Einkauf
Zum Abschluss des 11. Beschaffungskongresses der Krankenhäuser fasste Prof. Dr. Dr. Wilfried von Eiff, wissenschaftlicher Leiter des Kongresses, die Ergebnisse und Erkenntnisse zusammen und präsentierte eine praxisnahe Agenda der sich abzeichnenden Herausforderungen für das Beschaffungsmanagement im Jahr 2020.
Die „Agenda: Beschaffungsmanagement 2020“ in Form eines Zehn-Punkte-Programms skizziert die Aufgaben aus Sicht der medizinischenund kaufmännischen Leitungsebene. Weiterhin beantwortet die Agenda die Frage nach der „richtigen“ Vorgehensweise zum effektvollen Einstieg in die Digitalisierung von Einkaufund Logistik, reflektiert die Möglichkeiten der Einkaufsfunktion, durch Beschaffungsentscheidungen für arbeitsentlastende sowie die Durchlaufzeiten reduzierende Medizinprodukte dem Arbeitskräftemangel zu begegnen, hält Empfehlungen zum Umgang mit Lieferengpässen bereitund weist auf Standardisierungs- sowie Prozessverbesserungsmöglichkeiten hin.
Digitalisierung
Kaum ein anderer Bereich im Gesundheitswesen besitzt so viel Potenzial zur Steigerung der Prozesseffizienz, zur Verbesserung von medizinischer Qualität sowie Patientensicherheitund letztlich zur Erreichung eines nachhaltigen wirtschaftlichen Erfolgs wie der Bereich der Digitalisierung.
Insbesondere Anwendungen in den Bereichen Qualitätssicherung, Wissensmanagement, OP-Management, Supply-Chain-Management und „Precision Medicine“ tragen zur Prozesseffizienz bei.
Medizinische Leistungen werden in arbeitsteiligen Prozessenund sektorübergreifenden Versorgungsnetzen erbracht. Digitaltechnologie ermöglicht die bedarfsgerechteund wirtschaftliche Versorgung der Bevölkerung mit präventiven, klinischenund rehabilitativen Leistungen. An drei Bereichen wird deutlich, welche Einflüsse auf Behandlungsformen, Versorgungskonzepte, medizinische Berufsbilderund die Rolle des Patienten prognostizierbar sind: Digital Health, Big Data und 3-D-Druckertechnologie. IT-strategisch betrachtet werden diese Bereiche bezogen auf die Gestaltungschancen von Krankenhausprozessen unter dem Begriff „Krankenhaus 4.0“ sortiert. Neue diagnostischeund therapeutische Ansätze werden mit Unterstützung durch das IT-Management im Rahmen des Ansatzes der „Precision Medicine“ erschlossen.
Die Möglichkeiten der Digitalisierung sind schrittweise zu nutzen, indem zuerst arbeitsaufwändigeund fehleranfällige, mit Medienbrüchen behaftete Prozessabläufe rund um Beschaffungund Einsatz von Medizinprodukten organisatorisch vereinfachtund im Hinblick auf Ressourcennutzung effizienter gestaltet werden.
Elektronische Versorgungsschränke der dritten Generation werden zum Rückgrat einer digitalisierten Krankenhauslogistik. Damit wird es möglich, Bestellprozesseund die Rechnungsabwicklung via Smartcontract-Funktion zu automatisieren, von Medienbrüchen zu befreienund fehlersicher zu machen.
Für die Rationalisierung geeignete Prozesse erkennen
Die Aufgabe von medizinischerund kaufmännischer Leitung wird es sein, geeignete Prozesse wie z.B. das Management des indirekten Bedarfs zu identifizieren, organisatorisch zu optimierenund digital unter Verwendung von Smart-Contract-Funktionen zu rationalisieren.
Arbeitskräftemangel
Der Arbeitskräftemangel betrifft nicht nur Einkaufund Logistik selbst, sondern der Einkauf muss in Zukunft Produkte auswählen, die Arbeitsentlastung für Pflegekräfteund Ärzte ermöglichenund die Durchlaufzeiten klinischer Prozesse reduzieren. Damit kann die Einkaufsfunktion zur Steigerung der Attraktivität des Arbeitsplatzes Krankenhaus wirkungsvoll beitragen.
Lieferabrisse
Es sind Strategien zu entwickeln, um Lieferabrissenund Versorgungsengpässen frühzeitig entgegenzuwirken bzw. deren Auswirkungen zu mildern. Je nach Krankenhausgröße, Träger-und Verbundstruktur kommen selektives Single Sourcing, Exklusivverträge, Shared-Risk-Verträge, Betreibermodelle, Capitationvergütungund Dienstleistungspartnerschaften in Frage.
Patientenzimmer der Zukunft
Der Patient steht auch im Mittelpunkt der Einkaufstätigkeit. Das Patientenzimmer der Zukunft ist dabei als ganzheitlicher Ansatz für das Beschaffungsmanagement zu verstehen, der einen grundlegenden Wandel in der Einkaufsphilosophie signalisiert: weg vom Einkauf einzelner Produkte hin zur Beschaffung von Versorgungssystemen. Der „gedeckte Tisch“ dient als Metapher zur Beschreibung dieser Neuorientierung des Beschaffungsmanagements. Der Beschaffungskanal erfährt eine Reorganisation weg von Produktlieferanten hin zur Beschaffung von Problemlösungen. Wesentliche Spieler im neuen Beschaffungskanal sind Modul-und Systemlieferanten sowie auf funktionaleund Gewerke orientierte Lieferverbünde.
Dieser Themenbereich Patientenzimmer der Zukunft mit seinem Einkaufsprinzip des „gedeckten Tisches“ stieß auf großes Interesse. Der strategische Ansatz des Systemeinkaufs wurde unter Beteiligung der Firmen AKVIGO, BEWATEC, HANSA Armaturen, HEWI, Omnicell, Villeroy & Boch, RÖHL, Wissner-Bosserhoffund dem Zentralverband Sanitär-Heizung-Klima praxisnah demonstriert.
Changemanagement
Changemanagement ist nach wie vor ein von seiner Bedeutung her unterschätzter Aufgabenbereich des Beschaffungsmanagements. Innovative Medizinprodukte werden mit dem Ziel eingesetzt, Prozesseffizienz zu steigern, Mitarbeiter zu entlasten, Kosten zu senkenund die Patientensicherheit sowie das Patientenoutcome zu erhöhen. Aber: Durch innovative Medizinprodukte verändern sich Arbeitsabläufe, Handhabungssequenzenund Zusammenarbeitsformen. Diese müssen von den Mitarbeitern erlerntund akzeptiert werden. Hier ist das Beschaffungsmanagement gefordert, eine Kombination aus Produkt, Organisationskonzeptund Organisationsentwicklung als Einkaufsobjekt zu begreifen. Changemanagement ist weder „verzichtbar“ noch „zu teuer“, sondern stellt sich als der zentrale Erfolgsfaktor des Beschaffungsmanagements heraus.
Nachhaltigkeit
Das Thema Nachhaltigkeit beginnt sich zu profilierenund an Bedeutung als Kriterium bei der Produktauswahl zu gewinnen. Als Weltneuheit wurde auf dem Beschaffungskongress eine neue Polymerfaser vorgestellt, die den Anforderungen des „Cradle-to-Cradle“-Prinzips gerecht wird. Die mit dieser Faser hergestellten klinischen Textilien können mindestens 80-mal aufbereitet werdenund sind zu 100 Prozent ökologisch abbaubar.
Einen Rückblick auf den 11. Beschaffungskongress der Krankenhäuser 2019 finden Sie hier.
Der nächste Beschaffungskongress der Krankenhäuser findet am 2.und 3. Dezember 2020 in Berlin statt. Interessierte sind eingeladen, an Prof. Dr. Dr. Wilfried von Eiff Vorschläge einzureichen.