Ein Bericht aus dem Klinikalltag über rund zwölf Monate des mutigen Aufbruchs, des sektorenübergreifenden Teamworks, des modernen Projektmanagements, kreativer Ideen und einer Strategienplanung, die jenseits jegliches Silodenkens liegt.
Agile Organisationsstruktur im Krankenhaus – folgt man nur dem „Management-Buzz-Wort des Jahres“ oder können Kliniken wirklich agil arbeiten? Die Frankfurter Rotkreuz-Kliniken beweisen es seit Ende 2016. Zu diesem Zeitpunkt haben sie mit einem Changeprojekt begonnen. Der Name „Abenteuer Agilität“ ist Programm. Details können Sie in den Ausgaben 4 und 9/2017 nachlesen. Nach gut einem Jahr zieht die Einrichtung für HCM eine Bilanz.
Die Herausforderungen liegen auf der Hand: Ein Krankenhausstrukturgesetz, das ökonomisch dominiert ist und auf Marktbereinigung setzt, Qualitätsindikatoren, die die bürokratischen Anforderungen steigern, ein Fachkräftemangel, der über die Zukunft entscheiden wird, eine Generation, die hierarchiearmes Arbeiten einfordert; eine Technisierung der Medizin und ein digitaler Wandel, der nach Gestaltung verlangt. In diesem Umfeld gilt es die Klinik zu positionieren. Eine Maßnahme dafür muss sein, die eigenen Arbeitsweisen anzupassen. Zeit wird zum kritischen Faktor, denn die Veränderungen in der Umwelt verlaufen ungleich schneller.
Im Fokus von „Abenteuer Agilität“ steht es, die eigene Anpassungsfähigkeit und Lösungskompetenz zu erhöhen. Erreicht werden soll dies durch eine hierarchiearme Organisationsstruktur und eine Ablauforganisation, die im Netzwerk interdisziplinär und multifunktional arbeitet. Im Fokus: die ständige Qualitätssteigerung der Patientenversorgung und letztlich ein sozialer Wandel.
Gemeinsam und partizipativ wird die neue Art der Organisation mit den Mitarbeitern definiert. Den Anfang machte ein „Leitungskreis der Veränderung“ – ein Veränderungsteam. Dieses bestand aus der Geschäftsführung, Abteilungsleitern und Chefärzten. Im Grunde widerspricht dies agilen Führungsprinzipien. Die Kunst besteht aber genau darin, Prinzipien einer Organisation zu respektieren und kooperativ zu nutzen, um so Veränderungsimpulse zu setzen. Konkret: Die Hierarchie ist in die Verantwortung zu nehmen, einen Diskurs einzuleiten, abzubauen und die Teamorientierung aufzubauen.
SchlüsselfunktionFührungskraft
In funktionalen Organisationen sind Kritikfähigkeit und Fehlertoleranz keine Selbstverständlichkeit. Die Führungskräfte nehmen eine Schlüsselrolle ein, um ein Klima der Offenheit zu schaffen. Die Führungskraft wird zum Initiator und Coach. All das wird seit einem Jahr parallel zur Organisationsentwicklung (OE) bearbeitet. Es geht darum, ein Fundament für Agilität zu schaffen; Führungskräftetraining „on the Job“. Themen, die zum Hindernis werden können, werden in Workshops bearbeitet, z.B. Konfliktbearbeitung gewaltfreie Kommunikation. Kein linearer, spannungsfreier Prozess, der durch die Führungskräfteentwicklung zu flankieren bleibt. Über die Durchführung konkreter Projekte und ein Höchstmaß an Partizipation der gesamten Organisation wird fast spielerisch die Veränderung herbeigeführt.
Definiert wurden im ersten Jahr fünf Hauptveränderungsprojekte: Digitalisierung, strategische Personalentwicklung, Leistungssteigerung, medizinische Qualitätssteuerung und ein patientenorientiertes Versorgungskonzept. Was hier jeweils konkret erreicht wurde, finden Sie im Kasten rechts.
Wichtige Lektion bisher: Trotz optimalen Projektmanagements und -verlaufs können kritische Momente eintreten, wie die Insolvenz eines Technikausstatters. Mit solchen Unsicherheiten muss man umgehen können. Auch das ist gelungen, inklusive der Erkenntnis, dass es immer Unsicherheiten gibt, die dazu da sind, Lösungen zu entwickeln.
Nach einem Jahr „Abenteuer Agilität“ zieht die Einrichtungsleitung eine positive Bilanz. Die Teamorientierung wurde gestärkt, Silodenken abgebaut, das Verständnis für andere Berufsgruppen erhöht und die Erkenntnis gestärkt, dass nur durch eine Vernetzung aller Kompetenzen die richtige und gute Lösung erarbeitet werden kann. Auch die Haltung hat sich hin zur Kompetenz- und Lösungsorientierung, Innovationskraft und einem vertrauensvollen, offenem Dialog – Fehlerkultur inbegriffen – verändert. Das „Abenteuer Agilität“ ist noch nicht zu Ende. Es geht weiter und wird viele neue Wege eröffnen.
Eine Ergebnissicherung
- Digitalisierung – bleibt agil im FlowInzwischen gibt es sechs Unterprojekte. Durch das iterative Arbeiten hat sich eine „Pro- Digitalisierung“-Einstellung entwickelt. Unter dem Motto „Papierlos in die neue Zeit“ werden Prozesse und Arbeitsschritte geprüft und bearbeitet. Nach einem Jahr konnten alle technischen Voraussetzungen für die Digitalisierung geschaffen und eine Infrastruktur unter Wahrung wesentlicher Sicherheitsaspekte konnte aufgebaut werden. Ein digitales Langzeitarchiv sowie Dokumentenmanagement konnten realisiert werden – das Fundament für die digitale Patientenkurve.
- Strategische Personalentwicklung – ist abgeschlossen Die Projektgruppe hat ein Diagnoseinstrument und ein Zahlencockpit entwickelt, um eine Übersicht über die Personalbedarfe und -bedürfnisse aufzustellen und mit der strategischen Unternehmensführung abzugleichen. Auf dieser Basis wurde das Talentmanagement in den Fokus genommen. Es wurden Qualifikations- und Leistungspotenziale identifiziert und konkrete Talentpfade entwickelt. Auch wurde die betriebsinterne Fortbildung weiterentwickelt. Neu aufgesetzt wurde das Projekt „Modernisierung der Pflegeschule“
- Medizinische Leistungssteigerung – andauernde Aufgabe Unter dem Titel „Gesundheitsmarkt im Fokus“ wird die Erweiterung des medizinischen Leistungsangebots verfolgt. Früh wurde deutlich, dass die bisherige Spezialisierungsstrategie der Kliniken auf die Hauptabteilungen überarbeitet werden muss. Ein Ergebnis: Die Eröffnung einer neuen Klinik für Gynäkologie im April 2017.
- Medizinische Qualitätssteuerung – wird immer wichtigerDas Medizincontrolling übernimmt nicht nur eine Kontrollfunktion, sondern eine gestaltende Steuerungsfunktion. Das fördert die Akzeptanz des Medizincontrollings, die anderen Berufsgruppen entwickeln ein Verständnis für die Arbeit, die Kommunikation verbessert sich. So konnten bereits erlösrelevante Verbesserungen erzielt werden.
- Patientenorientiertes Versorgungskonzept – im ZeitplanZiel: Etablieren eines neuen Speisen- und Getränkeversorgungskonzepts zur flexibleren Speisenversorgung mit Hotelcharakter, mittels Regenerationsküchen auf den Stationen den Logistikaufwand verringern und den Pflegedienst von pflegefremden Tätigkeiten befreien. Höhepunkt: eine Studienreise nach Holland.
Das sagen die Projektmitarbeiter
Im Bereich „online exklusiv“ können Sie nachlesen, welches Fazit die jeweiligen Projektmitarbeiter nach einem Jahr gezogen haben. www.hcm-magazin.de