Klinikmarkt
Reform im Konsens – das ist ein geeigneter Weg in die Versorgung der Zukunft, urteilen Krankenhausorganisationen. Vor dem Hintergrund des Bund-Länder-Treffens zur Krankenhausreform von Anfang Januar stellen sie aus ihrer Sicht notwendige Komponenten für die Ausgestaltung eines Gesetzentwurfs vor.
Ein gemeinsamer Gesetzentwurf – das ist aus Sicht der Krankenhäuser eine gute Botschaft, so das Urteil von Dr. Gerald Gaß. Die Akteure hatten sich auf eine besondere Herangehensweise geeinigt, die die grundgesetzlich verankerten Hoheitsrechte der Länder für die Krankenhausplanung berücksichtigt: Ein Gesetzentwurf soll gemeinsam von Bund und Ländern noch vor der Sommerpause erarbeitet werden. Dies schaffe Planungssicherheit für die Kliniken, betonte der DKG-Vorstandsvorsitzende. Er begrüßte die angedachten Länderöffnungsklauseln, durch die regionalspezifische Aspekte der Versorgung Berücksichtigung finden können. Dies sei von besonderer Bedeutung für die Bevölkerung im ländlichen Raum. Unbefriedigend sind laut DKG die Aussagen im Kontext der Unterfinanzierung der Betriebskosten sowie bei der noch immer nicht ausreichenden Investitionsfinanzierung. Bei der Refinanzierung der inflationsbedingten Mehrkosten genüge es nicht, auf die Energiekosten zu schauen.
DKG: Krankenhausreform greift über Krankenhäuser hinaus
„Die Erweiterung ambulanter Versorgungsangebote am Krankenhaus, Standortzusammenschlüsse und Qualitätsentwicklungen: all das sind zentrale Themen einer Reform“, sagte Gaß gegenüber HCM; „und damit wird deutlich, dass wir nicht nur über eine Krankenhausreform sprechen, sondern über grundlegende Weichenstellungen für die zukünftige Patientenversorgung in Deutschland.“ Die Krankenhausfinanzierung der Zukunft solle aus Sicht der DKG auf drei Säulen aufbauen: „Zum einen müssen wir umgehend das leistungsbezogene Entgeltsystem mit einer Komponente flankieren, die die Vorhaltefinanzierung berücksichtigt. Dass der reine Leistungsbezug nicht ausreicht, hat sich spätestens in der Pandemie gezeigt.“ Für diesen Zweck schlägt Gaß Vorhaltepauschalen vor, die den Krankenhäusern Sicherheit geben. „Ein zukunftsfähiges Vergütungssystem muss also die Vorhaltung von bedarfsnotwendigen Versorgungsangeboten stärker als bisher berücksichtigen, die Notfallversorgung der Bevölkerung zu jeder Zeit sicherstellen, die ambulanten Behandlungsmöglichkeiten der Krankenhäuser stärker nutzen und die notwendige Flexibilität bieten, in den Regionen gleichwertige Lebensverhältnisse zu erreichen“, so der Vorstandsvorsitzende. Die zweite Säule sei die adäquate Vergütung klinisch-ambulanter Leistungen am Krankenhaus, um das ambulante Potential bisher vollstationärer Versorgung zu heben. Die dritte Säule bilde eine Investitionskostenfinanzierung, die die tatsächlichen Bedarfe decke und damit die Perspektive biete, Prozesse möglichst ressourcenschonend aufzusetzen.

VKD: Krankenhausreform – gut gedacht wird gut gemacht?
Was in den letzten Jahren vom Gesetzgeber in der Praxis ankam, waren oft Bürokratie und Verschlechterungen, so Dr. Josef Düllings zurückblickend. „Nach Aufschlag des Bundes und Einbindung der Länder haben wir die Sorge, dass Regelungen festgelegt werden, wozu wir aus Sicht der Praxis keine Korrekturen mehr vorschlagen können“, unterstrich der VKD-Präsident und Krankenhausgeschäftsführer in Paderborn.
- Nach dem Krankenhausfinanzierungsgesetz bestehe die erste Priorität des Gesetzgebers in der „wirtschaftlichen Sicherung der Krankenhäuser.“ Hierzu wurden schon Teilbeträge aufgerufen, die aber laut Dr. Düllings die Lücken aus 2022 nicht schließen: „Damit eskaliert die finanzielle Bedrohung 2023 in zweistelliger Milliardenhöhe. Die Folgen sind schon jetzt Abbau von Angeboten und Abrisse in der Patientenversorgung.“
- Ein zweiter Punkt soll die Entökonomisierung werden, beobachtet der VKD-Präsident. „Immer wenn Geld im Spiel ist, kann ökonomisches Handeln jedoch nicht ausgesetzt werden. Gerade in den ersten Jahren der Fallpauschalen hatten wir in der Patientenversorgung keine Mangelverwaltung. Diese trat erst mit Kürzungsgesetzen ab 2012 ein. Auch wurde der Pflegekräftemangel erst mit dem Pflegepersonalstärkungsgesetz eskaliert.“ Der Hauptfaktor der Ökonomisierung ist ist laut Düllings jedoch die Unterfinanzierung der Investitionen – „ein Killerfaktor, den viele Bundesländer mittlerweile erkennen. Deswegen müssen die Länder die Krankenhausreform mitgestalten“.
- Ein dritter Punkt, so Düllings, sei die Sektorengrenze, die man mit dieser „Revolution“ ebenso wenig überwinden werde. Ziel sollte die ambulant-fachärztliche Versorgung am Krankenhaus sein, weil für Patienten so Prozessketten geschlossen werden können – „eine deutliche Qualitätsverbesserung“. Zudem spiele Ökonomie auch hier eine Rolle; denn nach zwanzig Jahren Fallpauschalen liege die Verweildauer immer noch bei sechs Tagen, weil Prozessketten zur vor- und nach-stationären Versorgung nicht geschlossen seien. „Kliniken in anderen EU-Ländern liegen unter drei Tagen bei vergleichbarer Qualität durch Vermeidung von Doppeldiagnostik und Doppeltherapie.“
- Als vierten Punkt sieht der VKD-Präsident die zukunftssichere Gestaltung der Strukturen, die ohne Berücksichtigung ambulanter Versorgung und der Versorgung in ländlichen Regionen nicht gelingen könne: „Für eine sinnvolle Standortkonzentration wären nach Erfahrungen anderer Länder über 100 Milliarden Euro erforderlich“. Ob Bund und Länder angesichts der Krisen diese Mittel haben oder bereitstellen wollen, ist aus Sicht von Düllings zweifelhaft. Die Alternative laufe gerade – in Form der geduldeten kalten Strukturbereinigung. „Wie lange dies politisch akzeptiert wird, ist derzeit nicht absehbar. Erste Alarmsignale kommen aus Kinderkliniken und Geburtshilfen.“
AKG: mit Kompromissen bestehende Reformansätze integrieren
„Die AKG-Kliniken begrüßen die konstruktive Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern für einen abgestimmten Einstieg in den Gesetzgebungsprozess zur Krankenhausreform“, fasste Dr. Matthias Bracht zusammen. Die vorliegenden Reformideen seien ganz überwiegend nicht neu. „Durch die Regierungskommission wurde daraus ein systemisches Konzept mit anreizgerechten Instrumenten als Arbeitsgrundlage“, so das Urteil des Vorstandsvorsitzenden der Allianz Kommunaler Großkrankenhäuser und Geschäftsführers Medizin KRH Klinikum Region Hannover. Auf dieser Basis ließen sich bestehende Reformen der Bundesländer systematisch integrieren und bundeseinheitlich weiterentwickeln. „Natürlich braucht es hierzu weitere Konkretisierungen und Kompromisse. Insofern ist die Berücksichtigung von Eckpunkten aus der Gesundheitsministerkonferenz und die weitere Begleitung durch die Regierungskommission eine neue, aber unterstützenswerte Vorgehensweise.“
Schrittweiser Einstieg in die Krankenhausreform wünschenswert
Eine kurzfristige Sicherung der wirtschaftlichen Situation in den Krankenhäusern und die notwendigen Investitionsmittel für den Umbau der Strukturen sind laut Bracht selbstverständlich zwingend erforderlich, sie dürften jedoch die inhaltliche Auseinandersetzung über eine nachhaltig tragfähige Versorgung nicht überdecken. „Unabhängig von den bereitgestellten Finanzmitteln aus öffentlichen Haushalten werden wir aufgrund des Personalmangels schon mittelfristig nicht in der Lage sein, die bestehenden Versorgungsstrukturen und Versorgungsprozesse in gewohnter Art und Weise fortzuführen.“ Insofern, betonte der AKG-Vorstandsvorsitzende, sei ein schrittweiser Einstieg in die Reformagenda geboten. „Die ersten Maßnahmen könnten nach dem heute vorgestellten Zeitplan bereits Anfang 2024 wirksam werden“, sagte Bracht nach dem Bund-Länder-Treffen. „In einem ersten Schritt sollten unbedingt bundeseinheitliche Versorgungsstufen definiert werden, die durch eine Strukturpauschale entsprechend der jeweiligen Strukturanforderungen je Stufe gestärkt werden.“ Diese Vorgehensweise sei bereits im Rahmen der Notfallstufen etabliert und wäre kurzfristig durch den Bund umsetzbar. Gleichzeitig schaffe diese Vorgehensweise Anreize in den Bundesländern, die Strukturen entsprechend der Versorgungsstufen umzubauen – und gebe den Krankenhäusern eine klare Perspektive für ihre jeweilige Versorgungsrolle in einem künftigen System aus Versorgungsstufen und Leistungsgruppen.