EPatient Survey E-Health: Die Bevölkerung ist weiter als die Politik

Zugehörige Themenseiten:
Digitalisierung

Sind deutsche Gesundheitspolitik und digitale Wirklichkeit zwei Welten? Die aktuelle Studie EPatient Survey 2022 warnt vor dem Ausverkauf der Vitaldaten der Deutschen an internationale Konzerne.

EPatient Survey 2022: Landesweite Studie über E-Health und digitale Gesundheit. – © Quelle: EPatient Survey 2022/Grafik HCM/

Gesundheitsforscher, Dr. Alexander Schachinger und Prof. Dr. Klaus Hurrelmann stellten die aktuelle Reihenstudie EPatient Survey 2022 vor.

Die Ergebnisse des EPatient Surveys 2022

Die Bevölkerung in Deutschland hat keine Berührungsängste mit der digitalen Medizin mehr. Während der Corona-Pandemie hat es einen regelrechten Boom bei der Nutzung von Gesundheits-Apps und Online-Arztsprechstunden gegeben. Im Jahr 2021 kam die Corona-Warn-App innerhalb weniger Wochen bei fast 50 Prozent der Bevölkerung auf das eigene Handy – eine Entwicklung mit einem Tempo, wie es sie nie zuvor im Gesundheitsbereich gegeben hat. Als in der Pandemie die Fitnessstudios geschlossen waren, nutzte knapp jede dritte Person einen Online-Gesundheitskurs. Jeder Zweite misst seitdem seine Gesundheit mit Smartphone, App oder Smartwatch. Schon 17 Prozent managen ihre Medikamenteneinnahme mit dem Handy. Auch nach dem Abklingen der Pandemie halten diese Trends fast unvermindert an.

„Die Bevölkerung in Deutschland ist bei der digitalen Nutzung von Gesundheitsangeboten weiter als die staatliche Gesundheitspolitik.“

Dr. Alexander Schachinger

EPatient Survey: Bevölkerung in Deutschland bereit für E-Health-Markt

Deutschland habe im Vergleich zu anderen europäischen Ländern dringenden Nachholbedarf. Es sei bisher nicht gelungen, eine nationale Strategie zu entwickeln, die sich z.B. an den Erfahrungen von Großbritannien oder Dänemark orientiert. Schachinger, Leiter der Studie, weist darauf hin, dass der E-Health-Markt in Deutschland in hunderte Einzellösungen zersplittert ist, die nicht zentral vernetzt sind und deshalb für die medizinische Forschung nicht nutzbar sind. Sein Fazit: „Das immer wieder verschleppte Einführen einer einheitlichen IT-Infrastruktur für eine elektronische Patientenakte führt zu einem völlig fragmentierten Marktgeschehen.“

Auch der wissenschaftliche Begleiter der Studie, Prof. Klaus Hurrelmann von der Hertie School Berlin, zieht kritische Bilanz: „Die deutsche Bevölkerung ist bereit für E-Health, aber die Politik liefert nicht. Wenn das so weitergeht, zeichnet sich der Ausverkauf der gesundheitlichen Vitaldaten der Bevölkerung in Deutschland ins Ausland ab. Schon heute wird der Einfluss v.a. der amerikanischen Internetkonzerne wie Google und Amazon immer stärker, weil sie sich über ihre Angebote Zugriff auf die Vitaldaten verschaffen und sich zusätzlich in Einrichtungen der medizinischen Versorgung und der Gesundheitsversicherung einkaufen.“

Weitere wichtige Ergebnisse der Studie EPatient Survey

Das zeigen die Trendanalysen des EPatient Survey u.a. auf:

  • Der digitale Impfpass fand innerhalb weniger Monate von null Prozent auf 50 Prozent Verbreitung.
  • Die Online-Arztsprechstunde fand ebenfalls von null Prozent auf 16 Prozent Verbreitung – auch stabil bleibend nach der Pandemie.
  • Das Vermessen von Bewegung, Schlaf, Stress oder Schmerzen mit digitalen Helfern führt jeder zweite durch.
  • 17 Prozent nutzen regelmäßig eine Medikamenten-App und 16 Prozent scannen mit dem Handy ihr Rezept zur Online-Bestellung ein.
  • Ob Online-Diagnostik, Gesundheitskurse oder die Online-Arztsprechstunde: Jeder dritte zahlt diese Leistungen ohne Erstattung aus eigener Tasche.

Aufgrund der zu komplizierten Angebotslandschaft von digitalen Gesundheitslösungen sei deren Nutzung stark vom Bildungsstand und Nettoeinkommen abhängig. So bestimme der soziale Status in Deutschland, ob Prävention und ärztliche Beratung bei der Bürgerschaft auch ankommen. Beispiel Online-Arztsprechstunde: Bei Personen mit Abitur oder Studium wurde sie schon zu 20 Prozent genutzt, bei Personen mit Hauptschule zu elf Prozent. Die Gesundheitspolitik lasse die Patientinnen und Patienten nicht nur mit einem Anbieterflickenteppich allein, sie akzeptiere sogar eine Versorgungsungleichheit.

EPatient Survey

Die Studie EPatient Survey wird seit dem Jahr 2010 durchgeführt. Es handelt sich dabei um die bei weitem größte Bevölkerungsbefragung zur digitalen Gesundheit von 6.000 Menschen in Deutschland, die periodisch einmal jährlich durchgeführt wird.

Weitere Informationen zur Studie finden Interessierte mit einem Klick hierauf.