Mitarbeiterzufriedenheit leben Gekommen, um zu bleiben: So gelingt die Bindung

Gilt es die Zufriedenheit der Mitarbeitenden langfristig zu steigern, sollten sich Führungskräfte auf einen „Marathon“ einstellen. Kontinuierliches Arbeiten an den richtigen Stellschrauben, kann echte, nachhaltige Veränderungen bewirken. Ein Einblick in das Wie. Auch 2023 lässt uns das Thema Mitarbeitende und Fachkräfte nicht los. Denn im vergangenen Jahr ist es uns wieder einmal nicht gelungen, eine geeignete Strategie zu finden, die flächendeckend dabei hilft, die Attraktivität der Arbeitsplätze im Gesundheitswesen zu steigern. Die VUKA-Welt, in der wir heute leben (Abkürzung für Volatilität, Unsicherheit, Komplexität und Ambivalenz), lässt Unternehmen aber keine andere Wahl. Oder positiv formuliert: Jetzt besteht die Chance, es anders und besser zu machen. Denn das Ziel ist es doch, frei nach dem Wir-sind-Helden-Song: Mitarbeitende sollen kommen, um zu bleiben. Die Fakten sprechen aktuell allerdings eine eindeutige Sprache: Eine höhere Empathie des Vorgesetzten würde 92 Prozent aller Mitarbeitenden dazu veranlassen, bei ihrem Arbeitgeber zu bleiben (Quelle: Businesssolver).Es ist nicht immer das Geld: Nach CareerBuilder.com kündigen nur zwölf Prozent aller Mitarbeitenden ihren Arbeitsplatz, weil sie mehr verdienen wollen.76 Prozent der befragten Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen in einer Lifeworks-Umfrage suchen nach einem neuen Job, wenn sie sich bei der jetzigen Arbeit nicht wertgeschätzt fühlen. Beschäftigte der Generation X (Jahrgänge 1961 bis 1980) empfinden das höchste Stresslevel und daher Risikogruppe Nummer 1, ihren Job zu kündigen (Quelle: Hayes).Die Wahrscheinlichkeit von früher Mitarbeiterfluktuation wird durch schlechtes Onbording verdoppelt (Quelle: Digittate). Und nein, diese Studien stammen nicht aus dem Gesundheitswesen, sondern sind branchenübergreifend repräsentativ für den Arbeitsmarkt. Denn: Im Gesundheitswesen ist die Lage noch deutlich heikler. Krankheitsquoten, wie in einer Endoskopie in Berlin von mehr als 25 Prozent, bringen nicht nur das Team in eine kontinuierliche Überbelastung. Sie zeigen aus, wo es klemmt. Nämlich in der Mitarbeiterzufriedenheit. Und da kommt nun die Zwei-Faktoren-Theorie des amerikanischen Arbeitspsychologen Frederick Herzberg ins Spiel. Denn die Ursachen für Unzufriedenheit liegen sowohl in den Hygienefaktoren (Mitarbeiterführung, Sicherheit, Arbeitsbedingungen etc.) wie auch in Motivationsfaktoren (Anerkennung, Aufstiegschancen, Selbstbestimmung etc.). Zufriedenheit und Bindung hängen zusammen Es gibt zwei entscheidende Größen, die uns Rückschlüsse auf die Mitarbeiterzufriedenheit geben: Absentismus und Präsentismus. Mit Absentismus ist umgangssprachlich die Abwesenheit des Mitarbeitenden vom Arbeitsplatz gemeint. Das lässt sich am einfachsten über die AU-Quote nachvollziehen. Präsentismus bedeutet, dass Mitarbeitende trotz Krankheit arbeiten gehen. Das hat zur Folge, dass sie am Arbeitsplatz zwischen 20 Prozent und 50 Prozent Leistungsverlust haben, weil sie physisch oder psychisch nicht in der Lage sind, ihre Arbeit zu erledigen. Beide Größen werden direkt von Mitarbeiterzufriedenheit beeinflusst. Häufig fallen am Arbeitsplatz Sätze wie „Was anderes außer Krankschreibung verstehen die da oben nicht“ oder „Ich habe einfach keine Lust mehr, das dauernd auszuhalten“. Umgekehrt schildern Führungskräfte Situationen, in denen sich Mitarbeitende montags oft krankmelden, wenn sie freitags ein negatives Feedback bekommen haben. Selbstverständlich gehören kranke Teammitglieder nach Hause. Aber wenn Krankheit das letzte Mittel ist, um eine schlechte Kultur, fehlende Kommunikation und andere Arbeitsbedingungen auszugleichen, ist der Handlungsbedarf nicht von der Hand zu weisen. Dauerhafte Unzufriedenheit führt zu Krankheit und schlussendlich zur (inneren) Kündigung. Mitarbeiterzufriedenheit gezielt steigern Taktisch klug sollte das Vorgehen im Sinne der Mitarbeiterzufriedenheit sein. Folgende Schritte sind dabei wichtig: 1. Verantwortlichkeiten übertragen Auch wenn ein Feel-Good-Manager im Gesundheitswesen eher die Ausnahme ist, so hat eine solche Stelle viele Vorteile. Eine feste Person zu haben, die sich ausschließlich um die Bedürfnisse der Mitarbeitenden kümmert, bringt mehr in die Umsetzung als ein jährliches Führungskräftemeeting mit 20 Personen. Mitarbeiterzufriedenheit muss auf der Agenda stehen und zwar jeden Tag und rund um die Uhr. Nur dann kann eine nachhaltige Verbesserung erzielt werden. Mit einem Feel-Good-Manager im Team haben alle Mitarbeitenden auch eine feste Vertrauensperson, die sie bei individuellen Fragen ansprechen dürfen. Alternativ kann auch ein Expertenteam mit Vertretern aus HR, Employer Branding und Kommunikation gegründet werden. 2. Analysieren und (selbstkritisch) hinterfragen Gezielte Mitarbeitergespräche und -befragungen sind ein erster Indikator. Auch ein Blick auf Arbeitgeberbewertungsplattformen wie kununu legen Ansätze offen. Gleichzeitig braucht es valide Zahlen aus dem Personalcontrolling. AU-Quote, die Fluktuationsquote und weitere Kennzahlen nach Abteilungen geben Aufschluss über mögliche Ansatzpunkte. Überdurchschnittliche Fehlerquoten sind ebenfalls aufschlussreiche Impulse. Extern moderierte Teamevents geben die Chance, Punkte offenzulegen, ohne sich in emotionale Diskussionen zu verlieren. Von Krankenkassen werden ebenfalls Präventionsanalysen in Bezug auf Mitarbeitergesundheit teilweise kostenfrei angeboten. 3. Strategische Planung Ziele und Meilensteine müssen klar definiert sein. Was ist realistisch? Und dabei sollten natürlich alle Führungskräfte mitziehen. Welche Handlungsfelder in den Fokus rücken, gibt die Analyse vor. Braucht es grundsätzlich neue Arbeitsbedingungen im Team? Gibt es regelmäßig Konflikte, die belasten und deswegen dringend aufgelöst werden müssen? Sind Resilienz- und Respekttrainings notwendig, um mit Veränderungen und neuen Anforderungen besser umgehen zu können? Dabei gilt: Nichts muss, alles darf. Am besten in dieser Phase auch Inspiration aus anderen Branchen und Unternehmensstrukturen einholen. 4. Kontinuierliche Umsetzung Ein einzelner Workshop, ein emotionales Teamevent oder eine besondere Ansprache reichen nicht aus, um die Mitarbeiterzufriedenheit nachhaltig zu erhöhen. Die Unternehmenskultur und das Miteinander müssen jeden Tag immer wieder aufs Neue gelebt und verinnerlicht werden. Es ist Aufgabe der Führungskräfte, in einer Organisation Veränderungen innerhalb ihrer Teams wahrzunehmen und gegebenfalls nachzusteuern. Und egal ob Feel-Good-Manager oder ein intern gebildetes Team: Es braucht feste Maßnahmen fürs ganze Jahr, aber auch spontane Kampagnen und Ideen, um kurzfristig auf diese Veränderungen reagieren zu können. Denn Mitarbeiterzufriedenheit ist kein Sprint, sondern ein Marathon. 4 Fragen an ... Stephan Graue. ... Stephan Graue, operative Geschäftsleitung bei der AWO Seniorendienste Niederrhein gGmbH. Im Folgenden gibt er einen Einblick in die Themen Mitarbeiterbindung und -zufriedenheit aus Sicht der Pflege- und Altenpflege. Diese beiden Professionen kämpfen aktuell mit am stärksten um Mitarbeiterbindung: 1 Was sind die häufigsten Ursachen in den letzten Jahren gewesen, warum Mitarbeitende aus der Pflege das Unternehmen wechseln? Graue: Einige der häufigsten Gründe sind bessere Gehaltsstrukturen und Benefits oder andere Karriere- und Förderungsmöglichkeiten. Aber es spielen natürlich auch zwischenmenschliche Aspekte mit rein, wie etwa der Mangel an Anerkennung und Respekt sowie fehlende Schulungen und Entwicklungsmöglichkeiten beim aktuellen Arbeitgeber. Aber: Diese Gründe gelten nicht pauschal für alle Mitarbeitenden, sondern müssen immer individuell betrachtet werden. 2 Welche typischen Fehler machen Arbeitgeber derzeit rund um die Mitarbeiterzufriedenheit? Graue: Hier kann man vieles nennen, aber der größte Fehler ist wohl, dass Arbeitgeber die Mitarbeiterzufriedenheit häufig gar nicht erst erheben und so die Augen verschließen vor dem, was sie nicht schwarz auf weiß vor sich haben. 3 Welche Revolution braucht es, damit Mitarbeitende und Arbeitgeber langfristig verbunden bleiben? Graue: Pflege muss überall stattfinden. Sie muss sich integrieren und partizipieren. Es darf nicht über, sondern es muss mit der Pflege gesprochen werden. Das bedeute Kongressformate grundsätzlich interdisziplinär zu besetzen und neue Kommunikationskanäle wie beispielsweise LinkedIn Audio Events zu nutzen. Hauptsache der Diskurs findet in der Breite und in der Tiefe statt. Das schafft Perspektivwechsel und bringt am Ende auch Arbeitgeber und Mitarbeitende wieder enger zusammen. 4 Eine persönliche Frage: Was macht für Sie einen Arbeitag aus, an dem Sie zufrieden nach Hause gehen? Graue: Ein Tag, an dem ich das Gefühl habe, dass ich meine Arbeit gut erledigt habe und dass ich mich in meiner Arbeit wohl fühle. Zeit sinnvoll zu nutzen und gut mit dem Team zusammenzuarbeiten sind Teil einer positiven Arbeitsatmosphäre und geben mir das Gefühl, etwas zu bewirken. Respekt und Wertschätzung auf die Tagesordnung Wie wir aus vielen Mitarbeiterbefragungen und Studien wissen, sind Respekt und Wertschätzung das, was jeder und jede Mitarbeitende unbedingt am Arbeitsplatz erfüllt wissen möchte. Gleichzeitig gibt fast jedes Teammitglied an, dass im eigenen Unternehmen genau da noch Luft nach oben ist. Leider können wir nicht davon ausgehen, dass jeder diese Werte über die Kinderstube mitbekommen hat. Unternehmen und damit auch Healthcare-Einrichtungen haben die Chance, sie fest in ihr betriebliches Wertesystem zu integrieren. Dafür hilft es beispielsweise spezielle Schulungen für neue Mitarbeitende, Studierende, Auszubildende und Praktikanten durchzuführen. Auch gibt es mittlerweile Ausbildungen zu Respekt-Trainern. Eigene Mitarbeitende speziell für solche Disziplinen auszubilden und interne Trainings geben zu lassen, zeigt dem gesamten Team, welchen Stellenwert Respekt im Unternehmen hat. Die schlechte Nachricht ist: Es gibt nicht eine Maßnahme, die unsere aktuelle Situation zum Positiven verändert. Aber jeder Arbeitgeber hat die Chance, es für sich und seine Mitarbeitenden richtig gut zu machen. Dafür braucht es ein bisschen Kreativität, Durchhaltevermögen und guten Willen. Kontakt zur Autorin: Tanja Heiß, Geschäftsführerin, ID-Native GmbH, Coach, Kontakt: tanja.heiss@id-native.com

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