Architektur-Kolumne Hin oder weg – die Qualität der Innenarchitektur

Innenarchitektonische Gestaltungsqualität, schöne Räume, um es simpel zu formulieren, werden in der Wahlleistung gewünscht und auch honoriert, weshalb sich die Investition dort beson-ders lohnt. Das ist zwar erfreulich, aber im Gegenzug dazu bleibt es in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) bekanntermaßen beim frommen Wunsch, denn beim Entgelt der Wahlleistung Unterkunft gilt, je größer die Differenz zur Regelleistung, desto höher fällt es aus. Von den Räumen für das Personal ganz zu schweigen. Und jetzt? Fatal, denn die Umgebung wirkt sich bei allen Kranken auf den Heilungserfolg aus, sollte man meinen – was Studien zum Healing Environment zeigen. Vielerlei Aspekte von Licht, Formen, Farben, über Hygiene bis hin zu Ergonomie und Ausblick, beeinflussen die Gesamtkomposition eines Raumes, die im Gesundheitswesen in ihrer Komplexität die Medizin bestmöglich unterstützen kann. Dies beeinflusst nicht nur den Heilungsprozess und die Verweildauer, sondern auch Prozessqualität und Arbeitsplätze. Man arrangiert sich, gewöhnt sich und passt sich an die Räume an, statt andersherum. Patientinnen und Patienten haben meist den Wunsch, das Krankenhaus schnell zu verlassen. Unzumutbare Räume fördern diesen vermutlich – auch beim Personal. Daher, genauso wie es heilungsfördernde Aufenthaltsqualität und Raumatmosphäre braucht, will die Arbeitsgesundheit bestmöglich erhalten werden. Es stellt sich die Frage, wie und ob sich die differenzierte räumliche Qualität zwischen der privaten Krankenversicherung (PKV) und GKV auf die Verweildauer innerhalb der DRGs auswirkt, angesichts der Tatsache, dass bisher meist Privatversicherte von ansprechenden Räumlichkeiten profitieren. Mögliche Studien dazu dürften es wegen der Vergleichbarkeit von Parametern schwer haben. Dennoch wäre der Blick auf die Verweildauer z.B. nach einer Blinddarm-OP interessant. Dass die Atmosphäre der Räume sich auf die Arbeitsgesundheit auswirkt, ist unbestritten, wird aber im Krankenhaus kaum zielgerichtet beachtet, sondern im Gegenteil ignoriert. Kein Thema im Gestern, denn ein Umdenken findet langsam statt. Das Personal braucht Aufenthaltsqualität, um reibungslos seine Arbeit zu erledigen, statt überflüssig Energie zu verlieren. Ein attraktiv gestalteter Arbeitsplatz wirkt sich positiv durch seine Wechselwirkung aus. Die zunehmende Digitalisierung braucht ein räumliches Pendant das Schritt hält, wenn es insgesamt darum geht, die Qualität der Medizin zu steigern, Kosten in den Griff zu bekommen und nachhaltig zu wirtschaften. Auch hier kommt das Selbstverständnis einer Klinik ins Spiel, wo es um die Kommunikation von Kompetenz statt Austauschbarkeit mit Hilfe einer starken Marke geht. Die Gestaltung der Räume, die Medizin und Therapie, die Menschen, sämtliche Stakeholder, stehen daher in einem zwiespältigen, aber auch innigen Verhältnis miteinander. Im Idealfall steht tatsächlich der Mensch im Mittelpunkt. Denn: Wohlfühlen oder nicht spielt, konsequent zu Ende gedacht, eine entscheidende, weil eben auch wirtschaftlich bedeutsame Rolle. Patientinnen und Patienten sowie Personal haben die Wahl, wo sie sich behandeln lassen und wo sie arbeiten. Im Zuge der Digitalisierung könnte diese Freiheit zunehmen und physische Räume quantitativ eher abnehmen, in ihrer Essenz aber qualitativ genau deswegen eine wichtigere Rolle als heute spielen. Kontakt zur Autorin: Sylvia Leydecker, Innenarchitektin bdia AKG, 100 % interior, Köln, www.100interior.de, info@100interior.de

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