Social Media für Kliniken, Reha und Pflege (Teil 8) Instant-Messaging ist da!

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Patientenkommunikation und Social Media

WhatsApp: Kennt fast jeder und nutzt fast jeder. Ideal also für eine schnelle Kommunikation zwischen Behandler und Patient – wenn da nicht die zahlreichen Bedenken und Berührungsängste wären. Sie halten Akteure im Gesundheitswesen meist vom Einsatz von Messengerdiensten ab; nicht so das Rehazentrum Bad Bocklet.

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    © Rehazenturm Bad Bocklet
    Benedikt Siebert (IT, r.), Nicole Storath (Belegung) und Matthias Lutsch (Verwaltungsleitung, l.) haben die WhatsApp-Nutzung initiiert.
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Beginnen wir mit ein paar Zahlen aus der Cello-Health-Insight-Studie „The Digital Health Debate“ vom November 2015. Dafür wurden 1.040 Ärzte aus den USA, Großbritannien, Frankreich, Deutschland, Italien und Spanien sowie China und Brasilien u.a. zu ihrer Nutzung von digitalen Technologien für die Kommunikation mit den Kollegen, den Patienten, zur Medikamentenvergabe und deren Einfluss auf Behandlungsentscheidungen befragt. Das Ergebnis:

  • 87 Prozent der Ärzte in Brasilien nutzen WhatsApp.
  • In Italien sind es 61 Prozent und
  • in China 50 Prozent.
  • Nur zwei Prozent der Ärzte in Großbritannien und
  • vier Prozent in den USA verwenden WhatsApp für die Patientenkommunikation.

Von Deutschland wird in der Studienzusammenfassung zu dieser Thematik nicht gesprochen. Insgesamt betrachtet rangiert WhatsApp im Mittelfeld der bevorzugt verwendeten Social-Media-Kommunikationstools:

  • 31 Prozent der Befragten tauschen sich über WhatsApp mit Kollegen aus,
  • 15 Prozent kommunizieren mit dem Patienten darüber.

Deutlich beliebter ist das Telefon mit 89 Prozent für die Kollegenkommunikation und 84 Prozent für die Patientenkommunikation. Für Deutschland kann man von einer ähnlichen Tendenz in Richtung Telefonpräferenz ausgehen. Das führt automatisch dazu, dass das Telefon, wenn dauernd belegt, weil andauernd genutzt, für den Patienten oft ein gehasster Kontaktweg zum Behandler ist. Die Alternative bisher: die E-Mail. Aber nun fängt man auch hierzulande an, sich bei der Patientenkommunikation neu zu orientieren.

Der Pionier ist das Rehabilitations- und Präventionszentrum Bad Bocklet. Lange Warteschleifen beim Anruf in der Patientenverwaltung und der Rezeption waren ganz normal. Das führte zu Unzufriedenheit auf Patientenseite und Überlastung und Stress auf Mitarbeiterseite. Die Lösung: WhatsApp.

Rehazentrum auf
Pionierspfaden

Das hippe Messaging-Tool wird gerade von Unternehmen entdeckt – doch ob es sich durchsetzt oder es mit dem Ankommen im Gesundheitswesen genauso lange dauert wie mit Facebook und Twitter wird sich zeigen. Frank Stratmann, Pressesprecher und Mitglied im Vorstand beim Bundesverband Internetmedizin, schreibt auf seiner Facebook-Seite in einem Kommentar zum letzten Teil der HCM-Serie (Ausgabe 5/2016, Seite 41) zur Social-Media-Nutzung von Krankenhäusern: „Wo (…) bleibt der Nachwuchs? Wer rückt nach?“ Wir antworten Herrn Stratmann: Die Rehaklinik Bad Bocklet rückt nach. Mit Strategie und Mut macht sich die Einrichtung als erstes Rehazentrum in Deutschland das Kommunikationstool schlechthin zu Nutze und erhöht damit nicht nur die Patientenzufriedenheit, sondern nimmt seinen Mitarbeitern damit ein Stück weit die Arbeitsbelastung.

+49 9708 79 7000 trotz Skepsis

Seit März 2016 können die Patienten über WhatsApp mit ihrem Rehahaus kommunizieren. Vier bis fünf Patienten nutzen das Tool bisher pro Woche, insgesamt wurden 500 Nachrichten ausgetauscht. Benedikt Siebert, Mitarbeiter in der IT-Abteilung, ist einer der Initiatoren des WhatsApp-Einsatzes und erinnert sich an die Anfänge: „Wir haben beobachtet, dass viele unserer Patienten WhatsApp während des Klinikaufenthalts nutzen, um mit ihren Angehörigen zu kommunizieren. Das hat uns motiviert, unserer Geschäftsleitung ein Nutzungskonzept für unser Haus vorzustellen.“ Zunächst machte sich Skeptik breit – die Angst vor Datenschutzrisiken machte sich bemerkbar. Aber die WhatsApp-Strategie hat die Geschäftsführung überzeugt – nicht zuletzt nach einem internen Anwendungscheck. Es wurde ein Smartphone angeschafft, WhatsApp heruntergeladen und die Nummer +49 9708 79 7000 nach außen kommuniziert. Betreut werden die eingehenden Nachrichten von den Mitarbeitern der Patientenverwaltung und der Rezeption während deren Arbeitszeiten. Geantwortet wird innerhalb von 24 Stunden. Das entzerre den Arbeitsalltag für die Mitarbeiter und helfe dabei, Peaks besser abzufangen. Meistens geht es um allgemeine Anfragen zu Leistungen des Hauses; wird es persönlicher, rufen die Zentrummitarbeiter zurück. Somit sei der Datenschutz gewährleistet.

Bei den Patienten kommt WhatsApp sehr gut an – sogar bei den älteren. „Unsere älteste Patientin, die über WhatsApp mit uns kommuniziert, ist 75 Jahre alt“, sagt Siebert.

Rechtlich hat sich die Einrichtung bei WhatsApp abgesichert. „Per AGBs ist die kommerzielle Nutzung nicht erlaubt, v.a. darf kein automatisiertes System dahinterstecken. Das ist bei uns so nicht der Fall, damit ist der Einsatzzweck erlaubt, wenn der Kunde zustimmt, indem er das Tool freiwillig einsetzt“, erklärt Siebert.

Er denkt darüber nach, WhatsApp für die hausinterne Nutzung weiter auszubauen. „Wir könnten es z.B. gut für die Terminvergabe einsetzen“, meint Siebert. Doch hierfür bedarf es noch weiterer Regelungen für den Datenschutz zusätzlich zur neuen End-to-End-Verschlüsselung und weiterer Praxistests.

„Gerade für junge, moderne Einrichtungen ist WhatsApp eine praktische Möglichkeit, mit den Patienten zu kommunizieren“, sagt Siebert. Es stelle zwar nach ersten Erfahrungen die bisherigen Kommunikationswege nicht in Frage, der Nutzen auf Einrichtungs- und Patientenseite sollte aber in jedem Fall über die Einführung nachdenken lassen. Dass sich deutsche Gesundheitseinrichtungen von solchem Pioniergeist nur schwer anstecken lassen, zeigt die bisher behäbige Entwicklung von Social Media mit Facebook und Twitter. Nicht zu Unrecht moniert Stratmann in seinem Post: „(…) Krankenhäuser leben auch 2016 noch keinen echten digitalen Dialog, sondern kreisen reaktiv um Anlässe für #Krisenkommunikation.“

Bianca Flachenecker