Neue Studie zur sektorenübergreifenden Zusammenarbeit Elektronische PA: eine Brücke im Entlassmanagement

Was könnte eine digitale, sektorenübergreifende Patientenakte konkret bringen? Eine Masterarbeit an der Friedrich-Alexander-Universität in Erlangen-Nürnberg ist dieser Frage auf den Grund gegangen und hat herausgefunden, dass die Qualität der Patientenversorgung damit stieg und die Zusammenarbeit der Akteure gefördert wird.Beteiligte Akteure, für die der Zugriff auf die elektronische Patientenakte Vorteile bieten kann.Einer aktuellen Studie der Bertelsmann Stiftung zufolge erwarten 72 Prozent aller Deutschen, dass in zehn Jahren alle Leistungserbringer auf wichtige Gesundheitsdaten zugreifen können (Bertelsmann Stiftung 2017). Letztlich lebt die Idee der „Integrierten Versorgung“ von einer koordinierten und funktionierenden Informationsbasis – oder scheitert häufig an deren Fehlen. Dieser fundamental wichtige Informationsaustausch findet häufig nur durch Nachfragen statt – gerade an den Sektorengrenzen. Kurzfristige Anpassungen im Therapieplan sind oft schwer an alle Beteiligten zu kommunizieren, da jeder Akteur einzeln benachrichtigt werden muss. Außerdem fehlt oft eine Instanz, welche den Überblick hat. Hinzu kommt, dass Patienten durch die Krankheit eine neue und überfordernde Situation erleben. Eine gut organisierte Versorgung ist wichtig, um dem Patienten das Gefühl von Sicherheit zu geben. Deshalb kommt der Kommunikation zwischen allen Versorgungspartnern eine große Bedeutung zu. Bereits im Entlassprozess werden die Weichen gestellt, um Komplikationen in der Behandlung zu vermeiden. Vor dem Hintergrund des GKV-Versorgungsstärkungsgesetzes und dem Rahmenvertrag zum Entlassmanagement ab dem 1. Oktober 2017 ist die Notwendigkeit einer sektorenübergreifenden, IT-gestützten Patientenakte gegeben. Eine einrichtungsübergreifende Plattform zur Dokumentation ist zwar gewünscht, aber die elektronische Patientenakte gibt es noch nicht. Die Politik ist bestrebt, die notwendigen Strukturen auszubauen und die Entwicklung einer nötigen Software zu fördern. Jedoch folgt nur Pilotprojekt auf Pilotprojekt. Andere Länder sind um Meilen voraus. In einer Masterarbeit an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (Masterstudiengang Medical Process Management) wurden jetzt Potenzial, Vorteile und Herausforderungen der Implementierung einer digitalen und sektorenübergreifenden Patientenakte evaluiert. StudienbeschreibungEine Kooperation der Universität Erlangen mit dem Praxispartner n:aip Deutschland GmbH ermöglichte die Evaluierung einer bereits existierenden Datenplattform am Beispiel komplexer Versorgungsarten im Homecare-Bereich. Basierend auf der von n:aip entwickelten Software softcare:manager wurde eine intersektorale Patientenakte kreiert, auf die alle an der Versorgung beteiligten und be-fugten Akteure zugreifen können. Der softcare:manager bildet relevante Prozesse wie Dokumentation und Bestellungen elektronisch ab. Die Anwendung dient als zentrale Datenbank, die Patienten, das involvierte Pflegepersonal, entlassende Strukturen in Kliniken sowie niedergelassene Ärzte mit den notwendigen Informationen versorgt. Hiermit kann ein standardisierter Überblick über die versorgten Patienten behalten und Dokumentationen, medizinische Befunde und Entwicklung des Patienten verfolgt werden. Ein zentraler Aspekt ist die Gewährleistung der Datensicherheit. Nach intensiver Prüfung durch eine externe Zertifizierungsstelle (TÜV-Saarland) erhielt die Webakte das Prädikat „Geprüftes Online-Portal“. Die mobile Webakte ist jederzeit verfügbar und hilft, die Papierdokumentation bei Erstbefund, Therapievisite und Schulungsprotokoll zu reduzieren. Zudem sorgt sie für eine große Zeitersparnis, da der Austausch z.B. über kurzfristige Änderungen in der Behandlung sofort an alle kommuniziert werden kann. Die Webakte entspricht einer einrichtungsübergreifenden elektronischen Patientenakte, einer eEPA, da sie die lebenslange Versorgung eines Patienten sektorenübergreifend dokumentieren kann (Hellmuth et al. 2014). Aktuell ermöglicht die Webakte einen lesenden Zugriff auf alle Dokumente der versorgten Therapien. Erkenntnisgewinn zur WebakteUm herauszufinden, welchen Mehrwert die Partner in der Webakte sehen, wurde in einer Masterarbeit der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg eine qualitative Evaluation durchgeführt. Eine verbesserte Anwendbarkeit und Benutzerfreundlichkeit der Webakte sollte erreicht und durch Echtkundenbefragungen wichtige Erkenntnisse gewonnen werden. Von insgesamt 17 teilnehmenden Personen hatten sie neun Probanden schon im ambulanten Arbeitsalltag einsetzen können. Um den Rollout in Kliniken vorbereiten zu können, durften acht Mitarbeiter aus verschiedenen klinischen Einrichtungen die Webakte testen, um die Weiterentwicklung auch gezielt an den Bedürfnissen des stationären Sektors der Akteure im Entlassmanagement ausrichten zu können. Arbeitserleichterung bei der stationären BehandlungDie Einschätzung der Klinikmitarbeiter in entlassenden Strukturen (u.a. Sozialdienst, Patientenüberleitung, Fachpflege) war äußerst positiv. Sie sahen großes Potenzial in diesem Tool, da es zu einer bedeutenden Erleichterung im Arbeitsalltag führen wird. Mit den Informationen aus der Webakte kann ein aktueller Gesundheitsstatus erkannt werden, sodass bereits eine Art Aufnahmebefund vorliegt. Die stationäre Behandlung kann sofort in die entscheidende Richtung gelenkt und somit zielgerichtet, zeitsparend und effizient gehandelt werden. Die Übersicht bisher verwendeter Produkte für z.B. Wundversorgung oder (par-)enterale Ernährung ermöglicht eine fundiertere Entscheidung zur Fortführung der bestehenden Therapie. Auch die Sozialdienste können aus der Webakte relevante Informationen ziehen. Die erfolgreiche Organisation des patientenindividuellen Entlassmanagements kann somit leichter gelingen. Vor dem Hintergrund des GKV-Versorgungsstärkungsgesetzes und der damit verbundenen Dringlichkeit, ein standardisiertes, strukturiertes Entlassmanagement nachzuweisen, kann ein derartiges Tool eine wichtige Ergänzung darstellen, die gerade bei komplexen Versorgungsarten und dem damit verbundenen höheren Haftungsrisiko den Kliniken Sicherheit bietet. Ein großer Vorteil ist zudem, dass das Tool nicht als softwarebasierte Lösung angeboten wird (was Schnittstellenprobleme und Datenschutzbedenken in Bezug auf das KIS herbeiführen würde), sondern mit Individualzugängen per gesichertem und verschlüsseltem Onlineaccount zur Verfügung steht. Hürde: TransparenzEs bleibt die große Herausforderung, die Implementierung auf alle entlassenden Strukturen in einer Klinik auszurollen. Solange es in den Kliniken intern keine Transparenz über Prozesse und Zuständigkeiten im Entlassmanagement gibt, ist die Identifikation der relevanten Stellen eine Hürde. Im Zuge der geforderten Anpassung von Entlassmanagementprozessen kann hier parallel eine aktive Unterstützung mittels der Webakte erfolgen. Insgesamt war man sich einig, dass die Webakte nicht nur durch Innovation und große Benutzerfreundlichkeit („Usability“), sondern durch eine sehr leichte Anwendbarkeit überzeugt. Dadurch, dass alle Behandler und Versorger den gleichen Blick auf die Patientendaten haben („Single Point of Truth“), wird eine vollständige Transparenz in der Versorgungsqualität erzeugt. Dies kann dazu dienen, die Zusammenarbeit zwischen den an der Versorgung beteiligten Institutionen zu verbessern, sowie die Zufriedenheit der Patienten zu steigern. Sie kann helfen, die Prozesseffizienz und die Versorgungsqualität zu steigern. Die lückenlose Dokumentation hilft auch der Pflege, den Dokumentationsanforderungen des MDKs gerecht zu werden. Die Studie ist ein weiterer wichtiger Anstoß zur Entwicklungsförderung für eine deutschlandweite, sektorübergreifende Lösung der Patientenakte.

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