DIVI-Kongress 2022 Rund 40 Prozent der Kinder-Intensivbetten wegen Personalmangel gesperrt

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Fachkräftemangel

Fachkräftemangel und fehlende Finanzierung: Der 22. Kongress der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin e.V. (DIVI) offenbart eine ,,katastrophale“ Lage auf den allgemeinen und pädiatrischen Intensivstationen.   

DIVI-Kongress 2022 offenbart eine ,,katastrophale“ Lage auf den allgemeinen und pädiatrischen Intensivstationen. – © hkama (stock.adobe.com)

Unter dem Motto ,,Starke Teams durch Kommunikation“ begann am 30. November 2022 der DIVI-Kongress in Hamburg. Auf dem Kongress wurden Forderungen und Empfehlungen präsentiert, die die drastische Situation auf den Intensivstationen und in den Kinderkliniken verbessern sollen. Extreme Dauerbelastung hinterlässt Spuren: Viele Pflegefachkräfte sind nach mehr als zwei Jahren Pandemie nicht mehr in der Lage Vollzeit zu arbeiten.

Aktuelle Ad-hoc-Umfrage offenbart schlechte Versorgungssituation

Die mit einer Ad-hoc-Umfrage erhobenen Daten der DIVI belegen die alarmierende Situation der Kinderkliniken in Deutschland: Die 110 rückmeldenden Häuser weisen insgesamt 607 aufstellbare Betten aus, von denen aber lediglich 367 Betten zur Verfügung stehen. Grund für die Sperrungen der Kinderintensivbetten ist v.a. der Personalmangel. Bei 71,8 Prozent der Befragten, ist der Personalmangel im Bereich der Pflege der konkrete Grund für die Bettensperrungen. Freie Betten gab es lediglich 83, weniger als ein Bett pro Klinikstandort. 51 der befragten Kliniken berichten von abgelehnten Patientenanfragen. Das heißt: 46,4 Prozent der an der Umfrage teilnehmenden Kliniken berichten von insgesamt 116 abgelehnten Patientinnen und Patienten an einem Tag. Deutschlandweit seien rund 40 Prozent der Kinder-Intensivbetten wegen Personalmangel gesperrt sind. Bei rund 80 Prozent der Befragten fehlt Pflegefachpersonal, es fehlen teilweise aber auch Ärztinnen und Ärzte, so Prof. Dr. med Sebastian Brenner, DIVI-Kongresspräsident.

Forderungen zur Verbesserung der Situation an Kinderkliniken

Aufgrund der katastrophalen Lage an den Kliniken hat die DIVI Anliegen zur Verbesserung der Situation formuliert. Sie fordern die Optimierung der Arbeitsbedingungen mithilfe folgender Maßnahmen:

  • Kinderkliniken müssen verpflichtet werden, Kinderkrankenpflege auszubilden
  • Ausfallskonzepte, die eine festgelegte Urlaubplanung sowie Freizeit garantieren
  • Bezahlte Fortbildung in der Arbeitszeit
  • Entlastung von pflegefernen Aufgaben (MFA, Pflegeassistenz, Hostessen, Reinigungskräfte)
  • Eine deutlich bessere Bezahlung für alle Pflegekräfte

Für die spezielle Versorgung kritisch kranker Kinder bräuchte es zudem ein Ausbau von telemedizinischen Netzwerken sowie von spezialisierten Kinderintensivtransport-Systemen. Des Weiteren fordert die DIVI, dass die Kinderrechte in Grundgesetz aufgenommen werden sollen.

Prof. Dr. med. Sebastian Brenner forderte auf dem Kongress die Aufnahme der Kinderrechte ins Grundgesetz. – © Universitätsklinikum Dresden

Wir alle wünschen uns die bestmögliche Versorgung schwer kranker Kinder – das muss für uns gesellschaftlich selbstverständlich werden – denn Kinder sind unsere Zukunft.

Prof. Dr. Sebastian Brenner

Beginnt eine Post-Covid-Ära auf den Intensivstationen?

Im Vergleich zum Vorjahr ist die Situation auf den Intensivstationen im Zuge der Corona-Pandemie weniger angespannt. Die meisten Patientinnen und Patienten sind nicht mehr wegen einer Covid-19-Infektion auf einer Intensivstation. Dennoch sind die Intensivstationen belastet: Dieses Jahr stehen 2.000 Intensivbetten weniger zur Verfügung. Grund dafür ist der Fachkräftemangel in der Pflege. Die extreme Dauerbelastung in den Anfangsjahren der Pandemie hat dazu geführt, dass viele der Pflegekräfte ihre Arbeitszeit auf 80 bis 75 Prozent reduziert haben.

Pflegefachkräfte sind seit Jahren belastet. Die Pandemie hat das Problem wie unter einem Brennglas verstärkt.

Prof. Dr. med. Felix Walcher

Für Prof. Dr. med. Felix Walcher, DIVI-Präsident elect, kommt es daher darauf an, die Resilienz des Personals mithilfe von psychosozialer Unterstützung z.B. in Form von Peer Support zu stärken. An den meisten Kliniken sei eine solche Unterstützung nicht vorhanden oder zu wenig ausgebaut. Auch hier würde es an finanziellen Mitteln fehlen.  

Empfehlungen für Intensivstationen 2022

Auf dem DIVI-Kongress wurden am Freitag die Kernempfehlungen zur Struktur und Ausstattung von Intensivstationen 2022 vorgestellt. Die DIVI-Kernempfehlungen lauten:

  • Drei Stufen der intensivmedizinischen Versorgung
  • Drei Stufen der Erkrankungsschwere der Patientinnen und Patienten
  • Angepasste Ausstattung hinsichtlich der Versorgungsstufe und Erkrankungsschwere der zu behandelnden Person
  • Strukturierte Einbindung von Berufsgruppen, die nicht ständig auf der Intensivstation sind
  • Ausbau der Telemedizin durch Etablierung von Intensivzentren 

Kernprobleme: Fachkräftemangel und fehlende Finanzierung

Neben dem Fachkräftemangel liege das Hauptproblem in der fehlenden Finanzierung. Das war der Konsens auf dem gesamten Kongress. Prof. Dr. med. Christian Waydhas, ärztlicher Vertreter und verantwortliches Mitglied aus dem DIVI-Präsidium für den Bereich Qualität der DIVI-Vision-und-Mission 2030, möchte die Versorgungsqualität erhalten und nicht durch Sparmaßnahmen gefährden. Damit sich die Versorgungsqualität nicht weiter verschlechtert, sei die Bundesregierung daher gefordert, finanzielle Mittel zur Verfügung zu stellen und ein entsprechendes Maßnahmenpaket zu schnüren.