16. Gesundheitskongress des Westens Impulse für ein nachhaltiges Gesundheitssystem setzen

Der Gesundheitskongress des Westens ging der Frage nach, welche Strukturen es für eine zukünftig hohe Versorgungsqualität braucht und wie Nachhaltigkeit in alle Ebenen des Gesundheitssystems kommt.

Gesundheitskongress des Westens
Der GdW beschäftigte sich 2022 mit dem Thema „nachhaltige Strukturen“. – © WISO/Schmidt-Dominé

„Wer, wenn nicht wir, kann und muss einen Beitrag zur Lösung der bestehenden Probleme im Gesundheitswesen leisten“, stimmte Kongresspräsident Prof. Dr. Dr. h.c. Karl Max Einhäupl die Teilnehmenden bei der Eröffnungsveranstaltung auf zwei Tage Gesundheitskongress des Westens (GdW) ein. Der GdW fand 2022 unter dem Motto „Lasst uns nachhaltige Strukturen schaffen“ statt. Mehr als 500 Teilnehmende verfolgten das Kongressprogramm, das die Transformation bestehender Strukturen in den Fokus rückte, um eine hochwertige Gesundheitsversorgung für die nachfolgenden Generationen – auch mit Blick auf Ressourcenschonung und Green Health – zu gewährleisten. Dafür müssten die jungen Menschen mehr Gestaltungsraum bekommen, forderte Kongressleiterin Claudia Küng. „Wir schaffen Nachhaltigkeit auf allen Ebenen, wenn die jungen Menschen so engagiert bleiben“, sagte Küng und wies darauf hin, dass nur zehn Jahre zur Verfügung ständen, bis die Babyboomer in Rente gingen.

Bundesgesundheitsminister Prof. Dr. Karl Lauterbach (SPD), der seinen Auftritt auf dem GdW wegen einer kurzfristig anberaumten Kabinettsklausur absagen musste, machte in einem schriftlichen Grußwort deutlich: „Nachhaltig zu sein oder zu werden – das ist ein gebotener Anspruch, auch in der Gesundheitsversorgung.“ Das sah auch Prof. Dr. Claudia Traidl-Hoffmann, Professorin für Umweltmedizin an der Technischen Universität München, so: „Der Gesundheitssektor hat die Aufgabe, die Transformation der Gesellschaft nach vorn zu bringen. Gerade wir müssen mit der Nachricht rausgehen, dass der Klimawandel krank macht. Und wir müssen dafür sorgen, dass der Gesundheitssektor selbst nachhaltig wird. Der Klimawandel muss das Thema Nummer eins sein.“ Nachhaltigkeit solle aber auch die Versorgungspolitik sein, sagte Dr. Frank Bergmann, Vorstandsvorsitzender der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein.

Fachkräftemangel in der Pflege nachhaltig verfolgen

Der nordrhein-westfälische Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) hat davor gewarnt, den akuten Fachkräftemangel in der Pflege nicht nachhaltig genug zu verfolgen. „Die Frage des Personals wird in den kommenden Jahren die spannendere Frage sein als die Frage nach der Finanzierung“, sagte der Minister in seiner Eröffnungsrede beim GdW. Man werde an „einer anderen Organisation der Pflege“ nicht vorbeikommen. Zur Weiterentwicklung des Gesundheitssystems müsse man sich fragen, wo die Menschen für dieses System herkommen. „Die Situation in der Pflege wird uns um die Ohren fliegen, wenn wir nichts ändern“, betonte Laumann.

Die große Frage vieler Pflegekräfte, wie sie die Menschen so gut versorgen könnten, wie sie es gelernt haben, sei nicht gelöst. „Das ist die Frage, die die Pflegeberufe in den nächsten Jahren vorrangig beschäftigen wird.“ Der Minister betonte zudem die Wichtigkeit einer Ausbildungsvergütung für alle nichtakademischen Gesundheitsberufe sowie die Förderung der Arbeitskräftezuwanderung, z.B. durch das NRW-Begrüßungsgeld für Pflegekräfte.  Zudem schlägt Laumann vor, ein Pflegegeld für pflegende Angehörige als Lohnersatzleistung analog zum Elterngeld einzuführen.

Die Frage des Personals wird in den kommenden Jahren die spannendere Frage sein als die Frage nach der Finanzierung.“

Karl-Josef Laumann

Im Umbruch zum nachhaltigen Gesundheitssystem

Welche Grundlegenden Reformen es braucht, um zu einem nachhaltigen Gesundheitssystem zu kommen, diskutierten Dr. Gertrud Demmler, Vorständin SBK Siemens-Betriebskrankenkasse, Dr. Dirk Wössner, Vizepräsident Bitkom e.V., Rudolf Henke, Präsident Ärztekammer Nordrhein, und Prof. Dr. Edgar Schömig, Vorstandsvorsitzender und Ärztlicher Direktor Uniklinik Köln, unter der Moderation von Prof. Dr. Wolfgang Greiner, Lehrstuhl für Gesundheitsökonomie und -management, Universität Bielefeld und wissenschaftlicher Leiter des GdW.

Demmler erklärte, das große Problem des Gesundheitssystems sei, das Denken in stark sektoralen Ebenen. Dadurch würden auch Ressourcen, insbesondere personeller Art, verschwendet werden. „So kommen wir seit 20 Jahren nicht in die Umsetzung.“ Sie wünsche sich einen Transformationsprozess hin zu einer Qualitäts- und Patientenzentrierung, bei dem Digitalisierung, Demografie und Nachhaltigkeit berücksichtigt werden. Henke ergänzte, dass eine Verhaltensänderung bei allen Akteurinnen und Akteuren nötig sei – ohne diese sei eine Änderung hin zu einem nachhaltigen Gesundheitssystem nicht möglich. „Wir sind an einem Zeitenwandel angestoßen, ausgelöst durch Krisen“, sagte Schömig. „Von Seiten der Universitätskliniken in Nordrhein-Westfalen stellen wir fest, dass wir die Resilienz der Leistungserbringer erhöhen und die nicht-ärztlichen Berufe zufrieden stellen müssen.“ Ein großer Trend bei den Unikliniken sei die Ambulantisierung, dafür brauche es Netzwerke. Das Gesundheitswesen würde sich insbesondere durch Innovation und wissenschaftlichen Fortschritt entwickeln. Nur so könne eine zeitgemäße Versorgung sichergestellt werden.

Save the Date: Der nächste Gesundheitskongress des Westens findet am 3. und 4. Mai 2023 in Köln statt.

Digitalisierung als Potenzial für Nachhaltigkeit nutzen

Moderatorin Sarah Peuling, Senior Business Manager der CompuGroup Medical, eröffnete die Session „Chancen und Potenziale für mehr Nachhaltigkeit“ an Tag zwei des GdW. Wie mit auswertbaren Daten die Versorgung gesteuert werden kann: „Das Thema Digitalisierung ist in fast jeder Session des Kongresses allgegenwärtig, sie ist in allen Bereichen der Gesundheitswirtschaft angekommen“, sagte Peuling.

Im anschließenden Impulsvortrag betonte Prof. Dr. Andreas Pinkwart, NRW-Minister für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie: „Ein großes Themenfeld ist für uns die digitale Gesundheit. Die Digitalisierung verändert alle Lebensbereiche und zählt zu einer unserer größten Gestaltungsaufgaben.“ Sie diene jedoch nicht dem „Selbstzweck“, sondern solle das Leben der Menschen einfacher machen, sagte der Minister. Er verwies auf die Digitalstrategie des Landes NRW, die 2019 erstmals verfasst wurde und inzwischen in einer 2.0-Version vorliegt. Zugleich mahnte Pinkwart angesichts der Corona-Krise, ein nachhaltigeres Gesundheitssystem zu schaffen, indem auf Herausforderungen wie der demografische Wandel und das Risiko neuer Infektionskrankheiten „noch besser“ vorbereitet würden. Die Digitalisierung könne dazu beitragen, sich zu wappnen. Dazu seien weitere Investitionen nötig, so der Minister: „Wir dürfen nicht an der Digitalisierung sparen.“

Krankenhausplanung Nordrhein-Westfalen

In der Session „Krankenhausplanung in NRW: Wäre das ‚Krankenhaus-Schließungs-Gesetz‘ ein Zukunftskonzept?“ lieferten Helmut Watzlawik, Abteilungsleiter Krankenhausversorgung im Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes NRW, und Entwickler des neuen Krankenhausplans in NRW, sowie Prof. Dr. Reinhard Busse, FG Management im Gesundheitswesen an der Technischen Universität Berlin, Impulsvorträge. Watzlawik betonte: „Auf die Frage, ob ein Krankenhaus-Schließungs-Gesetz ein Zukunftskonzept wäre, sage ich ganz klar Nein. Es geht in diesem Plan nicht um Schließungen, es geht um Verbindlichkeit, Transparenz und Qualität, insofern handelt es sich um einen qualitätsorientierten Krankenhausplan, mit dem wir in Zukunft mehr Verantwortung für die Krankenhauslandschaft in NRW übernehmen wollen.“ Busse machte deutlich: „Es ist sicher der falsche Ansatz, wenn man sagt, dass es in diesem Gesetz primär um Krankenhausschließungen geht, es geht mit dem Plan darum, die Krankenhauslandschaft zu verbessern. Die Krankenhausstruktur sei geprägt von vielen, und v.a. vielen kleinen Krankenhäusern, so dass es im Vergleich zu den Nachbarländern 50 Prozent mehr Betten und auch Fallzahlen gebe.

Lesetipp: In der kommenden HCM-Ausgabe 4/2022 lesen Sie auf den Seiten 12 ff. mehr zur Krankenhausplanung in Nordrhein-Westfalen.