Qualitätsmanagement
Die Zertifizierung von stationären Rehabilitationseinrichtungen wird in der durch das Gesetz zur Stärkung des Wettbewerbs in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-WSG) eingefügten Vorschrift des § 20 Absatz 2a SGB IX ab dem 30. September 2012 Pflicht. Im Folgenden werden wichtige Grundlagen beschrieben.

Ein hilfreicher Fahrplan für die Vorbereitung
Die Zertifizierung von Rehabilitationseinrichtungen ist ein Novum im deutschen Gesundheitswesen, da es sich hier um die bislang erste verbindliche Zertifizierungsforderung für einen Teilbereich handelt. Aus Sicht des Zertifizierers TÜV SÜD Management Service wird im Folgenden veranschaulicht, wie damit in der Praxis verfahren wird.
Wer ist gefordert?
Die Zertifizierungspflicht gilt für alle stationären Rehabilitationseinrichtungen, die auch nach dem Ablauf der Übergangsfrist von einem Rehabilitationsträger belegt werden wollen. Das bedeutet, dass die Gesetzgebung hier nicht zwischen Einrichtungen mit und ohne bereits bestehenden Versorgungs- oder Belegungsvertrag unterscheidet. Legt man einen typischen Einführungszeitraum für ein Qualitätsmanagementsystem (QM-System) von neun bis zwölf Monaten zugrunde, so ist mit Blick auf das Auslaufen der Übergangsfrist höchste Eile geboten. Die fehlende Zertifizierung nach Ablauf der Frist gefährdet sonst die Geschäftsgrundlage einer Rehabilitationseinrichtung.
Grundsätzliche Anforderungen
In § 3 der „Vereinbarung zum internen Qualitätsmanagement nach § 20 Absatz 2a SGB IX“ und dem zugehörigen Manual sind elf Qualitätskriterien benannt, die umzusetzen sind. Die Begriffe der einzelnen Qualitätskriterien erinnern stark an bereits bestehende Qualitätsmanagementsysteme, wurden allerdings um rehabilitationsspezifische Forderungen ergänzt. Speziell in den Kriterien „3. Indikationsspezifische Rehabilitationskonzepte“ und „6. Beziehungen zu Rehabilitanden/Bezugspersonen/Angehörigen, Behandlern, Leistungsträgern, Selbsthilfe“ wird dies auch durch die Begriffswahl deutlich. Das Manual der Bundesarbeitsgemeinschaft für Rehabilitation (BAR) selbst ist nicht als Zertifizierungsverfahren zugelassen, sondern muss durch eine „herausgebende Stelle“ in eine geeignete Zertifizierungsgrundlage überführt werden.
Über 25 anerkannte Zertifizierungsverfahren
Die Verunsicherung bezüglich dieses Themas ist in den betroffenen Einrichtungen immer noch groß, da es eine Vielzahl von Zertifizierungsverfahren gibt. Auf der Homepage der BAR findet man über 25 verschiedene zugelassene Verfahren, die der gesetzlichen Forderung Rechnung tragen. Alle Verfahren sind der jeweils herausgebenden Stelle zugeordnet, die ihrerseits Zertifizierungsstellen zur Durch-führung der Audits bei den Einrichtungen zulässt. Beispielhaft wird an zwei ausgewählten Verfahren deutlich gemacht, wie mit diesem Thema im Rahmen einer Zertifizierung umgegangen wird.
Aus der Fülle der angebotenen Zertifizierungsverfahren kann jede Einrichtung die für sie geeignete Grundlage auswählen. Bei einer bereits bestehenden Zertifizierung (z.B. nach der ISO 9001) bieten sich Grundlagen an, die in Gliederung und Nomenklatur an die ISO 9001 angelehnt sind – diese alleine erfüllt die gesetzlichen Forderungen nicht!
Audit und Zulassung
Auf Grundlage des klassischen Managementsystem-Zertifizierungsansatzes besteht auch bei allen zugelassenen Verfahren die eigentliche externe Auditierung einer Einrichtung aus einem zweistufigen Vorgehen:
- der Bewertung der Dokumentation auf Umsetzung der jeweiligen Forderungen und
- dem Audit vor Ort – der Beurteilung der Umsetzung der Dokumentation.
Beide Stufen, die aufeinander aufbauen, müssen durch den Auditor erfolgreich bescheinigt werden. Erst danach kann dieser die entsprechende Einrichtung zur Zertifizierung vorschlagen. Die Zertifizierungsstelle stellt dann nach erfolgreicher Bewertung der eingereichten Unterlagen der Einrichtung ein Zertifikat aus und meldet diese an die entsprechende herausgebende Stelle weiter. Diese wiederum ist gegenüber der BAR zur Weiterleitung der entsprechenden Daten verpflichtet. Durch die BAR wird im Internet kontinuierlich eine Datenbank mit den Informationen zu allen zertifizierten Häuser aktualisiert und veröffentlicht. Die Zertifizierung hat stets eine Gültigkeit von drei Jahren, im Anschluss daran ist eine Rezertifizierung für die nächsten drei Jahre notwendig.
Auditablauf
Die beiden oben genannten Auditstufen beinhalten vorab immer eine vorgelagerte Planung, in deren Verlauf sich der jeweilige Auditor mit der Einrichtung über zeitliche und inhaltliche Komponenten abstimmt. Ergebnis des Audits vor Ort ist dann der Auditplan, der den gesamten Ablauf des Audits festlegt. Im Rahmen dieses Plans muss sichergestellt werden, dass alle relevanten Bereiche der Einrichtung berücksichtigt werden und genügend Zeit für die entsprechenden Interviews mit den Mitarbeitern gegeben ist. Ziel des Audits ist es, die Umsetzung der Forderungen aus der Dokumentation anhand von Beispielen nachvollziehen zu können. Dabei ist es notwendig, dass die Mitarbeiter in ihrem jeweiligen Wirkungskreis mit allen relevanten Arbeitsmitteln, Aufzeichnungen, Formularen und Systemen das „tägliche Leben“ darstellen: Audits am „grünen Tisch“ sind hier nicht zielführend.
Die Ergebnisse der Interviews und das Gesamtergebnis wird den Mitarbeitern sofort durch den Auditor mitgeteilt, um eventuellen Missverständnissen vorzubeugen. Nach Abschluss des Audits erstellt der Auditor einen Bericht, der dem Kunden übergeben und nach Beseitigung etwaiger Abweichungen bei der Zertifizierungsstelle eingereicht wird.
Auditergebnisse lassen sich grob in drei Gruppen unterteilen:
- kritische Abweichungen,
- nicht kritische Abweichungen,
- Hinweise/Potenzial.
Für kritische Abweichungen gilt, dass im Rahmen eines Zertifizierungsaudits zunächst alle Abweichungen durch die Einrichtung bearbeitet und dem Auditor zurückgemeldet werden müssen, ggf. ist auch ein Nachaudit notwendig. Eine Zertifizierung kann erst nach positiver Rückmeldung zu allen kritischen Abweichungen seitens des Auditors an die Zertifizierungsstelle erfolgen. Typische kritische Abweichungen wären z.B.:
- fehlende Formulierung von Dokumentationsanforderungen,
- gelebte Praxis weicht erheblich von der Beschreibung ab,
- entscheidende Abläufe oder Prozesse sind nicht beschrieben.
Für kritische Abweichungen gilt, dass eine gewisse Systematik bzw. Schwere bei den Defiziten nachvollziehbar sein muss.
Zur Vermeidung von derartigen Situationen – speziell bei der Erstzertifizierung – ist es sinnvoll, das Werkzeug der sogenannten internen Audits intensiv als „Generalprobe“ zu nutzen und die eigene QM-Dokumentation mit den tatsächlichen Gegebenheiten abzugleichen. Des Weiteren dient ein derartiges Audit dazu, Mitarbeiter an die Auditsituation zu gewöhnen und mit den „Spielregeln“ vertraut zu machen. Die externen Auditoren sind zudem gehalten, die Anspannung, die eine derartige Prüfungssituation bei manchen Auditierten auslöst, auf ein Minimum zu beschränken oder besser gar nicht erst aufkommen zu lassen.
Alternativ dazu kann man ein sogenanntes Voraudit durch die beauftragte Zertifizierungsstelle durchführen lassen. Hier definiert die Einrichtung den Umfang und den Inhalt des entsprechenden Audits, das meist durch den späteren Zertifizierungsauditor durchgeführt wird.
Für das eigentliche Audit gelten dann bestimmte Regeln (Kasten), sowohl für die Auditierten als auch für den Auditor. So gewappnet sollte es ein Leichtes sein, die Zertifizierungshürde erfolgreich zu meistern.
Regeln für das Audit
- Die Auditierten sollten im Rahmen des Interviews immer nachfragen, wenn sie eine Frage nicht verstanden haben.
- Der Auditor ist kein „Polizist“ – es wird nicht nach Schuldigen gesucht!
- Auditierte sollten immer ihre jeweiligen Arbeitsmittel, Aufzeichnungen etc. heranziehen – es erleichtert ihnen die Beschreibung ihrer Arbeit. Das Motto muss lauten: „Sehen statt hören!“
- Der Auditplan stellt den verbindlichen „Fahrplan“ für das Audit dar – er wird vom Auditor, soweit es irgend möglich ist, eingehalten. Eventuell doch entstehende Verspätungen von nachfolgenden Auditsessions sollten den Beteiligten immer mitgeteilt werden.