Geplantes Gesetz GKV-Rettungsplan erntet scharfe Kritik

Die geballte Ablehnung lässt nicht lange auf sich warten. Nachdem Bundesgesundheitsminister Prof. Karl Lauterbach (SPD) seine Eckpunkte zur Rettung der GKV-Finanzen bekanntgegeben hat, hagelt es Protest an den Gesetzesplänen.

Protest GKV-Finanzen
Lauterbachs Vorhaben für die GKV-Finanzen ernten viel Kritik. – © Pineapple studio (stock.adobe.com)

Lauterbach muss für 2023 das historische Defizit in der gesetzlichen Krankenversicherung von 17 Milliarden Euro beseitigen. Diese Zahl nennt er. Experten gehen mittlerweile vom 20 bis 25 Milliarden aus. Schuld allein sei nicht nur die Corona-Pandemie und die dadurch verursachten Kosten, sondern auch sein Vorgänger Jens Spahn (CDU), sagt Lauterbach. Von dem habe er das Defizit zum großen Teil „geerbt“. Der habe teure Gesetze auf den Weg gebracht und Strukturreformen versäumt. Lauterbach: „Wir sind in einer schwierigen Lage, aber wir werden sie meistern.“

GKV-Finanzen: Beitragssatzerhöhungen und weitere Maßnahmen geplant

Der Minister kündigt Beitragssatzerhöhungen um 0,3 Prozentpunkte an und erhofft sich davon circa 4,8 Milliarden Euro. Ferner geplant sind die Erhöhung des Bundeszuschusses um zwei Milliarden Euro und ein Bundesdarlehen in Höhe von einer Milliarde Euro. Außerdem will der Minister in die Reserven der Krankenkassen (vier Milliarden Euro) und des Gesundheitsfonds (2,4 Milliarden Euro) greifen. Die übrigen drei Milliarden Euro sollen durch Effizienzhebungen freigesetzt werden. Dabei plant Lauterbach, der pharmazeutischen Industrie eine Milliarde Euro als „umsatzabhängige Solidarabgabe“ abzuknüpfen. Ferner sind Änderungen am AMNOG-Verfahren vorgesehen. Den Niedergelassenen will der Sozialdemokrat die Entbudgetierung bei Neupatienten streichen. Auch Doppelzahlungen beim Selbstkostendeckungsprinzip im Pflegebudget der Krankenhäuser müssten „bereinigt“ werden.

An seinem großen Ziel hält Lauterbach fest: Keine Leistungskürzungen. Einen konkreten Zeitplan im Gesetzgebungsverfahren nennt der Sozialdemokrat allerdings nicht.

Holetschek kritisiert höhere GKV-Zusatzbeiträge

Bayerns Gesundheitsminister Klaus Holetschek hat in der Debatte um höhere Zusatzbeiträge in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) seine Kritik verschärft und umfassende Strukturreformen gefordert. Holetschek betonte am Donnerstag, 29. Juni 2022, in München: „Es ist kurzsichtig, das große Finanzloch der gesetzlichen Krankenkassen v.a. mit Rücklagen und höheren Beiträgen zu stopfen, wie es Bundesgesundheitsminister Lauterbach nun plant.“ Man brauche vielmehr wichtige Strukturreformen, die die Finanzierung der GKV langfristig auf ein solides Fundament stellen. Das Aufbrechen von Reserven mache das System „nur noch verletzlicher“.

Die CDU/CSU-Fraktion kritisiert Lauterbachs mündliche Eckpunkte ebenfalls. Die Solidarabgabe sei „reines Gift für den Forschungsstandort Deutschland“, urteilt Fraktionsvize Sepp Müller.

Kritik an Maßnahmen für GKV-Finanzen kommt von allen Richtungen

Die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) zeigt sich stark irritiert, ob der Abschaffung der Entbudgetierung bei der Aufnahme von Neupatienten. „Das Vorhaben stellt sich für die Versicherten, die einen Termin erhalten wollen, auch als echte Leistungskürzung dar“, tadelt KBV-Chef Dr. Andreas Gassen den Minister.

Für Dr. Doris Pfeiffer, Chefin des GKV-Spitzenverbandes, würde diese Reform den Kassen höchstens eine „finanzielle Atempause“ verschaffen. „Dabei ist das erneute zwangsweise Herunterfahren der Reserven der Krankenkassen nicht ohne Risiko! Das Aufbrauchen von Rücklagen, ein kleiner Extra-Bundeszuschuss in Verbindung mit einem Bundesdarlehen und Beitragserhöhungen sind keine solide und nachhaltige Finanzierung der gesundheitlichen Versorgung von 73 Millionen gesetzlich Versicherten“, erklärt Pfeiffer. Sie betont, dass es nun auf die konkrete Ausgestaltung im Gesetzestext ankomme. Ob die geplante Beitragssteigerung von 0,3 Prozent ausreiche, sei noch offen. Sicher ist laut GKV-Spitzenverband, dass die Politik „nun wohl auch die letzten Rücklagen der Krankenkassen für kurzfristige Effekte verbraucht“.

Auch der Vorstandsvorsitzende der AOK Baden-Württemberg Johannes Bauernfeind hält die vorgestellten Eckpunkte zum GKV-Finanzstabilisierungsgesetz für unzureichend: „Die Maßnahmen erfüllen nur punktuell unsere Erwartungen, einzelne Punkte gehen an der Problemstellung vorbei. Wiederholt soll auf die Rücklagen der gesetzlichen Krankenkassen zurückgegriffen und der Beitrag für die Versicherten und deren Arbeitgeber spürbar erhöht werden, während nachhaltige Reformen ausbleiben. Dadurch können jedoch nur kurzfristig Lücken in der Finanzierung gestopft werden.“ Positiv bewertet er aber, dass keine Leistungskürzungen vorgenommen werden sollen.