Start-up des Monats: BOCAhealthcare KI prüft auf Herz und Nieren

Bei der Kombination aus Herz- und Nierenversagen spielt u.a. der Flüssigkeitshaushalt im Körper verrückt. Ein neues smartes Messgerät wertet per App die ermittelten Daten aus und warnt vor zu großen Flüssigkeitsschwankungen. Der Prototyp stößt bei Krankenhäusern und Nephrologiepraxen bereits auf großes Interesse.Vor zehn Jahren wurde Alessandro Faraglis Vater in ein Mailänder Krankenhaus eingeliefert, sein Herz funktionierte nicht, wie es sollte. Außerdem machten ihm seine Nieren zu schaffen. Eine Kombination, die – so Studien zufolge – in 70 Prozent der Fälle vorliegt. Schnell war klar, dass der Patient viel zu viel Wasser im Körper hatte. Zwar kam Faragli senior wieder auf die Beine, aber dem Junior ließen beide Probleme keine Ruhe, weder als Sohn noch als Medizinstudent. In beiden Fällen – Herz- und Nierenversagen – spielt der Flüssigkeitshaushalt des Körpers zwar eine entscheidende, aber allgemein vernachlässigte Rolle. Mangel wie Überschuss an Wasser schaden einem erkrankten Körper enorm. 30 Prozent jener Herz-Patienten, denen im Krankenhaus ein Problem mit dem Flüssigkeitshaushalt attestiert wird, versterben innerhalb eines Jahres. Jeder dritte Europäer oder US-Amerikaner wird im Laufe seines Lebens mindestens einmal mit akutem Herzversagen konfrontiert werden. Der Status quo an vermeidbaren Erkrankungen in diesem Zusammenhang verursacht in den Industrienationen Krankenhauskosten von etwa einer Milliarde US-Dollar jährlich. Wie ließe sich also die Lebensqualität von in der Regel älteren Menschen verbessern, deren Herz oder Nieren infolge ihres Flüssigkeitshaushalts beeinträchtigt sind? Faragli hatte da eine Idee. Künstliche Intelligenz analysiert den FlüssigkeitshaushaltAcht Jahre später machte er – inzwischen Kardiologe an der Berliner Charité – ernst. Er gründete eine Firma, die inzwischen BOCAhealthcare GmbH heißt und in Berlin sitzt. Faraglis Ziel war es, ein leicht zu transportierendes System zu entwickeln, das den Flüssigkeitshaushalt im Körper messen und diesbezügliche akute oder chronische Leiden hervorsagen bzw. verhindern soll. Und er wollte den Apparat smart machen. Ähnlich wie bei der Dialyse misst das nur handtellergroße Endgerät den elektrischen Widerstand im Körper, der eben von Körperflüssigkeiten abhängt. Allerdings analysiert die künstliche Intelligenz der Smartphone-App dank maschinellen Lernens anschließend die ermittelten Daten. Verrät das Verhalten des Patienten große Schwankungen, warnt es. Im Jahr 2017 entstand in Mailand ein erster Prototyp; ein Patent für Italien wurde angemeldet, das bald auf Europa ausgeweitet werden soll. Ein interdisziplinäres TeamDer inzwischen 29-jährige Faragli ging 2017 nach Berlin und fand hier eine gründerfreundliche Umgebung vor, ein Ökosystem, in dem sein Produkt und die Firma – ein Akronym aus „body composition analyzer and assistant” – reifen konnte. Ein Produkt ist aber immer nur so gut wie das Team dahinter. Zum BOCA-Team stießen noch sein Basketball-Buddy Marco Mezzadra, der jahrelang als Wirtschaftsprüfer bei Deloitte gearbeitet hatte, der Nephrologe Edoardo La Porta, der Software-Entwickler Lorenzo Estienne, der die App für Android und iOS entwickelte, und der Elektroingenieur Davide Bianchi. Zusätzlich flankiert ein starker Beirat aus italienischen und deutschen Medizinern und Managern die starke interdisziplinäre „Starting-Five“, wie man die Start-Aufstellung im Basketball nennt. Darüber hinaus erhält die Firma von Spark Berlin, der Italienischen Gesellschaft für Nephrologie, dem Startup Bootcamp Digital Health Berlin und dem B. Braun Accelerator Unterstützung. Wo die Reise hingehen sollZiel ist es, nicht nur Nephrologien mit der Lösung von BOCAhealthcare auszustatten, sondern alle Krankenhausabteilungen, deren Patienten mit ihrem Flüssigkeitshaushalt zu kämpfen haben. Während konventionelle Dialyseapparate um die 15.000 Euro kosten, aber über keine Risikomechanismen verfügen, sollen die kleinen Geräte von BOCAhealthcare rund 2.000 Euro kosten, wobei noch eine Servicegebühr für die Software hinzukommen wird. Wenn das System funktioniert, profitieren Patienten, weil es ihre Lebensqualität erhöht. Ärzte hingegen sparen Zeit bei der Diagnose und das Gesundheitssystem insgesamt wird effizienter. Das Feedback bis jetzt sei, so Faragli, vielversprechend. Von den 30 angefragten Dialysezentren in Italien und Deutschland möchten alle BOCAhealthcare einsetzen, 60 Prozent von ihnen würden die Lösung gar den Patienten nach Hause mitgeben. In diesem Jahr steht noch eine Validierungsstudie an. Im Jahr 2020 wird das System für die geplante CE-Zertifizierung auf Herz und Nieren geprüft, im zweiten Halbjahr soll die Markteinführung erfolgen. Bis es so weit ist, sucht die junge Firma nach weiterer Finanzierung, wahrscheinlich wird Crowdfunding eine Komponente sein.

Start-up des Monats: BOCAhealthcare KI prüft auf Herz und Nieren

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