Internacional der “Climate Vulnerability Monitor” veröffentlicht. In diesem Bericht wurde prognostiziert, dass im Jahr 2030 weltweit 840.000 Menschen an den Folgen des Klimawandels sterben werden. Nur zum Vergleich – in 2010 waren es bereits 350.000 Menschen. Im gleichen Jahr beliefen sich die Kosten des Klimawandels bereits auf 570 Milliarden USD – Tendenz stark steigend. Der jüngst veröffentlichte Bericht des UN-Weltklimarates, dem IPCC (Intergovernmental Panel on Climate Change), unterstreicht die Prognosen von damals und zeigt verschiedene mögliche Entwicklungen für Treibhausgasemissionen auf, die den Klimawandel entweder begrenzen oder ihn außer Kontrolle geraten lassen könnten. In dem Bericht wird darauf hingewiesen, dass es für viele Länder schwierig sein wird, Sofortmaßnahmen zu ergreifen und die Emissionen drastisch zu senken – die derzeitige Weltlage könnte diese Vorhersage noch verschärfen. Der Krieg Russlands gegen die Ukraine wirft die Klimaschutzbemühungen zurück. Professor Hans-Otto Pörtner, Ko-Vorsitzender der Arbeitsgruppe II des IPCC, sagt dazu: „Dieser Konflikt fühlt sich an wie aus der Zeit gefallen, wenn man sich überlegt, welche existenziellen Nöte die Menschheit eigentlich hat im Kontext der Auswirkungen des Klimawandels und des Biodiversitätsverlustes.“ Vieles deutet also darauf hin, dass nur wenig über das hinausgetan werden wird, was heute geplant ist. Die Emissionen würden weiter steigen; die Folgen für die Erde wären katastrophal.
Gesundheitseinrichtungen und Klima sind nicht voneinander zu trennen
Das Gesundheitswesen ist mit einem Anteil von mehr als fünf Prozent einer der größten Verursacher von CO2 weltweit. Gerade deshalb ist nachhaltiges Wirtschaften im Gesundheitswesen so wichtig und von zentraler Bedeutung, um die globalen Klimaziele zu erreichen. Gesundheitseinrichtungen und Klima sind nicht voneinander zu trennen. Deshalb müssen Versorger und Kostenträger zusammen mit Dienstleistern und Industrie nach Lösungen suchen. Europa hat sich vorgenommen, der erste klimaneutrale Kontinent zu werden. Im Rahmen von „Fit-for-55“ sollen die Treibhausgasemissionen in der EU bis 2030 zunächst um 55 Prozent gesenkt werden. Die deutsche Nachhaltigkeitsstrategie aus dem Jahr 2021 sieht die Treibhausgasneutralität in Deutschland bis zum Jahr 2045 vor. Nur wenn auch das Gesundheitswesen hier seinen Beitrag leistet, können diese Ziele erreicht werden.
Ökologie ist die Ökonomie des 21. Jahrhunderts
Der Begriff der Nachhaltigkeit wurde in der Vergangenheit leider oftmals missbraucht und v.a. im Marketing als Schlagwort genutzt. In der Betriebswirtschaft hat sich die Definition von Nachhaltigkeit weg vom drei Säulen Modell hin zu den so genannten „nested circles“ weiterentwickelt. Dabei werden die reellen Abhängigkeiten betrachtet – keine Wirtschaft ohne Gesellschaft und keine Gesellschaft ohne Ökologie. Somit ist die Ökologie heute die alles beherrschende Dimension und damit einhergehend der Schutz von Umwelt, Natur und Biodiversität. Die Ökologie wird somit zur Ökonomie des 21. Jahrhunderts.
Es braucht klimaneutrales Verhalten
Zurzeit wird im Gesundheitswesen viel über das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz diskutiert, das in erster Linie die unternehmerische Sorgfaltspflicht zur Vermeidung von Menschenrechtsverletzungen in Lieferketten regelt und somit den sozialen Nachhaltigkeitsaspekt berücksichtigt. Hier kommt es zukünftig bei Verstößen zu ersten Strafen. Diesem Gesetz werden in den nächsten Jahren noch weitere folgen, die dann allerdings auf die ökologischen Aspekte der Nachhaltigkeit abzielen werden. Gesundheitseinrichtungen sind deshalb gut beraten, sich möglichst früh mit dem Thema auseinanderzusetzen. Dabei müssen die Überlegungen weit über das Energiemanagement hinausgehen. Im Rahmen des Greenhouse Gas Protocol fällt das Energiemanagement unter Scope 2. Weit wichtiger sind jedoch Scope 1 und Scope 3, die die von den Gesundheitseinrichtungen selbst ausgehenden Emissionen und die durch Versorgungsketten (Produktion, Transport, Nutzung und Entsorgung von Gütern sowie Dienstleistungen) hervorgerufenen Emissionen umfassen. Wesentliche Bestandteile einer Nachhaltigkeitsstrategie für jede Gesundheitseinrichtung müssen neben der eigenen CO2-Bilanz und der Erstellung eines Nachhaltigkeitsberichts daher auch niederschwellige Angebote für die Belegschaft zu klimaneutralem Verhalten wie auch Pläne für weitreichende Prozessoptimierungen in sämtlichen Bereichen, v.a. bei den Sekundärprozessen, sein. Dem strategischen Einkauf kommt hier eine wichtige Rolle zu. Die führenden Einkaufsgemeinschaften auf dem deutschen Gesundheitsmarkt haben dies mittlerweile erkannt – allen voran die P.E.G. eG mit Sitz in München, die seit fast zwei Jahren Krankenhäuser, Rehakliniken und Sozial- & Pflegeeinrichtungen bei dem Thema Nachhaltigkeit berät und unterstützt.
Klima lässt Kliniken nicht kalt: Konzepte zur ökologischen und ökonomischen Nachhaltigkeit
Donnerstag, 23. Juni 2022, 14.30 bis 16.00 Uhr, Alpha 3, Krankenhaus Klinik Rehabilitation
Stefan Krojer, ZUKE, moderiert diese Session mit Kurzpräsentationen und Diskussion u.a. mit
- PD Dr. Christian Schulz, KLUG – Deutsche Allianz Klimawandel und Gesundheit e.V.
- Marcus Bracklo, Vanguard AG,
- Aline Mittag, Philips GmbH,
- Frank Dzukowski, UKE Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf KöR,
- Moritz Schäpsmeier, Sitex – Textile Dienstleistungen,
- Dr. Jörg Noetzel, Mühlenkreiskliniken AöR,
- Jens Leveringhaus, P.E.G. eG.
Im Fokus stehen unterschiedliche Konzepte zur ökologischen und ökonomischen Nachhaltigkeit. Eine gute Gelegenheit, mehr über die Hintergründe, die Bedeutung und über mögliche Ansätze für nachhaltiges Wirtschaften im Gesundheitswesen zu erfahren.
Kontakt zum Autor
Jens Leveringhaus, Vorstandsvorsitzender der P.E.G. eG in München, jens.leveringhaus@peg-einfachbesser.de