Chancen nutzen durch korrekte und sachliche Information Game-Changer Corona-Impfstoff

Seit der Zulassung der Covid-19-Impfstoffe steigt die Hoffnung auf Normalität. Doch nur wenn sich ein Großteil der Bevölkerung geimpft ist, kann es dazu kommen. Jeder kann ein Vorbild sein und zur seriösen Kommunikation von Fakten beitragen. Helfen kann dabei dieser Überblick.Impfstoffe gelten als vielversprechendste Mittel, um sich selbst vor Covid-19 zu schützen und die Pandemie einzudämmen. Eine sogenannte Herdenimmunität, bei der ein Großteil der Bevölkerung gegen das Virus immun ist, wird erst bei einer Durchimpfungsrate von 60 bis 70 Prozent erreicht sein. Doch auch wenn immer mehr Impfstoffe zugelassen werden, hat die Bereitstellung der Impfdosen ihre Tücken. So lassen sich die Produktionskapazitäten der Unternehmen nicht von heute auf morgen steigern oder die hochkomplexe Technologie in weiteren Unternehmen einfach und schnell etablieren, wie allenthalben gefordert wird. Außerdem darf bei all der Diskussion über Impfstoffverfügbarkeit, Sicherheit und Priorisierung nicht vergessen werden, dass die Impfbereitschaft der Bevölkerung ein wichtiger Faktor für den Erfolg der Kampagne ist (Epid. Bulletin 2/2021). Zurückhaltung versus Impfbereitschaft Laut Statistischem Bundesamt (Destatis) arbeiten 5,7 Millionen Beschäftigte im deutschen Gesundheitswesen, davon 3,63 Millionen mit direktem Patientenkontakt, sei es im Krankenhaus oder anderen stationären Einrichtungen, Arztpraxen, Apotheken oder Laboren. Sie alle zählen zu den ersten zwei Priorisierungsgruppen, die im Coronavirus-Impfgesetz auf Empfehlung der Ständigen Impfkommission (STIKO) festgelegt wurden (Epid. Bulletin 2/2021). Doch wie Umfragen des RKI-Monitorings, privater Umfrageinstitute und der Deutschen Gesellschaft für Internistische Intensivmedizin und Notfallmedizin (DGIIN/DIVI) zeigen, ist nicht nur die Allgemeinbevölkerung, sondern auch ein Teil der Beschäftigten im Gesundheitswesen noch zurückhaltend in Sachen Impfung. So ist etwa jeder zweite des pflegenden und jeder vierte des ärztlichen Personals noch unentschlossen oder nicht bereit, sich impfen zu lassen. Deshalb rief der Präsident der DGIIN Anfang Januar in einer Videobotschaft alle Mitarbeitenden des Gesundheitssystems dazu auf, mit gutem Beispiel voranzugehen und sich impfen zu lassen (Weese, J. 2021). Gewisse Vorbehalte bei Impfungen sind nicht ungewöhnlich, doch welche Faktoren bestimmen eigentlich die Impfbereitschaft? Wissenschaftler der Universität Erfurt und der RWTH Aachen stellten anhand von Befragungen die wichtigsten Punkte zusammen: Vertrauen in die Impfung (Confidence), Wahrnehmung der Erkrankungsrisiken (Complacency), Hindernisse bei Inanspruchnahme der Impfung (Convenience) und Verantwortungsgefühl für die Gemeinschaft (Calculation). Der Anteil von echten Impfgegnern, die sich entschlossen gegen eine Impfung stemmen, wird nur im einstelligen Prozentbereich geschätzt, auch wenn diese Haltung immer wieder durch Fake News in den sozialen Medien beflügelt wird. Hier sind evidenzbasierte Berichterstattung, gute Argumente und einfache Erklärungen gefragt, um diesen Tendenzen entgegenzutreten (Schiller, M. 2020). Impfstoffpalette gegen Covid-19Die Impfstoffe von BioNTech/Pfizer, Moderna, AstraZeneca, Sinopharm und Sputnik V sind zwar die prominentesten Beispiele, doch insgesamt wird weltweit an mehr als 247 Impfstoffprojekten gearbeitet. Das Prinzip einer Impfung beruht auf der Aktivierung des Immunsystems durch das Einbringen eines Erregerantigens in den Körper. Das „vorbereitete“ Immunsystem kann dann im Fall einer echten Infektion mit Antikörpern und Immunzellen den Eindringling bekämpfen. Die verschiedenen Arten von Impfstoffen, wie mRNA-Impfstoff, Vektorvirus-Impfstoff oder inaktivierte Viren unterscheiden sich in Zusammensetzung, Lagerfähigkeit und beschriebener Wirksamkeit. Erst nach ausgiebiger Prüfung von Sicherheit und Nutzen erhalten Impfstoffe eine Zulassung in der EU (www.vfa.de). Die Tabelle gibt einen Überblick über verschiedene Impfstoffansätze. Der neue Star: mRNA Impfstoffe Der Covid-19-Impfstoff des Unternehmens BioNTech ist ein mRNA-Impfstoff und wird unter dem Handelsnamen Comirnaty vertrieben, was sich aus den Begriffen Community, Immunity und RNA zusammensetzt. Der Impfstoff enthält einzelsträngige mRNA, die als Matrize für das virale Spike-Protein wirkt. Wird der Impfstoff in den Muskel gespritzt, gelangt die mRNA in das Zellinnere, wo das Spike-Protein produziert wird. Dieses wird von der Zelle an ihre Oberfläche transportiert und den Immunzellen wie auf einem Teller präsentiert, die hierdurch aktiviert werden. Allerdings ist mRNA sehr instabil und deshalb für den Impfstoff in sogenannte Lipid-Nanopartikel (LNP) verpackt, die eine Art Hülle u.a. aus Cholesterol und PEG bilden. Dieses Verpacken ist eine gängige Methode zum Einbringen von Nukleinsäuren in Zellen, für die in Studien bereits die Unschädlichkeit gezeigt ist. Trotz der Verpackung ist mRNA sehr empfindlich für den Abbau durch zelluläre Enzyme, weshalb er mit Ultra-Tiefkühlung transportiert und gelagert werden muss und nach dem Auftauen nur kurze Zeit haltbar ist. Abgesehen von den für die Herstellung nötigen Hilfsstoffen sind keine Konservierungsstoffe oder Wirkverstärker (Adjuvantien) enthalten, die sonst häufig mit Allergien in Zusammenhang gebracht werden (Epid. Bulletin 2/2021). Der Impfschutz stellt sich etwa sieben Tage nach der zweiten Impfdosis mit einer Wirksamkeit von 95 Prozent ein, die sich aus dem Anteil der Covid-19-Fälle in der Impfgruppe im Verhältnis zum Anteil der Covid-19-Fälle in der Placebo-Gruppe errechnet. Übersetzt bedeutet dies, dass ein Geimpfter nach Viruskontakt mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht an Covid-19 erkranken wird. Damit der Impfstoff auch vor Virusmutanten schützt, sind mRNA-Sequenzen für mehrere Abschnitte (Antigene) des Spike-Proteins enthalten. Trotzdem sind neue Mutationen unbedingt im Auge zu behalten, weshalb immer wieder gefordert wird, die Sequenzbestimmung der positiv getesteten Personen wesentlich auszuweiten. Dem BioNTech-Impfstoff sehr ähnlich ist der Impfstoff des US-amerikanischen Unternehmens Moderna. Allerdings basiert dieser auf einer etwas abgewandelten Spike-Protein-Sequenz, was seine Stabilität verbessert und Transport und Lagerung bei normalen Tiefkühltemperaturen erlaubt. Die STIKO bewertet beide mRNA-Impfstoffe hinsichtlich Sicherheit und Wirksamkeit als gleichwertig. In den Studien traten im Wesentlichen nur die für Impfstoffe üblichen schwachen Reaktionen auf, wie Müdigkeit, Kopf- und Gliederschmerzen, leichte Temperaturerhöhung und leichte Schmerzen an der Einstichstelle. Schwere Nebenwirkungen waren äußerst selten und gleichermaßen in der Impfstoff- und der Placebogruppe; völlig auszuschließen sind diese aufgrund der begrenzten Probandenzahl in Zulassungsstudien natürlich nicht. Wie immer müssen Nutzen und Risiken insbesondere bei vorerkrankten Personen wie Allergikern sehr sorgfältig abgewogen werden. Wie lange der Impfschutz anhält, muss sich in Langzeitstudien noch zeigen (Epid. Bulletin 2/2021) Vektorviren-ImpfstoffeEine andere Technik wird bei dem in Großbritannien bereits eingesetzten Impfstoff von AstraZeneca und dem Sputnik-V-Impfstoff aus Russland genutzt. Bei diesen Vektorvirus-Impfstoffen ist das Gen des Spike-Proteins in ein für den Menschen harmloses Vehikel (Adenovirus-Vektor) verpackt. Solche Genfähren sind bereits aus der Gentherapie bekannt, sind aber beim Impfen Neuland. Weil DNA stabiler ist als mRNA, zeigen diese Impfstoffe eine bessere Lager- und Transportfähigkeit als mRNA-Impfstoffe (www.vfa.de). Impfung mit inaktivierten VirenAuf einer wieder anderen Technik beruht ein Impfstoff des chinesischen Unternehmens Sinopharm/Wuhan, der auch in den Vereinigten Arabischen Emiraten eingesetzt wird. Der Impfstoff basiert auf sogenannten inaktivierten Viren, wofür „echte“ Sars-CoV-2 -Viren in Zellkultur vermehrt, geerntet und anschießend chemisch inaktiviert werden. Die Viren verlieren hierdurch die Fähigkeit, sich in menschlichen Zellen zu vermehren, können aber weiterhin das Immunsystem aktivieren. Impfstoffe aus inaktivierten Viren werden in der EU bereits gegen andere Erreger wie Influenza-Viren eingesetzt, sind für Covid-19 aber derzeit nicht zugelassen (www.vfa.de). Impfstoff-Zulassung – Sicherheit geht vorDamit ein Impfstoff in der EU zugelassen werden kann, muss ein festgelegtes Studien- und Zulassungsverfahren durchlaufen werden. Ist ein Impfstoffkandidat im Labor entsprechend der Qualitätsanforderungen entwickelt, wird er in drei Phasen an Freiwilligen getestet: Phase I prüft an wenigen Probanden Verträglichkeit und Wirkung, Phase II prüft Dosierung und Impfschema und Phase III die Wirksamkeit und Verträglichkeit am großen Probandenkollektiv. Normalerweise kann die Zulassung erst nach Abschluss der Phasen beantragt werden, was in der Regel mehrere Jahre dauert. Aufgrund der Notsituation wurde im April 2020 die Pandemie-Taskforce der Europäischen Arzneimittelagentur (EMA) (Covid-ETF) zur Organisation der Entwicklung und Zulassung von Covid-19-Impfstoffen eingesetzt. Hierbei wurden die Daten andauernder Studien im sogenannten Rolling Review laufend beurteilt. Aufgrund der EU-Regularien mit Prüfung durch zwei unabhängige Bewertungsteams sowie nachfolgender Überprüfung durch den gesamten Ausschuss, dauert das europäische Verfahren trotzdem länger als das der FDA (U.S. Food and Drug Administration) in den USA, bietet aber wichtige Sicherheit. Nach positiver Empfehlung durch den Ausschuss für Humanarzneimittel (CHMP) der EMA wird eine bedingte Marktzulassung durch die Europäische Kommission erwirkt, die auf ein Jahr begrenzt und an Auflagen geknüpft ist. Bei jeder Marktzulassung, sei sie bedingt oder Standard, werden in der sogenannten Postmarketing-Phase nach der Zulassung weiterhin Nebenwirkungen und Langzeitwirkung beobachtet. Die aktuell in Deutschland zugelassenen Impfstoffe sind auf der Website des Paul-Ehrlich-Instituts vermerkt (www.pei.de; www.ec.europa.eu/; www.vfa.de). Information schafft VertrauenDie Kampagne des BMG „Deutschland krämpelt die Ärmel hoch“ stellt Informationen und Aufklärungsmaterial in einer umfangreichen Mediathek zur Verfügung. Um wiederkehrenden Bedenken in der Diskussion gut begegnen zu können, hat das Robert Koch-Institut auf seiner Website Antworten auf die 20 häufigsten Einwände gegen das Impfen mitsamt einem Poster zur Verfügung gestellt. Außerdem stehen Aufklärungsbogen in verschiedenen Sprachen zum Download bereit (https://www.rki.de/DE/Content/Infekt/Impfen/Materialien/). Literatur bei der Verfasserin.

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