Das Bayerische Oberste Landesgericht urteilte: Die grundsätzliche Verpflichtung zur Beschränkung auf das ärztliche Fachgebiet verbietet lediglich eine „systematische“ Tätigkeit des Facharztes sowie der Fachärztin außerhalb ihres Fachgebiets.
Unter Bezugnahme auf die Entscheidung des BVerfG (33, 125, 168) urteilte das Bayerische Oberste Landesgericht (01.2022 – 1 ZRR 40/20), dass die grundsätzliche Verpflichtung zur Beschränkung auf das ärztliche Fachgebiet lediglich eine „systematische“ Tätigkeit der Fachärzteschaft außerhalb ihres Fachgebiets verbiete, eine geringfügige Tätigkeit aber sehr wohl erlaubt sei. Aber selbst bei systematischer (nicht nur geringfügig) fachgebietsfremden Behandlungen, führe dies nicht zur Unwirksamkeit des Behandlungsvertrages.
Fachfremdheit von MRT-Leistungen
Gegenstand des dem Urteil zugrundeliegenden Sachverhalts war die Rechtsfrage der Fachfremdheit von MRT-Leistungen für Fachärzte und Fachärztinnen für Orthopädie, Chirurgie und Unfallchirurgie. Eine private Krankenversicherung hatte gegen die Ärzteschaft auf Rückzahlung von Honorar geklagt, das diese durch die Leistungserbringung und Abrechnung von MRT-Untersuchungen im eigenen MRT generiert hatten. Insoweit behauptete die Versicherung einen Rückzahlungsanspruch aufgrund ungerechtfertigter Bereicherung, da der Behandlungsvertrag wegen Verstoßes gegen ein Verbotsgesetz (hier: Art. 34 Abs. 1 HKaG) nichtig sei. Die Frage der Fachfremdheit von MRT-Leistungen der Fachärzteschaft für Orthopädie und Unfallchirurgie ließ das Gericht aber letztlich offen.
Zur Begründung führt das Oberste Landegericht aus, dass der Patientenschutz es nicht erfordert, einem bestimmten Fachgebiet zugeordnete Behandlungen nur durch die Ärzteschaft dieses Fachgebiets durchführen zu lassen. Dem Schutz der Patientinnen und Patienten werde durch die dem Arzt sowie der Ärztin obliegende Prüfung, ob diese aufgrund ihrer Fähigkeit und der sonstigen Umstände in der Lage sind, die Patientinnen und Patienten nach den Regeln der ärztlichen Kunst zu behandeln, und die bestehenden Haftungsrisiken Rechnung getragen. Haftungsrechtlich entscheidend sei, ob die tatsächlichen Kenntnisse und Fähigkeiten der behandelnden Ärzteschaft dem nach einem objektiv-typisierenden Maßstab zu beurteilendem medizinischen Standard genügen.
Fachärzteschaft muss die MRT-Leistung beherrschen
Der die MRT-Leistung erbringende und abrechende Arzt sowie Ärztin muss diese objektiv – dem Facharztstandard entsprechend – beherrschen. Ist das der Fall, so bestehen nach dem Urteil des Obersten Bayerischen Landesgerichts keine haftungs-, straf-, und berufsrechtlichen Risiken gegenüber der Leistungserbringung und auch nicht der Leistungsabrechnung. Ausdrücklich führt das Gericht aus, dass auch im Rahmen des § 4 Abs. 2 Satz 1 GOÄ (persönliche Leistungserbringungspflicht) es weder entscheidungserheblich sei, ob der Beklagte über eine der Zusatzweiterbildung „Magnetresonanztomografie fachgebunden-‚“ gleichwertige Weiterbildung verfügt, noch ob die von ihm vorgelegten Zeugnisse einen entsprechenden Kenntnisstand belegen.
Dem qualitätssicherungsrechtlichen Maßstab Rechnung tragen
Einschätzung: Das Urteil des Bayrischen Obersten Landesgerichts bestätigt und stärkt die privatärztliche Leistungserbringung über die formalen Facharztgrenzen der Weiterbildungsordnung hinaus. Dies geschieht aber nicht vorbehaltslos. Tatsächlich muss der die eigentlichen Facharztgrenzen überschreitende Arzt sowie Ärztin ernsthaft mit sich ins Gericht gehen und prüfen, ob er dem haftungs- und qualitätssicherungsrechtlichen Maßstab des „Facharztstandards“ hinreichend Rechnung trägt. Ist dies gewährleistet und können sie dies bestenfalls durch Vorlage entsprechender Fortbildungszertifikate nachweisen, bestehen nach diesem Urteil keine haftungs-, straf-, und berufsrechtlichen Risiken gegenüber der Leistungserbringung und -abrechnung. Das bedeutet wiederum Rückenwind für die aktuellen Geschäftsmodelle der Diagnostikzentren. Allerdings ist zu konstatieren, dass es sich vorliegend um ein Urteil des Bayerischen Obersten Landesgerichts handelt. Weitere Rechtsstreitigkeiten sind bundesweit anhängig und es steht die mögliche Überprüfung der jeweiligen Sach- und Rechtslage des konkreten Einzelfalles letztlich vor dem Bundesgerichthof an. Sollte dieser die allgemein übertragbare Rechtslage abweichend beurteilen, so würde das Urteil des Bundesgerichtshofes als höhere Entscheidungsgewalt maßgeblich sein.
Kontakt zum Autor
Dr. Tobias Weimer, M.A., Fachanwalt für Medizinrecht, c/o Weimer I Bork – Kanzlei für Medizin-, Arbeits- & Strafrecht, Infos: www.kanzlei-weimer-bork.de; Kontakt: weimer@kanzlei-weimer-bork.de