Klimaschutz „Hoher Ressourcenverbrauch – großes Einsparpotenzial“

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Kliniken und Pflegeeinrichtungen können grüner und effizienter werden. Aus Umweltsicht helfen v.a. Anpassungen in den Bereichen Gebäudeinfrastruktur, Verpflegung und Energie, sagt Matthias Stucki, Leiter der Forschungsgruppe Ökobilanzierung an der ZHAW.

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    Matthias Stucki ist diplomierter Umweltnaturwissenschaftler ETH mit Fokus auf Mensch-Umwelt-Systeme. Er ist Dozent und Leiter der Forschungsgruppe Ökobilanzierung am Institut für Umwelt und Natürliche Ressourcen der ZHAW. E-Mail: matthias.stucki@zhaw.ch
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    Was verbraucht ein typisches Krankenhaus mit 1.000 Vollzeitstellen pro Jahr?

Herr Stucki, wie hoch liegt der ökologische Fußabdruck von Patienten und Bewohnern?

Stucki: Insgesamt geht der Sektor „Pflege und Gesundheit“ mit einem sehr hohen Ressourcen­verbrauch einher. Er ist nach Ernährung, Wohnen und Mobilität der Konsumbereich mit den viertgrößten Umweltauswirkungen, was den ökologischen Fußabdruck von Patienten beeinflusst. Aber unsere Forschung konzentriert sich nicht darauf, verschiedene Personengruppen zu vergleichen, sondern die ökologisch relevanten Bereiche innerhalb des Gesundheitssektors zu bestimmen und Optimierungspotenzial zu ermitteln.

In welchen Bereichen ist der ökologische Ressourcenverbrauch besonders hoch?

Stucki: Wir haben zu dieser Frage detaillierte Daten von 33 Krankenhäusern in der Schweiz erhoben. Die Ergebnisse zeigen uns wichtige Stellschrauben, die mit einem hohen Ressourcenverbrauch einhergehen. Besonders relevant sind die folgenden vier Bereiche: 1. Verpflegung – hier v.a. der Fleisch- und Kaffeeverbrauch sowie der Foodwaste 2. Gebäudeinfrastruktur, 3. Energie mit Wärme und Strom sowie 4. Medizin- und Haushaltsprodukte.

Wo sehen Sie besonderes Einsparpotenzial?

Stucki: Ich sehe in allen Bereichen Einsparpotenziale. Mit einer guten Gebäudeinfrastruktur können beispielsweise in vielen Häusern Energieverluste minimiert werden, sodass die Energie möglichst effizient genutzt werden kann. Das sollte v.a. bei Neu- und Umbauten von Gebäuden berücksichtigt werden. In einem bestehenden Gebäude sind bei diesem Punkt hingegen meist weniger Verbesserungspotenziale erschließbar.

Wo kann man im laufenden Betrieb ansetzen?

Stucki: Beim Betrieb gibt es ein großes ökologisches Potenzial, indem Verbrauchsgüter nachhaltig beschafft werden, indem das Lager optimal geführt wird und dadurch Verwurf vermindert wird und indem die Verpflegung angepasst wird. Bei der Verpflegung können ökologische Verbesserungen erzielt werden, indem der Foodwaste reduziert wird. Dazu können die Patienten gezielt nach ihren Menüwünschen und der genauen Portionsgröße befragt werden, um dadurch weniger Nahrungsmittel und Essensreste wegzuwerfen. Auch könnten mehr pflanzliche Menüs oder Gerichte mit einem geringeren Fleischanteil angeboten werden. Gerade die Fleischproduktion hat eine Auswirkung aufs Klima. Es ist aber dann auch wichtig, dass diese umweltfreundlichen Menüs attraktiv sind. Sonst werden sie nicht gewählt.

Wo sehen Sie in anderen Bereichen noch Einsparpotenziale?

Stucki: Zum Beispiel im Bereich des Energieverbrauchs. Wenn wir die Umweltauswirkungen durch den Energieverbrauch in den analysierten Schweizer Kliniken anschauen, sind die Unterschiede riesig. Ein typisches Krankenhaus mit 1.000 Vollzeitstellen verbraucht etwa gleich viel Strom wie 1.000 Privathaushalte (5.000 MWh pro Jahr). Je nachdem, ob dieser Bedarf mit erneuerbarer Energie oder importiertem EU-Strom gedeckt wird, liegen die klimaschädlichen Treibhausgas-Emissionen jährlich zwischen 70 und 2.000 Tonnen CO2-Äquivalenten. Auch bei der Wärme setzen manche Kliniken fossile Energieträger ein und andere nutzen erneuerbare Energien, z.B. aus Holzschnitzel. Bei der Wahl der Energie ergibt sich für die Einrichtungen ein sehr großes ökologisches Einsparpotenzial, sowohl beim Strom als auch bei der Heizenergie.

Was verbraucht ein typisches Krankenhaus mit 1.000 Vollzeitstellen pro Jahr? – © M. Stucki

Was können Mitarbeitende tun, wenn sie sich klimafreundlicher verhalten möchten?

Stucki: Grundsätzlich sehe ich das größte Potenzial bei Entscheidungen, die auf der Führungsebene getroffen werden, indem z.B. Abläufe oder ganze Bereiche ressourceneffizienter und umweltfreundlicher gestaltet werden. Zudem braucht es eine Unterstützung von oben, damit auch die Mitarbeitenden motiviert werden, am Klimaschutz mitzuwirken. Ich sehe aber auch Potenzial für die Mitarbeitenden selbst, bei der Wahl der Verkehrsmittel im Pendlerverkehr, bei einem bewussten Umgang mit den Ressourcen im Arbeitsalltag und bei der Verpflegung. Beispielsweise können Mitarbeitende in der Mittagspause klimafreundlichere Menüs wählen.

Gerade Kliniken und Pflegeeinrichtungen brauchen helles Licht und warme Räumlichkeiten. Wie lässt sich das mit energiesparenden Maßnahmen in Einklang bringen?

Stucki: An der Beleuchtung zu sparen, würde ich als kritisch betrachten. Hier sehe ich eher die Möglichkeit, die Umweltauswirkungen über erneuerbare Energien, also Ökostrom, zu reduzieren. Generell haben LED-Leuchtmittel einen niedrigeren Energieverbrauch als z.B. Halogenleuchtmittel und so geringere Umweltauswirkungen. Jedoch macht Beleuchtung prozentual nicht sehr viel aus, sodass hier nur geringe Einsparungen möglich sind. Anders ist es bei der Heizung. Ein optimierter Heizungsbetrieb kann durchaus eine relevante Energieeinsparung bewirken.

Sind wiederverwendbare Materialien besser für die Umwelt als Einmalprodukte?

Stucki: Das untersuchen wir gerade, es scheint aber nicht generell der Fall zu sein. Wenn medizinische Mehrwegmaterialien ressourcenintensiv sterilisiert werden müssen, dann ist das für die Ökobilanz nicht vorteilhaft. Auch landet Mehrwegmaterial manchmal versehentlich im Abfall und wird so weniger oft wiederverwendet, als es möglich wäre. Das ist ein Unterschied z.B. zu Lebensmittelverpackungen – dort sind Mehrwegmaterialien meist deutlich umweltfreundlicher als Einwegmaterialien. Im Krankenaus, speziell bei der Sterilisation von Instrumenten im Operationssaal, muss das nicht der Fall sein.

Gibt es eine Offenheit vonseiten der Kliniken, klimafreundlicher zu werden?

Stucki: Diese Frage kann ich bejahen. Grundsätzlich ist Nachhaltigkeit ein zunehmend wichtiges Thema in den Häusern, und wir bekommen über unser Projekt „Green Hospital“ viele Anfragen von Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen, die gerne nachhaltiger werden möchten.

Wie können interessierte Einrichtungen den Klimaschutz stärker verankern? Braucht es einen Klimaschutzbeauftragten?

Stucki: Es ist wichtig ist, dass es auf der Geschäftsleitungsebene eine Überzeugung für das Thema gibt – das ist unsere Erfahrung. Es reicht nicht, einen Klimaschutzbeauftragten zu haben, wenn dieser nicht über entsprechende Entscheidungskompetenzen verfügt. Es braucht wirklich ein Commitment von oben! Nachhaltigkeitsverantwortliche sind dann sinnvoll, wenn diese wirklich konkret durch die Geschäftsleitung unterstützt werden. Nur dann können sie Entscheidungen für mehr Nachhaltigkeit konkret voranbringen.

Das Interview führte Brigitte Teigeler.