Kommentar Gerechtigkeit ins Krankenhaussystem holen

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Digitalisierung
Prof. Dr. David Matusiewicz, Dekan und Institutsdirektor, FOM Hochschule Digitalisierung und Gesundheitswesen – © Matusiewicz

Prof. Dr. David Matusiewicz nimmt im Kommentar Bezug die Rolle von Digitalisierung im Kontext von Gesundheitsgerechtigkeit.

Health Equity bedeutet übersetzt gesundheitliche Chancengleichheit. Hierbei werden soziale Determinanten der Gesundheit betrachtet. Es geht dabei allerdings nicht darum, jedem Einzelnen die gleichen Ressourcen zur Verfügung zu stellen (dies wäre Gleichheit), sondern vielmehr darum, dass eine gesundheitliche Chancengleichheit erreicht wird, die sich je nach individuellem Bedarf unterscheiden kann. Es stellt sich hierbei die Frage, ob die Digitalisierung helfen kann, bei den Personen, die bislang eine Benachteiligung erfahren haben, eine generelle oder zumindest punktuelle Verbesserung darzustellen.

Es gibt zunächst einmal Unterschiede in der Qualität der Gesundheit und der Gesundheitsversorgung zwischen verschiedenen Bevölkerungsgruppen. Betrachtet man die Variable Geschlecht, so ist hier z.B. problematisch, dass die Studien zur Medikamentenentwicklung meist bei männlichen Probanden durchgeführt werden und in der Versorgungsrealität dann auch bei Frauen angewendet werden. Hier stellt sich eine Verzerrung (Bias) ein, die womöglich zu einer gesundheitlichen Chancenungleichheit führen kann. Dies sind an der Stelle eher forschungsgetriebene Faktoren. Gesundheitliche Ungleichheiten sind zum Teil auch auf kulturelle Faktoren zurückzuführen, die nicht nur auf dem Geschlecht, sondern auch auf dem Status beruhen. So gab es z.B. in China aufgrund des kulturellen Phänomens der Bevorzugung männlicher Kinder Unterschiede in der medizinischen Behandlung von Männern und Frauen, die sich allerdings in jüngster Zeit verringert haben. In den USA ist beispielsweise Rassismus ein großes Thema, so dass zahlreiche Studien gezeigt haben, dass People of Color auch als Patientinnen und Patienten benachteiligt werden. So hat die American Medical Association (AMA) jüngst in Zusammenarbeit mit dem Brigham and Women‘s Hospital und der Joint Commission ein Lernnetzwerk ins Leben gerufen, das Krankenhaussystemen dabei helfen soll, Gesundheitsgerechtigkeit in ihre Qualitäts- und Sicherheitspraktiken zu integrieren.

Digitalisierung schafft Transparenz und eine verbesserte Kommunikation. Dadurch wird zum einen eine bessere Forschung rund um die gesundheitliche Chancenungleichheit möglich. Ungleichheiten werden so schneller in erhobenen Daten sichtbar und können diskutiert werden. Auch gibt es heute spezifische digitale Angebote zu dem Thema. Samesky Health, eine in Los Angeles ansässige Plattform für Versorgungsnavigation, die sich auf multikulturelles Engagement und gesundheitliche Chancengleichheit konzentriert, unterstützt benachteiligte Bevölkerungsgruppen. Darüber hinaus sorgen mehr digitale Technologien dafür, dass z.B. eine höhere Objektivität vorliegt, als es vom Faktor Mensch zu erwarten ist. So ist davon auszugehen, dass ein Chatbot z.B. keinen Unterschied zwischen Geschlecht oder Herkunft eines Menschen, der zur Behandlung kommt, macht. In Zukunft können Medikamentenstudien im digitalen Raum stattfinden. So können auch besser geschlechtsspezifische Studien simuliert werden. Auch eine Rekrutierung findet durch Studienplattformen wie Probando aus der Schweiz digital statt, so dass hier auch bereits bei der Rekrutierung der Studienteilnehmenden besser auf eine ausgewogene Verteilung geachtet werden kann.

In der Zukunft hat jeder Mensch mit Behandlungsbedarf weiterhin das unbedingte Recht auf eine sichere und gerechte Gesundheitsversorgung, die Digitalisierung assistiert bei der besseren Umsetzung.

Ihr

Prof. Dr. David Matusiewicz

Dekan und Institutsdirektor, FOM Hochschule Digitalisierung im Gesundheitswesen | Digitale Gesundheit, Kontakt: david.matusiewicz@gmail.com