Analysegestütztes Einweisermanagement Gute Einweiserbeziehungen zur Existenzsicherung

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Ziel der Fachkliniken Wangen war eine nachhaltige Steigerung der Bettenbelegung. Dazu wählte die Einrichtung ein Vorgehen in fünf Schritten. Damit gelang für die drei Einrichtungen des Trägers ein Belegungsplus von rund zwölf Prozent.

Das deutsche Gesundheitswesen verändert sich stetig – die angestoßene Reform zur Krankenhausvergütung, der Anstieg der Lebenserwartung, der medizinischtechnische Fortschritt und steigende Behandlungskosten setzen Leistungserbringer zunehmend unter Druck (Heuer 2019, S. 542 ff.). Der finanzielle Spielraum wird geringer und Krankenhäuser müssen um Patienten konkurrieren, um die steigenden Kosten durch immer höhere Fallzahlen zu decken (Winter et al. 2017, S. 196; Raab und Legl 2016, S. 109). Dabei gewinnt das sogenannte Rightsizing (gezielte, selektive Fallzahlsteigerung) vermehrt an Bedeutung. Zudem sehen sich Krankenhäuser einem massiven Fachkräftemangel ausgesetzt.

Die Veränderungen erfordern eine Neuausrichtung der Leistungserbringer sowie neue Kompetenzen und Werkzeuge in den Bereichen Leistungsmanagement, Digitalisierung, Marktanalytik und -forschung sowie Marketing (Siebenhüner et al. 2019, S. 592; Tiemann et al. 2017, S. 69). Der Wandel ist bereits in vollem Gange: Statt „Silodenken“ rückt die Zusammenarbeit der Abteilungen und Funktionen in den Vordergrund (Heuer 2019, S. 542 f. Tiemann et al. 2017, S. 72; Winter et al. 2017, S. 199).

Zur nachhaltigen Existenzsicherung eines Krankenhauses ist es relevant, das eigene Tun transparent zu machen, zu evaluieren und zu verbessern (Tiemann et al. 2017, S. 50). Dafür sind regelmäßige, umfassende Analysen des Marktes und des Umfeldes notwendig (Siebenhüner et al. 2019, S. 592). Denn Krankenhäuser können nur dann bestehen, wenn sie den Markt, ihre Patienten und (Nicht-)Einweiser genau kennen und auf deren Bedürfnisse konkret eingehen (Köhler und Gründer 2017, S. 157).

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    Gute Einweiserbeziehungen zur Existenzsicherung
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    evidence Klinik-CRM: Digitale Karteikarte mit Informationen zu einer Person (fiktives Beispiel; Glaux Group).
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    Kartendarstellung der trinovis-Analyseplattform: Marktanteile für Erkrankungen des Atmungssystems und Einweiser mit der Anzahl zugewiesener Fälle aufgrund Erkrankungen des Atmungssystems für das Jahr 2021.
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    Gute Einweiserbeziehungen zur Existenzsicherung
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    Was die Kombination aus Analysetool und Klinik-CRM bringt (s. Ferrari, rotthaus.com).

Haus- und Fachärzteschaft weiter Gatekeeper

Zu den wichtigsten Kunden eines Krankenhauses zählt neben den Patienten die Gatekeeper-Gruppe der (nicht-)einweisenden niedergelassenen Haus- und Fachärzte (Schreyögg 2017, S. 178; Winter et al. 2017, S. 198). Studien zeigten, dass sich 70 bis 80 Prozent der Patienten und Patientinnen für das Krankenhaus entscheiden, das ihnen ihr Haus- oder Facharzt empfohlen hat (Raab und Legl 2016, S. 108). Somit sichern Einweiser den Krankenhäusern den überwiegenden Teil ihrer Patienten, tragen maßgeblich zur Auslastung bei und sind als Schlüsselkunden zu bezeichnen (Köhler und Gründer 2017, S. 144).

Durch eine gezielte Ansprache können (Nicht-)Einweiser gewonnen, zufriedengestellt und langfristig gebunden oder zurückgewonnen werden. Eine gesteigerte Kundenorientierung hat positive Auswirkungen auf die Reputation eines Hauses und kann die Wettbewerbsposition verbessern (Winter et al. 2017, S. 198). Außerdem kann das Haus (aktiv und erfolgreich) bei der Steuerung der Patientenströme einwirken, wenn die konkreten Bedürfnisse der Einweiser in der Zusammenarbeit mit dem Krankenhaus bekannt sind und diese im Klinikalltag Eingang finden (Raab und Legl 2016, S. 109). Zur Verbesserung damit verbundener, relevanter Prozesse wird ein modernes Einweiserbeziehungsmanagement empfohlen, welches auf dem Ansatz des Customer Relationship Managements (CRM) basiert (Raab et al. 2020, S. 294; Trill 2016, S. 294). Mit klaren Zielen, Positionierungen und Maßnahmenplänen sollen die Einweiser kontinuierlich und langfristig in das Gesamtkonzept des Krankenhauses integriert werden (Raab und Legl 2016, S. 110).

Marktgestütztes Einweisermanagement systematisch einführen

Nach D. Laney können im IT-Bereich gesammelte Daten in Verbindung mit Drittdaten zur Umsatzgenerierung genutzt werden. Erster Schritt sei die Informationsbasis zu erweitern und anschließend die Informationen zur Geschäftsoptimierung und ggf. -erweiterung zu verwenden (Laney 2017 zit. n. Schlott 2022, S. 2 f.). Der Ansatz ist unter Einhaltung der Datenschutz-anforderungen auf das Gesundheitswesen zu übertragen. Aufgrund des hoch dynamischen Umfeldes ist ein kontinuierlicher Prozess erforderlich, bei dem zunächst die Ausgangssituation durch Markt-, Potenzial- und Einweiseranalysen transparent dargestellt werden muss. Dazu zählt auch die Auswertung relevanter Wettbewerber. Danach erfolgen die Segmentierung, Priorisierung und Positionierung der (Nicht-)Einweiser, worauf das Maßnahmenmanagement aufsetzt. Im Sinne eines Controllings werden anschließend die Wirkungen evaluiert, ein Rückkopplungsprozess initiiert und Maßnahmen angepasst (vgl. Emde und Lemm 2020, S. 205 ff.; Raab et al. 2020, S. 294; Fenderich und Reckel 2019, S. 169 f.; Schreyögg 2017, S. 178 f.).

Königsweg: Einweiserbefragung + Klinik-CRM + Marktanalyse

Wie die Theorie zum praktischen Erfolg führt, zeigt beispielhaft das Vorgehen der Waldburg-Zeil Akutkliniken GmbH & Co. KG seit Ende 2019, einem mittelständischen Anbieter von Akut- und Rehakliniken. Die Ausgangslage der Fachkliniken Wangen, welche zu dem Konzernverbund gehören, war gekennzeichnet durch eine unübersichtliche und lückenhafte Datenlage im Klinikinformationssystem (KIS). Dazu bestand eine Abhängigkeit von Einzelpersonen, da insbesondere qualitatives Wissen (z.B. zu Einweiserwünschen, -bedürfnissen und -zufriedenheit) überwiegend auf Chefärzte verteilt und nicht schriftlich erfasst war. Es fehlte eine aktuelle, valide Datengrundlage, sodass die Marktkenntnisse eher auf „Gefühlen“ basierten und personenabhängig waren.

Ziele der Fachkliniken Wangen waren eine nachhaltige Belegungssteigerung zu generieren (plus zehn Prozent) und die eigene Marktlage und -entwicklung greifbar zu machen. Dafür sollten eigene Daten (quantitativ und qualitativ) und Daten Dritter in eine bedienerfreundliche (Einweiser-)Datenbank zur Wertschöpfung integriert und anschließend in Reports bereitgestellt werden. Hierzu wählten die Fachkliniken folgendes Vorgehen:

1 Aktualisierung und Vervollständigung der vorhandenen Einweiserdaten im KIS, um eine aktuelle Basis zu schaffen.

2 „Optimierte Einweiserbefragung“ des Klinikmarketingspezialisten rotthaus.com, um eine Fülle von individuellen Rückmeldungen von Einweisern zu erhalten und Botschaften zum eigenen Leistungsangebot zu vermitteln.

3 Einführung und umfangreiche Datenerfassung im evidence Klinik-CRM der Glaux Group, sodass für jeden Einweiser eine digitale Karteikarte mit quantitativem und qualitativem Wissen vorliegt (s. Abbildung 1).

4 Strukturierte und begleitete Umsetzung der Umfrageergebnisse von rotthaus.com in konkrete Maßnahmen.

5 Parallel Installation der Marktanalyseplattform der trinovis GmbH für eine quartalsweise Datenaufbereitung und -auswertung. Die Business-Intelligence-Anwendung trinovis Vision ermöglicht Markt-, Einweiser- und Potenzialanalysen in Form von interaktiven Reports mit verschiedenen Visualisierungsformen. Dadurch lassen sich bspw. retrospektiv die Einweisungen oder auch prospektiv die Marktentwicklung untersuchen (s. Abbildung 2). Anknüpfend an die platzierten Botschaften im Rahmen der Einweiserbefragung und den Analyseergebnissen wurden konkrete Maßnahmen abgeleitet. Beispielsweise wurde die Homepage der Fachkliniken Wangen zielgruppenspezifisch auf die Einweiser angepasst und die Niedergelassenen erhielten einen übersichtlichen Informationsbogen mit relevanten Kontakten der Fachkliniken. Es wurden spezifische Veranstaltungen (z.B. Präsentation anonymisierter Fallbeispiele) etabliert, um sich mit den Niedergelassenen auch auf medizinischer Ebene fachlich auszutauschen. Für die eigene Chefärzteschaft wurden Quartalsreports erstellt, sodass transparent über Veränderungen gesprochen werden kann.

Gezielte Fallzahlsteigerung um mehr als zwölf Prozent

Im Ergebnis ist eine userfreundliche, stetig aktuelle (Einweiser-)Datenbank entstanden, wovon in Verbindung mit trinovis Vision jederzeit die Marktposition und -entwicklung untersucht und weiterführend Maßnahmen abgeleitet werden können. Das Wissen liegt nun personenungebunden in standardisierten Reports vor. Dadurch sind regelmäßige Gespräche unter Führungskräften und situativ schnelle Analysen möglich. Es ist eine Transparenz geschaffen, die positiven Einfluss auf die (Zusammenarbeit der) Geschäftsbereiche der Fachkliniken hat. Dazu zählen auch die erleichterte Stammdatenpflege und Zeitersparnis der eigenen Mitarbeitenden. Durch die Entwicklung und das Erfassungscontrolling passgenauer Aktivitäten lassen sich die Bekanntheit des eigenen Leistungsangebotes und die Einweiserzufriedenheit steigern. Durch die Verknüpfung von evidence Klinik-CRM und Marktanalyseplattform sollen auch zukünftig aktuellste Daten automatisiert eingespielt werden.

Für die drei Akutkliniken der Fachkliniken Wangen konnte durch das strukturierte Vorgehen im Geschäftsjahr 2021 ein Fallzuwachs von + 12,1 Prozent erzielt werden. 2022 wurden die Fallzahlen gehalten. Zudem wurde das Leistungsangebot im März 2022, aufgrund eines Nachfrageüberhanges im Markt, um eine therapeutische Ambulanz zur Anschlussheilbehandlung stationärer Patienten erweitert. Die von Beginn an enge Zusammenarbeit mit den Chefärzten stieß auf hohen Zuspruch. Insbesondere die konkret herausgearbeiteten Ansätze und greifbaren Ergebnisse wurden wertgeschätzt. Die befragten Einweiser befürworteten die persönliche Kontaktaufnahme und das „Zeit nehmen“ seitens der Fachkliniken.

Gute Einweiserpflege lindert den ökonomischen Druck

Festzuhalten bleibt, dass Einweiser zukünftig noch wichtiger werden. Wie die Fachkliniken Wangen zeigen, sind konkrete Maßnahmen aus kontinuierlichen Analysen gepaart mit Kampagnen für eine gute Einweiserbeziehung wesentliche Stellschrauben für den ökonomischen Erfolg und helfen, die Kosten-Erlös-Situation zu verbessern (s. Abbildung 3).

Literatur

  • Emde, Annika; Lemm, Michaela (2020): Medizinische Strategieentwicklung und -implementierung in Krankenhäusern. In: Mario A. Pfannstiel, Christoph Rasche, Andrea Braun von Reinersdorff, Bianka Knoblach und Dietmar Fink (Hg.): Consulting im Gesundheitswesen. Professional Services als Gestaltungsimperative der Unternehmensberatung: Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, S. 201–215.
  • Fenderich, Konrad; Reckel, Rebekka (2019): Überschaubares Risiko aber große Chancen – Warum Krankenhausmanager die Marketingmethoden des digitalen Zeitalters nutzen sollten. In: David Matusiewicz, Frank Stratmann und Johannes Wimmer (Hg.): Marketing im Gesundheitswesen. Einführung – Bestandsaufnahme – Zukunftsperspektiven. FOM-Edition. Wiesbaden: Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, S. 167–178.
  • Heuer, Kai (2019): Portfolioanalyse im Krankenhaus. In: Jürgen Stierle, Helmut Siller, Manfred Fiedler und Sonja Ortner (Hg.): Handbuch Strategisches Krankenhausmanagement: Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, S. 541–564.
  • Köhler, Alexandra; Gründer, Mirko (2017): Online-Marketing für das erfolgreiche Krankenhaus. Website, SEO, Social Media, Werberecht. 2., vollständig überarbeitete und aktualisierte. Berlin, Heidelberg: Springer-Verlag GmbH.
  • Raab, Andrea E.; Doyé, Thomas; Legl, Klaus; Wolf, Julia; Kriegl, Bettina (2020): Strategisches Marketing im Krankenhaus – Mitarbieter motivieren, Einweiserpotenziale heben, Patienten begeistern. Wie Sie mithilfe von strategischem Marketing erfolgreich im Wettbewerb bestehen können. In: Mario A. Pfannstiel, Christoph Rasche, Andrea Braun von Reinersdorff, Bianka Knoblach und Dietmar Fink (Hg.): Consulting im Gesundheitswesen. Professional Services als Gestaltungsimperative der Unternehmensberatung: Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, S. 285–316.
  • Raab, Andrea E.; Legl, Klaus (2016): Einweiserbeziehungsmanagement. In: Mario A. Pfannstiel, Christoph Rasche und Harald Mehlich (Hg.): Dienstleistungsmanagement im Krankenhaus. Nachhaltige Wertgenerierung jenseits der operativen Exzellenz: Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, S. 107–137.
  • Schlott, Quirin (2022): Marktgestütztes Zuweisermanagement mit Zuweiser- und Marktdaten den Unternehmenswert der Klinik vergrößern. Projektbericht der Fachkliniken Wangen zur Bewertung für den Klinikaward 2022. Waldburg-Zeil Kliniken.
  • Schreyögg, Jonas (2017): Kundenmanagement im Gesundheitswesen – Einführung und methodische Grundlagen. In: Reinhard Busse, Jonas Schreyögg und Tom Stargardt (Hg.): Management im Gesundheitswesen. Das Lehrbuch für Studium und Praxis. 4. Aufl.: Springer-Verlag GmbH, S. 177–180.
  • Siebenhüner, Raik; Görlitz, Michael; Gmehling, Sebastian (2019): Langfristige Planung strategischer Geschäftseinheiten im Krankenhaus. Neue Instrumente zur Erkennung von Strategieoptionen und innovativen Gesamtdarstellung der Geschäftsfelder eines medizinischen Unternehmens. In: Jürgen Stierle, Helmut Siller, Manfred Fiedler und Sonja Ortner (Hg.): Handbuch Strategisches Krankenhausmanagement: Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, S. 565–595.
  • Tiemann, Oliver; Busse, Reinhard; Schreyögg, Jonas (2017): Leistungsmanagement in Krankenhäusern. In: Reinhard Busse, Jonas Schreyögg und Tom Stargardt (Hg.): Management im Gesundheitswesen. Das Lehrbuch für Studium und Praxis. 4. Aufl.: Springer-Verlag GmbH, S. 50–79.
  • Trill, Roland (2016): CRM im Zeichen von Social Media und eHealth. In: Mario A. Pfannstiel, Christoph Rasche und Harald Mehlich (Hg.): Dienstleistungsmanagement im Krankenhaus. Nachhaltige Wertgenerierung jenseits der operativen Exzellenz: Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, S. 293–309.
  • Winter, Vera; Ingerfurth, Stefan; Graf, Alexander; Helmig, Bernd (2017): Kundenmanagement in Krankenhäusern. In: Reinhard Busse, Jonas Schreyögg und Tom Stargardt (Hg.): Management im Gesundheitswesen. Das Lehrbuch für Studium und Praxis. 4. Aufl.: Springer-Verlag GmbH, S. 196–210.

Kontakt zur Autorin und zum Autor

Fabienne Debschütz, Master of Science Public Health, Healthcare Analytics, trinovis GmbH, fabienne.debschuetz@trinovis.com

Dr. Quirin Schlott, Klinikdirektor Fachkliniken Wangen, quirin.schlott@wz-kliniken.de