Corona-Pandemie und Einkauf
2020 wird aus dem Beschaffungskongress der Krankenhäuser der Kongress BKK-digital am 2. und 3. Dezember. Es geht zwei Tage lang um Perspektiven und Chancen im Beschaffungsmanagement, Wege zur Vermeidung von Lieferengpässen und konkreten Maßnahmen zur Versorgungssicherheit. Erste Event-Einblicke.

Corona hat das Beschaffungsmanagement im Gesundheitswesen auf die Probe gestellt und gleichzeitig auch in den Fokus der Politik und Gesellschaft rücken lassen. Es wurde mehr als deutlich, welche Relevanz Beschaffung und Logistik für die Sicherstellung von Qualität und Versorgungssicherheit haben. Im Eröffnungsplenum des 1. BKK-digital live aus dem wegweiser-Studio in Berlin und dem Home-Office der Referenten und Diskutanten werden die Erfahrungen aus dem Pandemie-Jahr kritisch analysiert und Maßnahmen für die Zukunft diskutiert.
Erfahrungen in der Corona-Krise
Engpässe und Lieferabrisse waren die Themen, die den Krankenhauseinkauf gerade während der ersten Welle der Pandemie am stärksten beschäftigt haben – und das produktgruppenübergreifend. Ursachen dafür sind aus der Sicht von Professor Wilfried von Eiff, CKM, eine ganze Reihe festzustellen. Dazu gehören:
- Lopez-Effekt,
- Margenverfall (hier sei v.a. Deutschland als Land mit niedrigen Medizinproduktepreisen betroffen),
- Verlängerung globaler Lieferketten (China nehme z.B. weiterhin eine Produktionsverlagerungen vor, die nicht mehr kontrollierbar sei),
- Konzentration auf wenige Produktionsstandorte,
- Rückzug einzelner Spieler vom Gesundheitsmarkt (so gebe es z.B. im Bereich Infusionslösungen aktuell nur noch zwei Hersteller),
- Konsolidierung auf Verkäuferseite durch M&A (damit verfestigen sich monopol- oder duopolartige Strukturen),
- Begrenzung von Produktionskapazitäten (gelte insbesondere für Sterilisationskapazitäten),
- Verringerung der Produktbandbreite,
- BREXIT (mit der Folge von langen Zulassungsprozessen) ,
- EU-Medizinprodukte-Verordnung (MDR).
Prof. von Eiff bezog sich in seinen Ausführungen u.a. auf die Mitte des Jahres durchgeführte Studie zu den Konsequenzen von Lieferengpässen bei PSA-Produkten. Ein großes Problem, das bei den knapp 580 befragten Krankenhäusern, 48 Rehaeinrichtungen, 109 Pflegeheimen, neun Kassenärztlichen Vereinigungen sowie der Kassenärztlichen Bundesvereinigung aufgetreten sei: Zu Beginn der Krise gab es massive Engpässe in allen Einrichtungen. Es mussten neue Lieferketten erschlossen werden, um den Bedarf decken zu können. Die Folge war das Zurückgreifen auf überteuerte, teilweise unseriöse Lieferanten ohne Liefersicherheit und sogar Produkte mit Qualitätsmängel, die aus Mangel an Alternativen auch eingesetzt wurden. In der Ausgabe 1/2021 von HCM (erscheint am 5. Februar 2021) erfahren Sie mehr zur PSA-Studie und daraus abgeleiteten Handlungsempfehlungen.
Stand heute: Nicht die Produkte fehlen, sondern die Logistik
Nun in der zweiten Pandemie-Welle habe man festgestellt, dass es nicht mehr die Produkte selbst sind die fehlen, sondern die Logistik für den Transport dieser. „Es fehlt an Güterwagons und an buchbaren und bezahlbaren Frachten auf Containerschiffen. Bis Januar 2021 kann man kein Containerschiff mehr buchen, alle sind längst zu horrenden Preisen überbucht. Ähnlich sieht es in der Luftfracht aus“, erklärt Prof. von Eiff. Hier seien die Preise von 1,50 Euro auf mehr als 8 Euro pro Kilo Fracht gestiegen. „Wir haben ganz klar auch ein ernstes Logistik-Problem“, resümiert Prof. von Eiff.
Martin Große-Kracht, Kaufmännischer Vorstand bei Ategris, verweist dabei in der Diskussion auf einen wesentlichen Aspekt: „Jetzt brauchen wir Personal und Konzepte. Neben der Vorbereitung hat uns eine gemeinsame Vorstellung davon gefehlt, wie wir uns Versorgungssicherheit vorstellen und wie wir Lieferkettensicherheit herstellen können. Wir brauchen zunächst ein gemeinsames Zielbild, wie wir Gesundheitsversorgung betreiben wollen, keinen Aktionismus und keine Einzellösungen.“ Kritisch beurteilt er auch die Nationalen Gesundheitslager (siehe „Bund plant Nationale Gesundheitsreserve an 19 Standorten“), die die Bundesregierung in Deutschland gründen möchte. Diese Maßnahme treffe die aktuellen Bedürfnisse kaum. „Das Bevorratungsthema halte ich für mit eine der schlechtesten Lösungen“, sagt Große-Kracht. Sein Vorschlag: „Es wäre besser, wenn wir den Zugriff und die Verteilung bedarfsgerecht verbessern.“ Auch Professor von Eiff sieht die „große Lagerhaltungspolitik“ grundsätzlich kritisch: „Es bräuchte eine digitale Plattform, die einen Ausgleich in der Allokation ermöglicht, Ersatzproduktion und die Anreize dafür.“
Den „Klopapier-Effekt“ verhindern
Markus Wild, Geschäftsführer der Prospitalia, gab zu Bedenken: „Die Verbrauchsmengen waren bisher genauso unterschiedlich wie die Fallzahlen selbst. Hier müssen wir den ‚Klopapier-Effekt‘ verhindern.“ Soll heißen: Es darf nicht gehortet werden, wo nichts oder wenig gebraucht wird, die Materialien müssen dort ankommen, wo sie tatsächlich nötig sind. Für den weiteren Verlauf der Pandemie wünscht sich Wild, u.a. einen europäischen Blick auf die Lieferketten.
Wie soll die Zukunft des Krankenhauseinkaufs aussehen?
Im Panel „Femak vernetzt – Gemeinsam durch die Krise gehen“, moderiert von Martin Merkel, Senior Berater bei MEDiiO, zeigte sich, dass die Corona-Krise den Klinikeinkauf stark unter Druck gesetzt hat. Umso zahlreicher gestalten sich die Wünsche für die Zukunft. So müsse z.B. über die Unterfinanzierung der nicht in den DRGs vorgesehenen Mitteln diskutiert werden, man dürfe nicht pro Fall kalkulieren, sondern hinsichtlich des Mitarbeiterschutzes. Bund, Länder und Kommunen müssten sich besser zur Unterstützung der Krankenhäuser abstimmen. Ein weiterer großer Wunsch auf Einkaufsseite: ein zentrales Zertifikate-Register, in dem alle PSA-Hersteller und Lieferanten hinsichtlich Zertifikatsechtheit gelistet sind. Neben Offenheit und Transparenz in der Kommunikation steht auch die Digitalisierung ganz oben auf der Wunschliste.
Noch tiefer in die in der Eröffnungssession angesprochenen Themen geht es im weiteren Verlauf des 1. BKK-digital am 2. und 3. Dezember u.a. mit folgenden Themen:
- Bringt Corona das Schließen der Digitalisierungslücke in Logistik und Einkauf?
- KHGZ-Förderbereich 5 „Medikationslogistik“
- Perspektiven einer besseren Zusammenarbeit für den Normal- und Krisenfall
- Digitalisierung indirekter Bedarfe für Energie und Reinigungsdienstleistung mit dem Schwerpunkt Einkauf und Controlling
- Verändert die Krise die Stellung von Einkauf & Logistik in der Organisation?
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Der 12. Beschaffungskongresses wird auf das kommende Jahr 2021 verschoben.