Einkauf
Wenn sich am 4. und 5. Dezember wieder mehr als 600 Teilnehmer und gut 70 Referenten zum Beschaffungskongress der Krankenhäuser in Berlin treffen, wird es einmal mehr um die Digitalisierung gehen. Doch für die Vertreter aus Gesundheitsversorgung, Wirtschaft, Politik und Wissenschaft stehen gleichermaßen neue Gesetze, Regelungen und Trends auf der Agenda. Im Gespräch zeigt Univ.-Prof. Dr. Dr. Wilfried von Eiff die wichtigsten Herausforderungen auf.
Kurz vor Weihnachten steht mit dem Beschaffungskongressder Krankenhäuser stets das Jahresereignis für Einkaufund Logistik im Kalender. Zum elften Mal versammelt das zweitägige Event mit den beteiligten Einkaufsgesellschaften Prospitaliaund Sana sowie den anwesenden Kliniken allein für Deutschland faktisch mehr als 80 Prozentder gesamten Sach-und Investitionsbudgets aller Klinikenund Krankenhäuser unter einem Dach.
Vielfältige Themen mit hochkarätigen Referenten
Unter dem Leitgedanken „ Einkaufund Logistik inder digitalen Welt“ wird an unzähligen Themen gearbeitet: Wie sieht das Krankenhausder Zukunft aus –und sind die deutschen Strukturen noch zeitgemäß? Welche Folgen haben neue Technologietrends für die Optimierungder IT-Strategieund -Beschaffung im Krankenhaus? Wie wandeln sich Berufsbildund Organisation?
Weiterhin geht es u.a. darum, wie sich Nachhaltigkeit, Klimaschutz und Wirtschaftlichkeit in Einkaufund Logistik vereinen müssen. Ebenso werden Entwicklungund Regulation des Medizinproduktemarktes diskutiert. Darüber hinaus bieten auch die Plenen politische Aspekteund hochkarätige Referenten wie
- Prof. Josef Hecken (Gemeinsamer Bundesausschuss),
- Dr. Gerald Gaß (Deutsche Krankenhausgesellschaft),
- Prof. Dr. Karl Max Einhäupl (vormals Charité-Vorstand)und
- Prof. Dr. Axel Ekkernkamp (BG Klinikum Unfallkrankenhaus Berlin).
So istder veranstaltenden Wegweiser Unternehmensgruppe, gemeinsam mit dem Beirat unterder Leitung von Univ.-Prof. Dr. Dr. Wilfried von Eiff (Centrum für Krankenhaus-Management, Universität Münster) wieder ein kompaktes Programm gelungen. HCM sprach mit Prof. von Eiff,der selbst in sechs Slots diskutiertund als Fachforum u.a. „Das Patientenzimmerder Zukunft“ präsentiert.
Welche Fortschritte haben die Krankenhäuser dieses Jahr zur Digitalisierung gemacht – wo hingegen sehen Sie weiterhin Handlungsbedarf?
Eiff: Das Thema „ Digitalisierung“ ist organisatorisch komplexund IT-technisch anspruchsvoll. Entsprechend versuchen die Krankenhäuser, die Möglichkeitenund Grenzender Digitalisierung abzuklopfen sowie Gestaltungsoptionenund Organisationselemente des „Krankenhaus 4.0“ zu verstehen.
Momentan wird an Einzelprojekten gearbeitet, so z.B. ander digital unterstützten Versorgung von Arrhythmie-Patienten zuhause oder ander Gesundheits-und Vitalüberwachung von älteren Menschen in einem Setting des digital betreuten Wohnens. Auch die Nutzung von Apps zum Monitoring von Migräne, zur Unterstützungder Rehabilitation nach Schlaganfall sowie zur Verlaufskontrolle von Krankheitsbildern wie Diabetes, Hypertonie etc. nimmt zu.
Aber von einem durchgängigen Digitalkonzept, das dabei hilft, die Arbeitsbelastung des ohnehin knappen Personals zu verringern sowie die Prozessabläufe effizienterund effektiver zu gestalten, sind die Krankenhäuser noch deutlich entfernt. Dies gilt nicht nur für die Bereicheder medizinischen Versorgungund der sie unterstützenden administrativen Prozesse wie Patientenaufnahme, integrierte OP-Planung oder das Entlassungsmanagement. Auch in den Bereichen Einkaufund Logistik sind die Potenziale für Effizienzsteigerung, Erhöhungder Fehlersicherheit bei Datenübertragungenund Kostensenkung durch Digitalisierung erheblich.
Im Einkauf geht es um die Realisierung innovativer Geschäftsmodelleder sogenannten Plattform-Ökonomie, v.a. für C-Güterund den indirekten Bedarf. Inder Krankenhaus-Logistik liegen die Digitalisierungspotenziale inder Bestandskontrolle, der Bestellorganisation und der Wiederauffüllung. Dezentrale Lagerhaltung, elektronische Bestandskontrolleund automatisch getriggerte Bestellauslösung auf Basis von Smart Contractsund Service Level Agreements sind die Eckpunkte eines digitalen Supply Chain Managements.
Eine zentrale Rolle im „Beschaffungsmanagement 4.0“ werden elektronische Versorgungsschrank-Systeme spielen, durch die die Verfügbarkeit bei vergleichsweise niedrigen Lager-Management-Kosten auf hohem Versorgungsniveau garantiert wird. Hier ist in deutschen Krankenhäusern – im Gegensatz zu anderen Ländern – noch kein wirklicher Durchbruch zu erkennen.
Was bedeutet diese Entwicklung speziell für Einkäufer?
Eiff: Die Einkaufs-und Logistikmanager müssen sich mit den Gestaltungsmerkmalen des Beschaffungsmanagements 4.0 vertraut machenund müssen verstehen, wie man Prozesse in Einkaufund Logistik digital unterstütztund verschlankt sowie Mitarbeiter entlastet. Durch gezielte Einkaufspolitik kannder Einkäufer dazu beitragen, die Arbeitswelt für Pflegekräfteund Ärzte von vermeidbaren Belastungen zu befreienund damit einen Beitrag zur Bewältigung des Fachkräftemangels leisten.
In einer digitalen Arbeitswelt werden Medizinprodukte verlangt, die sich durch Handhabungsvorteile auszeichnen, die Prozesseffizienz steigernund die Prozesseffektivität erhöhen. Die Beschaffung eines Produkts ist dann primär keine Preisfrage mehr, sondern die Produktauswahlentscheidung wird gesteuert durch die Fragen:
- Welche Prozessvorteile sind mit dem Produkt verbunden?
- Welche Sicherheitsverbesserungen können erreicht werden?
- Welche bereichsübergreifenden Kostensenkungseffekte treten einund wie lassen sich die Lebenszykluskosten senken?
Auswahlprozesse werden in Zukunft durch K I-Unterstützung sowie durch digitale Shopping Communities gekennzeichnet sein.
Mehr denn je kommen ab 2020 auch neue Gesetzeund Regelungen im Alltag hinzu. Welches sind die größten Herausforderungen, was die pragmatische Umsetzung betrifft?
Eiff: Wenn das Tempoder Reformgesetzgebung inder bisher von Minister Jens Spahn praktizierten Weise fortgesetzt wird, kommen auf die Krankenhäuser schwere Zeiten zu, insbesondere werden Bürokratisierung und Kontrolle zunehmen, Wertschöpfung wird abnehmen.
Leider ist festzustellen, dass einige gewichtige Gesetzesinitiativen nicht zu Ende gedacht waren. Dies betrifft die Pflegepersonaluntergrenzen, das MDK-Gesetz, die Ausgliederungder Kostender Pflege am Bett aus dem DRG-System sowie die Sachkostenabwertung.
Auf dem Feldder Digitalisierung ist noch kein Fortschritt zu sehen. Es gibt zwar Digitalausschüsseund Think Hubs, aber bisher fehlt eine erkennbare Struktur.
Weitere Informationen zum Beschaffungskongressder Krankenhäuser finden Sie online.