Digitalisierung
Das technische Equipment für eine digital unterstütze Gesundheitsversorgung in Deutschland ist da – inklusive Strategie aus dem Bundesgesundheitsministerium. Diese hatte DMEA-Schirmherr Lauterbach zur Eröffnung mit aufs Podium gebracht. In den Diskussionen auf der Health-IT-Messe standen Umsetzung und Vernetzung all des technisch Möglichen im Zentrum. Klar ist, alle wollen loslegen.
Die diesjährige DMEA war die größte bisher: Mehr als 16.000 Besuchende und mehr als 700 Austeller in sechs Hallen sind vom 25. bis zum 27. April 2023 nach Berlin gekommen. Die Veranstalter des Digital-Health-Treffpunktes, Bundesverband Gesundheits-IT (bvitg) e.V. und die Messe Berlin GmbH, ziehen eine positive Bilanz: Mit einem Plus von fast 50 Prozent im Vergleich zur letzten Veranstaltung vor Corona sei die Teilnehmerzahl noch einmal deutlich gestiegen. Wer vor Ort war, wird das bestätigen. Die Gänge waren noch nie so voll, die Energie noch nie so spürbar – Deutschlands Digital-Health-Szene vibriert und brennt dafür, endlich loszulegen.
Digitale Lösungen sind Voraussetzung für das Wachstum
„Wir leben in einer Zeit großer Veränderungen. Deshalb sind Diskussionsmöglichkeiten wie heute so wichtig. Ich bin sehr gerne wieder Schirmherr der DMEA und freue mich insbesondere, Ihnen etwas mitbringen zu können, was ich genau an dieser Stelle vor einem Jahr angekündigt habe: unsere Digitalisierungsstrategie. Digitale Lösungen sind Voraussetzung für das Wachstum der deutschen Wirtschaft“, erklärte Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach bei seiner Eröffnungsrede in der bis auf den letzten Platz gefüllten Arena „Stage A“. In seiner Keynote sprach Lauterbach über die konkreten weiteren Schritte zur Digitalisierung des Gesundheitswesens. Nachdem im März die Digitalisierungsstrategie für das Gesundheitswesen und die Pflege vorgestellt wurde – die er in gebundener Form mit auf die Bühne brachte – soll die elektronische Patientenakte (ePA) jetzt zum Standard werden und durch detaillierte Aufklärung das Vertrauen der User gewinnen. Bis 2025 sollen 80 Prozent die ePA nutzen und das E-Rezept soll zum Standard werden. Noch in diesem Jahr ist die Einführung eines Medical Messengers geplant.
Im Fokus steht aber v.a. die Opt-out-ePA. Dabei will Lauterbach nichts dem Zufall überlassen: Am BMG hat man es sich zum Ziel gesetzt, über das „Instrument des Vertrauens“ zu gehen, und transparent erklären, welchen Nutzen und welche Vorteile die ePA bringt. Ohne „Jargon“, dafür mit „durchdeklinierten Beispielen“, wolle man sowohl die Patienten und Patientinnen als auch das Vertrauen der Leistungserbringer gewinnen.
Die Wirkung der neuen Digitalisierungsstrategie gehe weit über das Gesundheitswesen und das Thema Gesundheit hinaus, wie Lauterbach erklärte. Als einer der größten Wirtschaftssektoren sei die Gesundheitswirtschaft bzw. das Gesundheitswesen mit all seinen innovativen Treibern dabei aber „integraler, wichtiger Bereich“. Lauterbach lobte nicht nur die Stärke des deutschen Systems, sondern sprach auch bekannte Strukturprobleme an: Neben dem Zurückfallen in einigen innovativen Forschungsbereichen und der mangelhaften Förderung gehöre dazu auch die deutsche Sprache.
Austausch bei der Gestaltung von Gesundheitsversorgung
Wissend, wo in Deutschland Optimierungsbedarf besteht, wolle man sich an Vorreiterländer wie China, USA aber auch Israel, mit denen man aber auch Wettbewerb stehe, halten. Im Austausch hinsichtlich der Gestaltung von Gesundheitsversorgung sei es das Ziel, gemeinsam zu wachsen. Lauterbach kündigte u.a. ein Großevent im Sommer 2023 an, bei dem Wissenschaft, Politik und Praxis aus den USA auf die deutschen Gestalterinnen und Gestalter des Gesundheitswesens treffen sollen, um gemeinsam die Möglichkeiten von u.a. Large Language Models zu diskutieren – natürlich nicht ohne den Blick auf die europäischen Datenschutzverordnungen. Diesen spricht Lauterbach ein bisher noch unbeachtetes Revolutionspotenzial zu. Dieses kann nicht nur die Medizin und Wissenschaft massiv verändern, sondern auch die Fähigkeit der Bürgerinnen und Bürger in Eigeninitiative mit medizinischem Wissen und Gesundheitsdaten umzugehen.
Neustart in drei Teilen
„Wir wollen einen Neustart mit drei Teilen“, kündigte Lauterbach an:
- Digitalstrategie,
- Versorgungsoptimierung und
- Forschungsoptimierung.
Es sei an der Zeit „Fuß zu fassen“ und das in die Umsetzung zu bringen, was „jetzt schon geht“. Dafür dürften die kommenden Tage in Berlin jede Menge Inspiration bieten.
gematik vs. Bundesdatenschutz
Hitzig ging es stellenweise im DMEA-Debattier-Club zu, als z.B. Bundesdatenschutzbeauftragter Ulrich Kelber und gematik-Chef Markus Leyck-Dieken zusammentrafen und mit ihren Differenzen hinsichtlich des Umgangs mit Gesundheitsdaten konfrontiert wurden. Fest steht: Beide Seiten wollen, dass Gesundheitsdaten so genutzt werden, dass sie eine Versorgungsverbesserung erzielen können. Kelber fordert dafür „grundlegendste Datenschutzfunktionalitäten in der ePA“ und das gemeinsame Festlegen eines Sicherheitsniveaus für gesundheitliche Daten. Dass dabei die Vorhaben im Aufbau eines europäischen Gesundheitsdatenraumes nicht außer Acht gelassen werden können, dürfte sowohl Kelber wie auch Leyck-Dieken bewusst sein. Vor allem der gematik-Chef kritisierte in der Diskussion immer wieder, dass Deutschland in seiner Datenschutzdiskussion zu wenig auf die europäischen Nachbarländer schaue. Sein Wunsch: ein „Biotop“ von Gesundheitsdaten, die dem gemeinsamen Nutzen dienen. Nach Einschätzung von Kelber gebe es dafür eine Reihe an Möglichkeiten, die einen hohen Standard an Datenschutz gewährleisten, ohne in Komplexität auszuarten. Dass man es hierzulande mit der Diskussion um den Datenschutz übertreibe, findet er nicht. Rebekka Weiß, Moderatorin und Leiterin Vertrauen & Sicherheit bei Bitkom, entließ beide mit der Bitte, den Dialog zu intensivieren, damit das Vertrauen in digitale Vorgänge im Gesundheitswesen angesichts der Diskussionen um den Datenschutz nicht weiter geschädigt werde.

DMEA im Zeichen der Pflege und des Nachwuchses
Tag zwei der DMEA stand im Zeichen der Pflege und des Nachwuchses. In verschiedenen Sessions wurde die Digitalisierung in der Pflege thematisiert – von der Vernetzung bis zum Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI).
Die Gewinner des DMEA-Nachwuchspreises sind:
- Lars Anderegg und Jonas Jiménez haben sich mit ihrer IT-Architektur den Nachwuchspreis für die beste Bachelorarbeit gesichert.
- Der Preis für die beste Masterarbeit ging an Luisa Neubig für ihre Deep-Learning-unterstützte Analyse des Schluckens.
- Laura Hensel hat mit ihrer Arbeit zur Entwicklung eines hybriden Simulators zur Validierung eines sEMG-Verstärkers den Audience Award gewonnen.
Mit dem DMEA-Nachwuchspreis werden jedes Jahr die besten Bachelor- und Masterarbeiten aus dem Digital-Health-Bereich ausgezeichnet. Zur DMEA 2023 haben sich rund 60 Absolventinnen und Absolventen mit ihren Arbeiten beworben.
Standgespräche auf der DMEA 2023: „High-Level-Diskussionen“
Die Industrie hält für das deutsche Gesundheitswesen alles bereit, was für eine digital unterstützte Gesundheitsversorgung nötig ist. Was alle eint: der Fokus auf Vernetzung, Datenaustausch und der Plattformgedanke. Bei d.velop lautet z.B. die Devise: Daten und Informationen für alle Gesundheits- und Pflegeeinrichtungen verfügbar machen – mit passgenauen Lösungen für eine schnelle Auskunftsfähigkeit gegen Datensilos. Dabei geht es hier nicht nur um medizinische Fachbereiche sondern auch um Verwaltungsdokumente. Hier setzt z.B. auch secrypt an: Mit rechtskräftigen, elektronischen Signaturen und Siegeln gemäß EU-Verordnung eIDAS mit Smartcard, sign-me Fernsignatur oder Tablet. Geschäftsführer Tatami M. Michalek thematisierte im Gespräch mit HCM aber auch die Pain Points in der Zusammenarbeit zwischen Industrie und Leistungserbringer: die komplexe Infrastruktur in den Häusern und der Fachkräftemangel.
Großes Thema sind auch Large Language Models (LLM): Das zeigte nicht nur die Key-Note von Lauterbach, sondern auch ein Gespräch mit Dr. Markus Vogel, Chief Medical Information Officer bei Nuance. Vogel erklärte, dass LLM jetzt für alle Player im Gesundheitswesen nutzbar gemacht werden sollten; es geht vom Capturing in die Strukturierung. Sein Eindruck von der DMEA: „Es geht nicht mehr um die Basics, hier werden High-Level-Diskussionen geführt.“
DMEA 2024
Der Termin für die DMEA 2024 steht bereits fest: 9. bis 11. April in Berlin.
Alle Infos unter: www.dmea.de