Entscheiderfabrik
Bei der Entscheider-Werkstatt am 6. und 7. Juli 2021 mit dem Universitätsklinikum der Technischen Universität München (MRI TUM) haben die Teilnehmenden die Top-10-Aktivitätsfelder für Kliniken der Regelversorgung erarbeitet und skizziert, wie sich die Health-IT an Unikliniken entwickeln kann.

Andreas Henkel, Leitung IT und CIO am MRI, brachte gleich zu Beginn der Entscheider-Werkstatt ein Erfolgsgeheimnis der effektiven Digitalisierung im Krankenhaus zur Sprache: „Health-IT-Perspektiven verlangen Gemeinschaftsarbeit.“ Was er damit meinte, zeigte der Diskussionsverlauf der Entscheider-Werkstatt, organisiert von der Entscheiderfabrik um Dr. Pierre-Michael Meier. In zwei verschiedenen Sessions, die als Gruppenarbeit organisiert waren, debattierten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer über zusammengefasst folgende Fragestellungen:
- Wie lauten optimale strategische Ziele und Konzepte für Universitätsklinika und wie die Top-10-Themen der Regelversorgung in Sachen Digitalisierung und KHZG-Umsetzung?
- Welche Rahmenparameter (z.B. interoperable Infrastrukturen) und Voraussetzungen sowie Finanzierungsgrundlagen sind notwendig?
Als die „glorreichen“ fünf Fördertatbestände des KHZG wurden folgende definiert:
- §19 1, 2 Patientenportale
- §19 1, 3 Elektronische Dokumentation von Pflege- und Behandlungsleistungen
- §19 1, 4 Teil- und vollautomatisierte klinische Entscheidungsunterstützungssysteme
- §19 1, 5 Durchgehendes digitales Medikationsmanagement/wahlweise Robotik
- §19 1, 6 Digitaler Leistungsanforderungsprozess (Auftrag-Befund-Kommunikation)
Digitalisierung trifft auf unterschiedliche Ausgangslagen
Bei der Diskussion zur Fragestellung, worauf sich Universitätsklinika und Regelversorger in Sachen KHZG-Anwendung und Digitalisierung fokussieren, wurde schnell deutlich, dass die Häuser abhängig von ihrer Größe vor unterschiedlichen Herausforderungen stehen. So berichtete z.B. Katrin Berger, IT Projektleiterin KIS bei der Ameos Spitalgesellschaft, dass kleinen und kommunalen Kliniken häufig die Infrastruktur allein für die WLAN-Einrichtung fehlt. Berger warf die Frage auf, wie Häuser, die mit solchen Herausforderungen zu kämpfen haben, Großprojekte wie ein Patientenportal stemmen sollen. Dabei gehe es gar nicht mal rein um die Implementierung, sondern auch darum, ob man so eine Neuanschaffung auch durch die entstehenden Einsparungen finanzieren könne.
Am MRI sind die Teams um Henkel dagegen aktuell dabei das Konzept Kopernikus in der Patientenversorgung umzusetzen. In einem Raum mit Korkwänden und gepinnten Zetteln werden Prozesse von unterschiedlichen Berufsgruppen beleuchtet und diskutiert. So soll am Ende eine solide Basis für die künftige IT-Infrastruktur und das Smart Hospital geschaffen, bei der alle mitgedacht werden. „Wir haben festgestellt, dass unsere Prozesse zum Teil noch weit weg von den Medizinern sind. Die Herausforderung ist, diese für die Mitarbeit begeistern, um die Schnittstelle Mensch-Maschine zu optimieren“, gab Henkel zu bedenken.
Aber nicht nur die Mitarbeitenden auch die Patientinnen und Patienten sollten von Beginn an mitgedacht werden. Dabei wurde in der Diskussion deutlich, dass diese für viele Einrichtungen ein „unwegsam“ sind, da man mit erkrankten Menschen schwer planen kann. „Wir gehen immer davon aus, dass die Patienten nutzen, was wir ihnen an neuen digitalen Tools zu Verfügung stellen sollen. Aber was ist, wenn das nicht eintritt?“, fragte Berger und lieferte mit ihrer Antwort gleich eine Herausforderung mit: „Wir müssen sämtliche Prozesse parallel weiterhin wie bisher begleiten – und das von der Aufnahme weg.“
Change Management auf der Mitarbeiterebene essenziell
In der Diskussion um Fördertatbestand 10 des KHZG und damit IT-Sicherheit zeigte sich, „dass noch viele Häuser nicht vorbereitet sind“, wie es Henkel ausdrückte. Selbst in einem Haus wie dem MRI kämpfe man an gewissen Stellen noch mit den Vorgaben des IT-Sicherheitsgesetzes. Maßgeblich beim Erfolg sei die „Awareness“ bei den Mitarbeitenden.
Diese brauche man auch grundsätzlich, wenn es ums Vorankommen in der Digitalisierung gehe. Hier wurde aus dem Auditorium auch auf die Relevanz von Change Management hingewiesen. Meier verwies dabei auf einen oft vergessenen Aspekt: „Für die Umsetzung von Digitalisierung braucht es ausreichend Personal.“ Dabei zeigte die Diskussion, dass sich mit der aktuellen Entwicklung ein rares Berufsbild entwickelt, das einen Nachfragemarkt auftun wird. So werde sich wohl aus dem klassischen Medizininformatiker neue Berufsbilder wie Digital Process Owner entwickeln, die gesamte Digitalisierunsprozesse begleiten.
Herausforderungen – Aufgaben – Maßnahmen
An dieser Stelle knüpfen die Ergebnisse der Arbeitsgruppe an, die sich mit den nötigen Rahmenbedingungen befasst hat. Die Gruppenmitglieder haben folgende Herausforderungen hinsichtlich der notwendigen Rahmenbedingungen für Digitalisierung dokumentiert:
- Digitales Kompetenzdefizit bei den Mitarbeitenden ausgleichen und die Bereitschaft „digital“ mitzumachen aktivieren
- Mehrwerte der Digitalisierung sichtbar machen
- Attraktivität von Ausbildung und Arbeitsplatz steigern („Von 30 Medizininformatik-Absolventen sind nach zehn Jahren nur noch zwei im Gesundheitswesen“)
- Vermittlung zwischen den Welten „Technisch-Digital-Analog“ und in den Bereichen Medizin – Technik – Verwaltung
- Transparenz/Kenntnis über Prozesse schaffenVerlassen der Komfort-Zone: Lösen von etablierten Prozessen
- Projektmanagementkompetenzen und -tools schaffen
Hinsichtlich der Aufgabenstellung gehe es laut den Ergebnissen der Arbeitsgruppe v.a. darum, zunächst die KHZG-Projekte umzusetzen, ein Bewusstsein für die Prozessveränderungen zu schaffen, die Mitarbeitenden auch hinsichtlich ihrer Kompetenzen mitzunehmen und dabei auch die Richtlinien-Kompetenzen zu stärken. Abgeleitet daraus wurden folgende Maßnahmen definiert:
- Kompetenzvermittlung
- Change-Management
- Stabile und performante Infrastruktur schaffen
- Kommunikation stärken
- Mitarbeitende gewinnen/mehr ausbilden
- Outsourcing von Nicht-Kernkompetenzen betrifft
- IT-Strategie abgeleitet aus der Unternehmensstrategie definieren
Auszeichnung für Dr. Elke Frank
Dr. Elke Frank, Kaufmännische Direktorin bei Klinikum Rechts der Isar der Technischen Universität München, erhielt bei der Entscheider-Werkstatt in München den Pokal für „Unternehmens-/Klinikführer*in 2020“. Ausgezeichnet wurde sich bereits auf dem Deutschen Krankenhaustag im November 2020. Da das Event in München die erste gemeinsame Begegnung in Präsenz seither war, konnte sie den Pokal nun persönlich entgegen nehmen.
Alle Ergebnisse im Detail sowie weiterführende Veranstaltungen der Entscheiderfabrik unter: www.entscheiderfabrik.com