Gesundheitswirtschaft managen Erfahrungsaustausch mit Tiefgang in Münster

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Anfang Mai trafen sich rund 200 Vertreter und Vertreterinnen der Gesundheitswirtschaft und Entscheidungsebene in Healthcare-Einrichtungen. Auf der Agenda: die Krankenhaus- und Finanzierungsreform, Nachhaltigkeitsberichte und damit verbundene Forderungen von Banken sowie Umstrukturierungen von Kliniken.

Gesundheitswirtschaft managen
Von links: Prof. Dr. Peter Wigge, Dr. Daisy Hünefeld und Dr. Christian Heitmann. – © Thomas Mohn

Der zehnte Kongress Gesundheitswirtschaft managen der Veranstalter

  • Dr. Daisy Hühnefeld, MBA, Vorstandsmitglied der St. Franziskus-Stiftung Münster,
  • Dr. Christian Heitmann, Partner und Leiter des Geschäftsbereichs Unternehmensberatung der Curacon GmbH, Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Münster und
  • Prof. Dr. Peter Wigge, Fachanwalt für Medizinrecht der Rechtsanwälte Wigge GbR, Münster

hielt für die Teilnehmenden in diesem Jahr mehrere nutzwertige Highlights für das Managen von Krankenhäusern parat. Dazu gehörte am Vorabend die Eröffnungssession zur Krankenhausreform und der Besuch von Prof. Dr. Boris Augurzky, Mitglied der Regierungskommission und Leiter des Kompetenzbereichs Gesundheit des RWI – Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung e.V. Er stellte sich nach einem Impulsvortrag und aktuellen Einblicken in die Arbeit der Kommission der Diskussion mit dem Podium, das neben den Veranstaltern auch mit Bernadette Rümmelin, Sprecherin der Geschäftsführung und Leiterin des Ressorts Gesundheitspolitik, Qualität und Krankenhausfinanzierung des Katholischen Krankenhausverbandes Deutschlands e.V. (KKVD) auch Dr. Josef Düllings, Präsident des Verbandes der Krankenhausdirektoren Deutschlands e.V., aufwartete. Eine der großen Herausforderungen mit den anstehenden Veränderungen im System: Die drei Ziele Qualität, Wirtschaftlichkeit und flächendeckende Versorgung in den Einklang zu bringen. Dabei betonte Augurzky: „Personal wird der Engpassfaktor in der gesamten Volkswirtschaft und was knapp wird, wird teuer. Wir werden nicht deutlich mehr Personal haben, wir werden aber mehr dafür bezahlen.“ Seine Schlussfolgerung: „Nicht mehr alle Leistungen können daher in der bislang gewohnten Weise zur Verfügung gestellt werden.“

Ein „Jahrzehnt der Disruptionen“ steht bevor

Augurzky prognostizierte „ein Jahrzehnt mit erheblichen Disruptionen“, das bestimmt wird von schnellen Veränderungen und fundamentalen Anpassungen. So werde es

  • eine grundlegend veränderte Nachfragestruktur geben,
  • völlig neuartige medizinische und technologische Innovationen und
  • neue Vergütungssysteme, die
  • auf ein immer ambulanter werdendes Krankenhaus treffen, das
  • mehr Verantwortung vor Ort übernimmt,
  • Arztpraxen, die enger zusammenrücken und
  • ihre Angebote digital vernetzen und interagieren.

„Die kommenden Jahre erfordern eine erhebliche Veränderungsbereitschaft und hohe Entscheidungsgeschwindigkeit“, mahnte Augurzky.

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Prof. Dr. Boris Augurzky, Mitglied der Regierungskommission für eine moderne und bedarfsgerechte Krankenhausversorgung; Leiter des Kompetenzbereichs Gesundheit des RWI – Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung e. V., Essen. – © Thomas Mohn

Nachhaltigkeitsbericht und seine Rolle für Kreditgeber

Christoph Bickmann, Vorsitzender des Vorstandes der DKM Darlehnskasse Münster eG, sorgte mit seinem Einblick in die Forderungen von Banken in Bezug auf die CSRD und die Nachhaltigkeitsberichterstattung für die Gesprächsgrundlage der anschließenden Diskussionen.

Die Beziehung zwischen der Gesundheitswirtschaft und Banken gestaltet sich laut Bickmann wie folgt: Die EU und die BRD haben weitreichende Vorgaben zur Nachhaltigkeit beschlossen, u.a. den Green Deal und das Klimaabkommen von Paris. Einrichtungen erleben damit einen grundsätzlichen Transformationsprozess. Die Folge: Es muss verstärkt in Nachhaltigkeit investiert werden, um ihren Beitrag zur Erreichung der Nachhaltigkeitsziele leisten zu können. Banken werden zukünftig aufgrund der regulatorischen Vorgaben die mit ESG-Faktoren verbundenen Risiken im Rahmen der Kreditvergabe einbeziehen. Unterbleiben Investitionen in Nachhaltigkeit seitens Healthcare-Einrichtungen, verschlechtert sich laut Bickmann die Bonität der Häuser aufgrund der mit den ESG-Faktoren verbundenen Risiken.

In einer automatisierten Bewertung verarbeiten Banken laut Bickmann verfügbare Nachhaltigkeitsdaten. Dabei werde z.B. auf Basis von Branchen- und Ortsdaten mit teils noch geringer Differenzierung jedem Kunden automatisch ein Score zugeteilt, der auch auf aktuell verfügbare interne und externe Daten zurückzuführen ist. In einem zweiten Schritt, der manuellen Konkretisierung, findet anschließend ein Vergleich kundenindividueller Informationen mit der automatisch generierten Bewertung statt, der zu einer Verbesserung oder Verschlechterung des Scores führen kann. Diese Konkretisierung erfolgt anhand von Daten aus dem Kundenkontakt sowie den Angaben aus dem Nachhaltigkeitsbericht des Unternehmens.

Hinzu komme der Einfluss politischer Vorgaben hinsichtlich Nachhaltigkeit auf die Kreditzinsen. Dies kann zu Steigerungen bei den Eigenkapitalkosten, den Risikokosten und den Bearbeitungskosten führen.

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Christoph Bickmann, Vorsitzender des Vorstandes der DKM Darlehnskasse Münster eG. – © Thomas Mohn

Insolvenz als Neuanfang – Markus Funk berichtet von der imland gGmbH

Wie kann eine Klinik das Schutzschirmverfahren zur Sanierung nutzen? Markus Funk, noch Geschäftsführer der insolventen imland gGmbH, berichtete in Münster von seinen Erfahrungen von zwei Häusern (Rendsburg und Eckernförde) in der Krise, die sich seit 2014 angebahnt hatte: 2020 sah sich das Haus stark beeinflusst durch die Corona-Pandemie gestiegenen Kosten, Einnahmeeinbußen, dem Ausbleiben von Patienten und Patientinnen und der Verschiebung elektiver Eingriffe gegenüber. Trotz der Bundeshilfen, die bis September 2020 unterstützten und 2021 ausblieben, drohte der imland gGmbH die Insolvenz. Der Kreis sprang mit Millionen ein, Handeln war dringend erforderlich. Gemeinsam mit führenden Beratungsunternehmen wurde ein tragfähiges Zukunftskonzept für imland entwickelt, das allerdings dem Bürgerentscheid nicht standhielt. Nun übernehmen die Schön Kliniken die imland gGmbH. Funk und sein Kollege Michael Kiens verlassen ihre Geschäftsführerposten auf eigenen Wunsch. Alle Details und die persönlichen Learnings von Markus Funk lesen Sie in Kürze im exklusiven HCM-Interview.

Nachhaltigkeit in der konkreten Umsetzung

Ambulantisierung, Fusionen, Digitalisierungsprojekte und Nachhaltigkeit standen zudem auf der Agenda in Münster. So war u.a. auch Dr. Markus Horneber, Vorstandsvorsitzender der Agaplesion gAG, auf der Bühne und berichtete von den Erfahrungen seiner Häuser mit Nachhaltigkeitsmanagement. Horneber erläuterte dabei wie wichtig „zwischen Lust und Frust“ das feiern von Nachhaltigkeitserfolgen ist. „Es ist wichtig auch mal stolz zu sein, auch wenn man weiß, dass es noch besser geht.“ Bei Agaplesion ist Nachhaltigkeit eine Sache der Führungsverantwortung und dem glaubwürdigen Vorleben. „Wir müssen an oberster Stelle Verantwortung übernehmen und Vorbild sein“, sagte Horneber. Der entscheidende Faktor sei eine entsprechende Unternehmenskultur. Zum Erfolgsrezept bei Agaplesion für ein zufriedenstellendes Nachhaltigkeitsmanagement gehören u.a. folgende Punkte:

  • Gewandt die Nachhaltigkeitssprache sprechen,
  • Nachhaltigkeit in der Unternehmensstrategie etablieren,
  • Nachhaltigkeit innovativ, sachlich und zeitlich komplex denken,
  • Verbündete suchen,
  • differenzierte und spezifische Tools zur Realisierung des Nachhaltigkeitsmanagements einsetzen,
  • unvermeidliche Regulatorik kennenlernen und
  • Projekte initiieren.

10 Jahre Gesundheitswirtschaft managen

2023 feierte der Kongress um Dr. Daisy Hünefeld, Dr. Christian Heitmann und Prof. Dr. Peter Wigge seinen 10. Geburtstag. Seit der ersten Veranstaltung im Januar 2013 ist der Kongress stetig gewachsen – bis zu den rund 200 Teilnehmenden in diesem Jahr. Das Jubiläum wurde u.a. mit ganz besonderer musikalischer Begleitung in Münster gefeiert: Dr. Josef Düllings präsentierte live seinen Song „Save our hospitals“.

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Dr. Josef Dülling mit seinem Song „Save our hospitals“. – © Thomans Mohn

Der Termin für den 11. Kongress der Reihe Gesundheitswirtschaft managen steht bereits fest: 23. und 24. April 2024.