Künstliche Intelligenz (KI) und der Mensch Ein wertvoller „Partner“ in der Medizin

KI ist einer der am häufigsten diskutierten Treiber der digitalen Transformation – auch im Gesundheitswesen. So effektiv die Zusammenarbeit zwischen Mensch und Maschine auch sein kann, erzeugt sie auch Skepsis und Ängste um den Arbeitsplatz. Im Grunde sind diese aber unbegründet. Eher eine Chance, als eine Bedrohung: KI kann Medizinerinnen und Medizinern den Arbeitsalltag erleichtern und mehr Zeit für komplexe Fälle verschaffen. Im Gesundheitswesen sind Formen der KI – wenn man die computerassistierte Detektion (CAD) einrechnen möchte – bereits viele Jahre im Einsatz. Besondere Verbreitung hat sie in der Radiologie, einer per se hochtechnologisierten Fachrichtung. Die meisten Computer- und Magnetresonanztomografen arbeiten heute mit intelligenter Software, um die Bildqualität zu verbessern und die Abläufe zu optimieren. Das spart Zeit bei einer Untersuchung und ist schlussendlich effektiv. Ergänzt wird das durch Hilfestellungen zur optimalen Positionierung des Gerätes in der konkreten Untersuchungssituation sowie einer späteren digitalen Optimierung der aufgenommenen Schicht- und Schnittbilder. Da KI ihre Stärken in der Mustererkennung hat, lassen sich bestimmte Untersuchungen durch ihre Unterstützung leichter quantifizieren und damit objektivierbar machen. Ein klassisches Beispiel ist die Detektion von Lungenrundherden: Algorithmen können diese in Röntgenaufnahmen recht simpel detektieren, markieren und die Größe genau einschätzen. In der Verlaufskontrolle ist es nun möglich, wirklich alle zu vermessen – ein Arbeitsschritt, der enorm aufwendig und wohl keiner Radiologin und keinem Radiologen auf Dauer zuzumuten ist. Aber genau das steigert den diagnostischen Wert allerdings immens. Studie: Hohe Einsparungen dank KI im Bereich Robotics Im Jahr 2020 haben Deloitte und MedTech Europe eine Studie zum sozioökonomischen Einfluss Künstlicher Intelligenz im Gesundheitswesen durchgeführt. Demnach könnten mit KI-Anwendungen im Bereich Robotics im besten Fall europaweit jährlich bis zu 367,5 Millionen Stunden und bis zu 20,4 Milliarden Euro eingespart werden. Hilfe in der Diagnostik Diese Fähigkeit lässt sich aber nicht nur in der Radiologie, sondern generell in der Diagnose von Krankheiten nutzen. So haben Machine- oder Deep Learning-Algorithmen, auf denen KI fußt, in der Vergangenheit bewiesen, dass sie in der Lage sind, rare Expertinnen und Experten zu unterstützen und so zum Teil auch den herrschenden Fachkräftemangel in einigen Fachrichtungen abzufedern. Ein Beispiel: Durch die Analyse mehrerer Tausend Krankengeschichten können Computerprogramme beispielsweise lernen, Krankheits- und Therapieverläufe individuell vorherzusagen. Aus genetischen Analysen und Bilddaten können sie die Aggressivität eines Tumors berechnen und vorhersagen, ob eine Strahlen- oder Chemotherapie erfolgversprechender ist. KI in der Radiologie: aktuelle Studien Radiologinnen und Radiologen haben auf dem Jahrestreffen der nordamerikanischen Röntgengesellschaft (RSNA) zahlreiche Studien zum potenziellen Nutzen von KI vorgestellt. Zwei Beispiele: Detektion von Lungenknoten: Verbesserung der Genauigkeit und der Sensitivität sowie Reduzierung der falsch-positiven Ergebnisse und der durchschnittlichen Untersuchungszeit (Dr. Jean Jeudy Jr., University of Maryland School of Medicine). Frakturerkennung in der Notaufnahme: Eigenständige Genauigkeit der KI von mehr als 98 Prozent bei nahezu perfekter Sensitivität und Spezifität sowie Reduzierung der Befundzeit von 27 Prozent (Dr. George Fu, Case Western Reserve University School of Medicine). Mensch-Maschine-Interaktion Grundsätzlich haben KI-Systeme das Potenzial, initiativ zu werden und beispielsweise Vorschläge für Problemlösungen zu unterbreiten, auf Zusammenhänge hinzuweisen oder Geräte und Prozesse im Hintergrund zu steuern. Intelligente Systeme werden also immer komplexer und übernehmen Aufgaben, um den Menschen zu unterstützen. Vorteil: Dadurch können Ärztinnen und Ärzte den Fokus auf wichtige Aufgaben legen, die dann die volle Konzentration genießen. Die zunehmende Einbindung vermeintlich intelligenter Systeme in die tägliche Routine von Medizinerinnen und Medizinern wirft aber auch Fragen auf. Schließlich wird ihr Einsatz die gewohnte Arbeitswelt wie auch die Aufgabenteilung zwischen Mensch und Maschine grundlegend verändern. Lernende KI-Systeme sind in der Lage, immer komplexere Tätigkeiten selbstständig auszuführen, und arbeiten künftig Hand in Hand mit dem medizinischen Personal. Dieses Bewusstsein gilt es auf beiden Seiten – Ärztin/Arzt und KI-Hersteller – zu schärfen, weil dadurch die Qualität der Interaktion in den Fokus rückt. Es reicht also nicht mehr aus, allein auf Usability oder eine ergonomische, intuitive Nutzung zu achten. Hinzu kommen Fragen der Verantwortung und Entscheidungsfindung oder des Einbeziehens von Wissen, Erfahrung und Kompetenzen der medizinischen Expertinnen und Experten. Deshalb stimmt der Einsatz von KI-Systemen nicht nur positiv, sondern ruft auch Skepsis und Ängste hervor. Immer noch verbreitet ist die Angst, dass ein KI-System die eigene Arbeit ersetzbar macht. So irrational diese Angst ist – führende Köpfe und viele Ärztinnen und Ärzte sind sich einig, dass KI auch künftig allenfalls unterstützend wirken wird –, so ist sie doch gegenwärtig. Es gilt also nicht nur, das Vertrauen in die Technologie zu stärken, sondern ihre Vorteile für die tägliche Arbeit herauszustellen. Ein erster Schritt zur Vertrauensbildung ist, zu verstehen, wie KI funktioniert, was sie kann und was sie nicht kann. Ein Plädoyer für KI Statt das medizinische Personal zu ersetzen, kann KI es konkret entlasten. Ärztinnen und Ärzte leiden heute bereits unter einer enormen Arbeitsbelastung, die sich eher weiter steigern als abschwächen wird. Dieser Umstand führt zu einer Vielzahl von Belastungen, die von einem erhöhten Fehlerrisiko bis zum Burnout reichen können. KI kann z.B. stetig wiederkehrende und ermüdende Aufgaben übernehmen, die notwendig, aber wenig reizvoll sind. Damit verschafft die Technologie den Ärztinnen und Ärzten einerseits Zeit für komplexe Fälle und macht die Arbeit interessanter, andererseits hilft sie dabei, die Versorgungsqualität zu erhöhen. Sicher wird sich der Arbeitsalltag durch den Einsatz von KI ändern. Das sollte aber eher als Chance denn als Bedrohung begriffen werden. KI kann ein wertvoller Partner an der Seite sein, der die Arbeit sinnvoll ergänzt und sogar Schwachstellen ausgleicht. Voraussetzung ist aber, dass das medizinische Personal den Algorithmus richtig versteht und so seine Stärken und Schwächen einzuschätzen weiß. Wichtig ist auch, die Erwartungen nicht zu übersteigern und die technologischen Möglichkeiten realistisch einzuschätzen. Kontakt zum Autor: Freier Journalist, Hamburg, r.buchholz@ralfbuchholz-hc.de

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