Nachhaltigkeit
Extreme Wettersituationen und steigende Energiepreise wirken sich immer stärker auf die Unternehmen in der Gesundheits- und Sozialbranche aus. Geschäftsführer und Aufsichtsgremien müssen in diesem Zusammenhang Lösungsansätze zur Bewältigung der neuen Herausforderungen finden.

Durch regulatorische Vorgaben der EU-Kommission wird dieser Handlungsdruck künftig in Form des Nachhaltigkeitsberichtes forciert. Fraglich ist nun, welche Auswirkungen sich für die Branche ergeben und wie eine sinnvolle Umsetzung gestaltet wird.
Nachhaltigkeitsbericht soll verpflichtend werden
In den letzten Monaten hat die EU-Kommission durch eine Anpassung der sogenannten Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD-Richtlinie) sowie der Taxonomie-Verordnung die verpflichtende Nachhaltigkeitsberichterstattung deutlich ausgeweitet. Nach den geplanten Regeln sind ab 2025 alle großen Kapitalgesellschaften verpflichtet, einen dezidierten Nachhaltigkeitsbericht in ihren Lagebericht aufzunehmen und von einem externen Prüfer prüfen zu lassen. Zukünftig sollen neben allen an einem EU-regulierten Markt notierten Unternehmen auch sämtliche nach den Größenkriterien des § 267 HGB als groß geltenden Kapitalgesellschaften von der Berichtspflicht erfasst werden, also solche, die mindestens zwei der drei folgenden Größenmerkmale überschreiten:
- Bilanzsumme: > 20 Millionen Euro,
- Umsatzerlöse: > 40 Millionen Euro,
- Arbeitnehmende im Jahresdurchschnitt: > 250.
Darüber hinaus werden Einrichtungsträger, die nach ihrer Satzung oder ihren Gesellschaftsvertrag einen Lagebericht aufzustellen haben, zukünftig ihre Berichterstattung ausweiten müssen. Es ist davon auszugehen, dass die kreditgebenden Banken und Fördermittelgeber die Einhaltung der Nachhaltigkeitskriterien einfordern und finanztechnisch einpreisen (z.B. durch günstigere Finanzierungsbedingungen).
Nach der CSRD soll der Nachhaltigkeitsbericht alle Angaben enthalten, die für das Verständnis des Geschäftsverlaufs, des Geschäftsergebnisses, der Lage des Unternehmens sowie der Auswirkungen seiner Tätigkeit erforderlich sind. Hierzu zählen insbesondere:
- Geschäftsmodell und Nachhaltigkeitsstrategie,
- Nachhaltigkeitsziele und Fortschritte bei der Erreichung dieser Ziele,
- Rolle der Geschäftsführungs-, Aufsichts- und Verwaltungsorgane in Bezug auf Nachhaltigkeitsbelange,
- die wichtigsten tatsächlichen oder potenziellen nachteiligen Auswirkungen der Geschäftstätigkeit des Unternehmens unter Berücksichtigung der gesamten Wertschöpfungskette,
- die wichtigsten Risiken für das Unternehmen im Zusammenhang mit Nachhaltigkeitsbelangen und wie das Unternehmen mit diesen Risiken umgeht sowie
- Verfahren zur Ermittlung der nachhaltigkeitsrelevanten Informationen.
Die klimabezogenen Ziele, Maßnahmen und Ergebnisse sowie ihr Zusammenspiel, wobei explizit auf kurz-, mittel- und langfristige Nachhaltigkeitsrisiken einzugehen ist, müssen für den Adressaten des Lageberichtes nachvollziehbar sein. Unter Beachtung des Geschäftsmodells bietet es sich daher an, u.a. die Energie- und Verbrauchsdaten für sämtliche Liegenschaften zu erfassen und zu analysieren und gezielt Verbesserungsmaßnahmen abzuleiten. Im Hinblick auf den Energieverbrauch ist es sinnvoll, eine Aufschlüsselung nach Energieträgern (z.B. Erdgas, Strom) und der Bezugsart (Eigenerzeugung oder Fremdbezug) sowie dem Anteil der erneuerbaren Energien vorzunehmen. Unter Hinzuziehung der genutzten Fläche sowie der vorgehaltenen Pflegeplätze hat es sich bewährt, den durchschnittlichen Energieverbrauch pro genutzte Fläche (kWh/qm) sowie pro Pflegeplatz oder Bett (kWh/Pflegeplatz bzw. Bett) einrichtungsbezogen zu ermitteln. Die hieraus resultierenden Treibhausgasemissionen werden anhand standardisierter Verfahren umgerechnet und in CO2-Äquivalenten (in Tonnen) dargestellt. Unter Berücksichtigung dieser Ausgangswerte (Leistungsindikatoren) kann die trägerbezogene Klimaneutralität schrittweise durch einen langfristigen Klimaschutzfahrplan angestrebt und für Dritte nachvollziehbar dokumentiert werden (Vgl. Tabelle. 1).
Green Deal: Europäische Kommission gibt Kriterien vor
Die neu eingeführte Taxonomie-Verordnung ergänzt die oben angeführten Berichtsbestandteile. Vor dem Hintergrund der europaweit angestrebten Klimaneutralität (Green Deal) gibt die Europäische Kommission in der Taxonomie-Verordnung erstmals Kriterien für klimaverträgliche Wirtschaftsaktivitäten vor. Anhand einheitlicher Kriterien für Unternehmen und Investoren soll demnach bestimmt werden, ob Wirtschaftstätigkeiten ökologisch nachhaltig sind und einen wesentlichen Beitrag zum Klimaschutz leisten. Um als ökologisch nachhaltig eingestuft zu werden, muss demnach eine Wirtschaftstätigkeit v.a. im Einklang mit vorgegebenen Umweltzielen stehen und bestimmte (von der Kommission vorgegebene) technische Kriterien erfüllen.
In der aktuellen Fassung der Taxonomie-Verordnung können u.a. Krankenhäuser und Pflegeeinrichtungen im Klassifizierungssystem dem Bereich „Gesundheits- und Sozialwesen“ zugeordnet werden. Im Rahmen einer „robusten Klimarisikos- und Vulnerabilitätsbewertung“ müssen diese Einrichtungen v.a. die Auswirkungen des Klimawandels auf die Gesundheit der Patientinnen und Patienten sowie Bewohnende und den Betrieb sowie mögliche Anpassungslösungen (z.B. Gebäudekühlung, Sonnenschutzsysteme) bewerten. Sowohl der Betrieb eines Krankenhauses (Pflegeheimes etc.) als auch die Vermietung von Seniorenwohnen und der Bau neuer Einrichtungen werden demnach als taxonomiefähige Wirtschaftstätigkeit eingestuft, für die es detaillierte Vorgaben zu beachten gilt. Anhand der Parameter Umsatzerlöse und Investitionsausgaben sowie Betriebsausgaben muss demnach dargestellt werden, wie hoch der Anteil der taxonomiefähigen (nachhaltigen) Wirtschaftstätigkeiten an den Gesamtaktivitäten der Gesundheitseinrichtung ist. Die in Tabelle 2 dargestellten Kennzahlen beziehen sich ausschließlich auf die Umweltziele Klimaschutz und Anpassung an den Klimawandel. Gemäß den EU-Vorgaben ist beispielsweise der Neubau eines Pflegeheimes taxonomiekonform, wenn der Primärenergiebedarf des Gebäudes mindestens zehn Prozent unter dem nationalen Schwellenwert für Niedrigstenergiegebäuden liegt.
Geschäftsführung ist verantwortlich für den Nachhaltigkeitsbericht
Die Verantwortlichkeit für die verlässliche und zutreffende Nachhaltigkeitsberichterstattung liegt hier bei der Geschäftsführung und dem Aufsichtsrat. Die Praxis zeigt, dass die betroffenen Gesundheitseinrichtungen das zugrundeliegende Reporting z.B.
- Erfassung der Emissions- und Verbrauchsdaten der Immobilien;
- Energieverbrauch pro Quadratmeter
erst einmal aufbauen müssen. Die Informationsbeschaffung wird erfahrungsgemäß einen erheblichen zeitlichen Vorlauf benötigen. Es gilt, unternehmensspezifische Nachhaltigkeitsfaktoren und Nachhaltigkeitsziele zu definieren und messbar zu machen, entsprechende Prozesse zu installieren, personelle Ressourcen bereitzustellen und IT-Lösungen zur Datenerfassung zu implementieren Die Betreiber von Gesundheitseinrichtungen sollten sich daher zeitnah mit den neuen Anforderungen auseinandersetzen und in die strategischen Überlegungen einbeziehen.
Kontakt zum Autor
Dipl.-Kfm. Matthias H. Appel ist Wirtschaftsprüfer und Partner von Solidaris, m.appel@solidaris.de