Versorgungsforschung
Unter dem Motto „Gesundheitsversorgung unter Krisenbedingungen – nachhaltig, regional, koordiniert“ fand am 4. Mai 2023 das 6. Heidelberger Forum statt.

Die Veranstalter hatten beim diesjährigen Forum zur Gesundheitsversorgung die gemeinsame Absicht, Schulterschlüsse zwischen allen Beteiligten zu fördern, Blicke und Vorstellungen über den eigenen Tellerrand zu erleben und so „zusammenzuführen, was zusammengehört“. In Heidelberg kamen mehr als 100 Menschen zusammen, bei denen die Bereitschaft, gemeinsam eine bessere Zukunft für das Gesundheitswesen zu gestalten, fühlbar war: klare Zustandsdiagnosen, Umsetzungsvorstellungen, Menschen auf Augenhöhe.
Moderne Gesundheitsversorgung braucht mutige und kreative Initiativen
„Der größte Fehler bei der Behandlung von Krankheiten ist, dass es Ärztinnen sowie Ärzte für den Körper und Ärztinnen sowie Ärzte für die Seele gibt, wo doch beides nicht getrennt werden kann“, zitiert Rolf Stuppardt bei seiner Anmoderation den antiken griechischen Philosophen Platon. Er machte damit deutlich, wie kurz doch der Weg zwischen der Antike und dem Heute ist.
Auch Prof. Heinz Lohmann machte am Vorabend des Forums mit seiner Dinner-Speech „Kunst macht Mut“ klar, dass auch die Gesundheitsbranche mutige und kreative Initiativen dringend braucht. Auch heute gelte es:
- Im „modernen“ Gesundheitswesen, Trennendes mutig zu überwinden.
- Prävention, medizinische Behandlung, Finanzierung und Digitalisierung nachhaltig und bruchlos gemeinsam mit den unterschiedlichen Kernkompetenzen zu gestalten.
Werner benennt Defizite bei der Gesundheitsversorgung
In seiner Keynote zu Beginn des Forums sprach Prof. Dr. Jochen A. Werner Klartext: Er benennt die Defizite im Gesundheitswesen – die keine temporären Unzulänglichkeiten sind –, den fehlenden politischen Willen zur Verbesserung und arbeitet dies an den Überfälligkeiten einer gemeinsamen Digitalstrategie, den fehlenden Zwischenzielen wie auch der Operationalisierung der Ziele heraus und fordert die Orchestrierung übergreifender Themenfelder. Er nennt die Herausforderungen und liefert Lösungswege:
- Schulterschluss,
- Mut zum Unperfekten,
- Mut zu Entscheidungen,
- Transparenz und unbürokratische Flexibilität für Anpassungen.

Was ist notwendig aus der Perspektive von Versicherten und Patienten?
Darum ging es im ersten Panel des Heidelberger Forum Gesundheitswirtschaft. Diese Themen wurden in der Talkrunde behandelt und diskutiert:
- Prävention als Querschnittsthema zu begreifen, hat grundlegende Bedeutung für Lebensqualität und Produktivität in jeder Lebensphase.
- Das sektorale System durch Fallbezogenheit zu überwinden, ist nicht allein mit dem Sozialgesetzbuch V lösbar.
- Subjektiver Bedarf und Bedürfnisse der Menschen müssen besser wahrgenommen werden, sprich: mehr Menschlichkeit, Qualität und Nachhaltigkeit realisieren und so das Denken in Zuständigkeiten beenden sowie die Kommunikation und damit verbundene Verantwortlichkeit verbessern.
- Gesundheitskompetenz und Souveränität der Menschen stärken: Share to Care-Programme ergebnisbezogen auflegen.
Panel 1
- Dr. Michael Brinkmeier, Vorstandsvorsitzender Stiftung Deutsche Schlaganfall-Hilfe
- Dr. Susanne Bublitz, 2. Vorsitzende des Vorstands Hausärzteverband Baden-Württemberg
- Andrea Galle, Vorstandsvorsitzende Betriebskrankenkasse VBU
- Prof. Dr. Dipl. Psych. Friedemann Geiger, Projektleitung Sonderprojekt SDM (Shared Decision Making) Universitätsklinikum Schleswig-Holstein
- Sandra Postel, Geschäftsführende Vorsitzende Pflegekammer Nordrhein-Westfalen
Was sind die Anforderungen an eine nachhaltige Finanzierung?
Im zweiten Panel widmeten sich die Teilnehmenden diesem Thema. Die Erkenntnisse daraus sind u.a.:
- Kosten-Nutzen-Relationen müssen den Patientennutzen adressieren.
- Das Erbe des strukturellen Defizits durch ein investives Transformationsbudget muss überwunden werden.
- Krankenkassen müssten von der Verpflichtung der Finanzierung gesellschaftspolitischer Aufgaben, die nichts mit Gesundheit zu tun haben, entbunden werden. Ansonsten sind die Versorgungskosten für Grundsicherungsempfänger dreimal so hoch wie die erhaltenen Einnahmen.
- Es sollte eine Wertediskussion darüber geführt werden, was Bürgerinnen und Bürgern Gesundheitsversorgung wert ist.
Panel 2
- Prof. Dr. med. Ingo B. Autenrieth, Leitender Ärztlicher Direktor, Vorstandsvorsitzender Universitätsklinikum Heidelberg
- Prof. Dr. Andreas Beivers, Professor für VWL, Studiendekan Gesundheitsökonomie, Hochschule Fresenius München
Andreas Storm, Vorstandsvorsitzender DAK Gesundheit
Wie gestalten wir komplexe ambulante Versorgung in der Region?
Im dritten Panel ging es um die Komplexität der ambulanten Versorgung in der Region. Dies waren die Themen beim Talk:
- Integriertes Leistungsmanagement ist breiter anzulegen: mehr Gestaltungsspielräume ausnutzen.
- Versorgung kann nicht zentral gesteuert werden. Konkrete Versorgung ist immer lokal, daher verstärkt auf crosssektorale Versorgung auf Lokalebene setzen. Städtische und ländliche Regionen sind differenziert anzugehen.
- Kreative Lösungen für den Fachkräftemangel schaffen.
- Quartiersansätze erproben: Kooperation und Vernetzung den regionalen Möglichkeiten entsprechend flexibel verankern.
- Personalisierte/patientenzentriert Medizin realisieren, indem vernetzte Daten und Interoperabilität geschaffen und die Arzt-Patienten-Beziehung verbessert werden.
- Digitale Prozesse immer mitdenken und digitale Gesundheitskompetenz auf-/ausbauen: Telemedizinische Versorgungsangebote stärken und routinemäßige Datenauswertungen sowie Feedbacks zu allen Interventionen und Devices etablieren.
Panel 3
- Dr. Isabella Erb-Herrmann, Vorstandsmitglied AOK – die Gesundheitskasse in Hessen
- Dr. Claudia Fleischer, Geschäftsführerin Roche Diagnostics GmbH
- Prof. Dr. med. Peter Rohmeiß, Geschäftsführer ze:roPRAXEN
- Nicole Ruprecht, Chief Digital Officer Healthcare (CDO) SRH Gesundheit GmbH
- Magnus Stüve, Director Market Access Abbott Diabetes Care Deutschland
Digitale Transformation im Gesundheitswesen
Um die Digitalisierung im Gesundheitswesen drehte sich das vierte Panel „Digitale Transformation im Gesundheitswesen – Hype oder Nukleus?“ Dies waren die Themen beim Talk:
- Digitale Prozesse sind noch zu weit entfernt von Patientenzentrierung; Entwicklungen sind enger am Bedarf der Menschen auszurichten.
- Daten sollen sicher ausgetauscht werden: Endto-End-Denken sollte mehr Platz einnehmen.
- Schnittstellen sind sehr bedeutsam: Es braucht den interdisziplinären Austausch.
- Alles Digitale muss dem analogen Geschehen zugutekommen: Digitalisierung muss Lebens wie Versorgungsqualität verbessern und barrierefreien Informationsaustausch gewährleisten.
- Prozesseffizienz erhöhen: Digitalisierung benötigt Strukturanpassungen. Brauchen wir bestimmte digitale Prozesse?
- Stärkung der Gesundheitskompetenz ist zentral.
Panel 4
- Istok Kespret, Geschäftsführer HMM Deutschland GmbH
- Admir Kulin, CEO bei m.Doc GmbH
- Patrick Lang, Co-Founder dermanostic – Hautarzt per App
- Patrick Massow, Director Market Access Dexcom Deutschland GmbH
- Dr. Uwe K. Preusker, Herausgeber Klinik Markt inside
- Marek Rydzewski, Chief Digital Officer bei Barmer
Gesundheitsversorgung mit Fokus auf Patientenorientierung
Das System muss aus seiner gegenseitigen „Behinderungskultur“, aus der Blockadementalität raus, um zu einer Konsenskultur im besten Sinne zu gelangen und so operative Vorwärtsstrategien zu vereinbaren, lautete das Resümee der Veranstaltung. Die Basis dabei bilden soll u.a. Offenheit, Transparenz und regionale Kooperation mit dem Fokus auf Patientenorientierung bei konsequent integrierten Handlungskonzepten, die als lernende Operationen orchestriert auf die Straße gebracht werden müssen. Es gehe nicht um mehr Medizin, sondern um mehr Menschenfokussierung im verbundenen System, um Wege zu mehr
- Menschlichkeit,
- Qualität und
- Nachhaltigkeit.
Dies betonte auch Keynote-Sprecher Prof. Dr. Jochen A. Werner. Es gehe auch nicht um Digitalisierung an sich, sondern um nutzenstiftende, effektive und effiziente Ergebnisse. Dazu werde eine faire, nachhaltige Finanzierung für mehr verbundene Gesundheitsversorgung auf lokaler Ebene gebraucht.
Heidelberger Forum Gesundheitsversorgung
- Die Veranstalter: medhochzwei Verlag, der Zeitschrift Welt der Krankenversicherung und die Gesundheitsplattform Rhein-Neckar e.V.
- Eindrücke vom 6. Heidelberger Forum Gesundheitsversorgung. Hier geht´s zur Bildergalerie: https://www.medhochzwei-verlag.de/HeidelbergerForumGesundheit/Rueckblick
- Der nächste Termin: 25. April 2024