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Der Paradiesgarten Eden, das klassische Weltwunder der Hängenden Gärten der Semiramis – schon als die Jäger und Sammler vor dem Neolithikum sesshaft wurden, waren Menschen von Gärten fasziniert. Karl der Große ordnete 812 die Anlage von Nutzgärten in allen Klöstern und Landgütern an. Ab dann erfreuten sich Lustgärten immer größerer Beliebtheit. Die medizinische Relevanz war schon im alten Ägypten bekannt. So wurde geistig verwirrten Mitgliedern der Königsfamilie Spaziergänge in Gärten verschrieben. Vor über 200 Jahren entwickelte die psychiatrische Reformbewegung die ersten Konzepte der Gartentherapie.

Therapiegärten werden aktuell in etwa 400 Projekten in Deutschland betrieben. Sie sollen die Gesundheit fördern und medizinisch-pflegerische Maßnahmen auf nachhaltige Art stabilisieren. Genutzt werden sie erfolgreich in der medizinischen und beruflichen Rehabilitation, in der Psychosomatik, Psychiatrie, Neurologie und Sozialpsychatrie. Man findet sie in Senioreneinrichtungen, Heimen, in freier Praxis, im Strafvollzug, bei der Integration von geflüchteten Menschen und körperlich oder geistig eingeschränkten Menschen.
Die positiven Erfahrungen durch die Beschäftigung mit der Natur vor ihrer Haustür haben viele Menschen gerade in der Corona-Pandemie entdeckt. Nun gibt es allerdings nicht den genormten Therapiegarten, der von Gärten pflegenden Personen als kostengünstiges Allheilmittel für alle möglichen Erkrankungen angelegt werden kann. Vielmehr sollten von gartentherapeutisch erfahrenen Fachleuten mit botanischen und medizinisch-therapeutischen Qualifikationen zunächst die Bedürfnisse der Zielgruppen analysiert, Therapieziele klar definiert, vorhandene Ressourcen identifiziert und nötige Maßnahmen in eine individuelle Planung umgesetzt werden. In allen Prozessschritten ist eine intensive Kommunikation aller Teilnehmenden notwendig.
Green Care: Wie Gärten für die Gesundheit gestaltet werden können
Damit der Garten von den Menschen auch angenommen wird, ist es z.B. wichtig zu überlegen, wie lang die Gehwege sein sollen, in welchen Abständen Sitzgelegenheiten auf einer ansprechenden Route notwendig sind und welche Pflanzen am Wegesrand stehen sollen bzw. als Allergieauslöser zu vermeiden sind. Oft wird ein Garten in einen sensorischen Teil und einen motorischen Part aufgeteilt. Um Unter- oder Überforderung zu vermeiden, sind besondere Maßnahmen erforderlich bei kardiopulmonalen, neurodegenerativen oder demenziellen Erkrankungen, Schlaganfällen, Sehschwächen oder Blindheit sowie Depressionen oder Multisystematrophien.
Über die Wirkungseffekte von Naturbegegnungen existiert eine Vielzahl von wissenschaftlichen Studien. In allen Untersuchungen wird ein positives Ergebnis auf die Gesundheit und das Wohlbefinden des Menschen nachgewiesen, bis hin zur Minderung der Kriminalitätsrate.
Gärten sind Orte für Bewegung und Entspannung, dienen der Reduktion von Stress und Verbrechen und verbessern nebenbei die nachbarschaftlichen Beziehungen und fördern somit die soziale Gesundheit. Besonders in der Langzeitpflege sind Gärten eine wichtige Säule für das Wohlbefinden von Pflegeheimbewohnern. Die Begegnung eines Menschen mit Pflanzen beinhaltet immer eine gegenseitige Interaktion in einem geschlossenen Wirkungskreis.
Kontakt zum Autor:
Manfred Kindler, Präsident des Krankenhaus-Kommunikations-Centrums e.V. (KKC), m.kindler@kkc.info
Green Care
Zur fachlichen Unterstützung von Green-Care-Projekten hat sich 2009 die Internationale Gesellschaft Garten Therapie (www.IGGT.eu) gegründet. Nun sind umfangreiche Leitfäden und Praxishandbücher über die multidisziplinäre und komplexe Thematik verfügbar. Die IGGT organisiert auch einen Austausch über die unterschiedlichen Schwerpunkte in europäischen Ländern, u.a. Bauernhof-Pädagogik mit Tieren, Care-Farming mit Integration in einen Agrarbetrieb, City-Farming in Schrebergärten sowie Outdoor-Pädagogik und Wildnistherapie.