Corona-Pandemie
Angesichts steigender Infektionszahlen hat die Deutsche Interdisziplinäre Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI) mit Unverständnis auf Diskussionen über weitere Lockerungen reagiert und fordert einen sofortigen Lockdown.
„Wir rennen sehenden Auges ins Verderben“, sagt Prof. Gernot Marx, Präsident der DIVI und stellt die Frage, ob man erst ein Bergamo brauche, um den Mut für einen harten Lockdown zurückzugewinnen? „Nur weil die Bevölkerung des Lockdowns müde ist, können wir nicht bei Inzidenzen von 125, einem R-Wert von 1,2 und exponentiell steigenden Covid-19-Patienten auf den Intensivstationen darüber nachdenken, wie sich weitere Lockerungen durchsetzen lassen“, sagt Marx und fordert einen sofortigen harten Lockdown.
Harter Lockdown für zwei oder drei Wochen
Laut Marx müsste ab sofort ein Lockdown für zwei oder drei Wochen gelten. Der ließe sich gut über die Osterferien realisieren. Marx betont, dass eine solche harte Maßnahme zahlreiche Leben retten und viele Menschen vor lebenslangen Langzeitfolgen durch Covid-19 bewahren würde. Portugal habe es vorgemacht: Erst ein harter Stopp und dann öffnen, das habe super geklappt.
Um die Kapazitäten der Intensivstationen genau im Blick zu haben, wurde bereits im vergangenen Frühjahr gemeinsam mit dem RKI das DIVI-Intensivregister aufgebaut. Hier kann jeder sehen: Derzeit sind noch 1.644 Betten für in ganz Deutschland frei.
„Wir müssen von den hohen Zahlen runter! Jetzt. Augenblicklich.“DIVI-Präsident Prof. Gernot Marx
Zahlen werden steigen, egal was wir tun
Seit dem 10. März ist die Zahl dieser Patienten von 2.727 auf 3.448 hochgeschnellt. „Diese Zahl wird die kommenden zweieinhalb Wochen weiter exponentiell wachsen, egal was wir jetzt tun“, weiß Professor Christian Karagiannidis, Leiter des DIVI-Intensivregisters und Leiter des ECMO-Zentrums der Lungenklinik Köln-Merheim. „Bei mehr als 5.000 Covid-19-Patienten wird es wirklich langsam kritisch. Das heißt, es muss jetzt etwas passieren.“
Szenario aus dem Januar wiederholt sich
Auch sein Kollege, Professor Steffen Weber-Carstens von der Berliner Charité, gibt zu bedenken: „Die Bevölkerung hat zwischen Weihnachten und Anfang Januar, wo wir fast 6.000 Menschen mit Covid-19 versorgt haben, gar nicht mitbekommen, wie knapp es war“. Viele Menschen wurden aus dem Osten oder der Mitte Deutschlands in Krankenhäuser im Norden verlegt. Und dieses Szenario droht sich zu wiederholen, denn Weber-Carstens hatte diese Woche bereits die ersten Anfragen für überregionale Verlegungen auf dem Tisch.
Bis zu 6.800 Intensivpatienten erwartet
Das DIVI-Prognosemodell zeigt deutlich, wie ernst die Lage ist und wird. Das Modell zeigt, dass mit mehr als 4.500 Patienten auf jeden Fall zu rechnen ist. Mit einem harten Lockdown könnte die Kurve bei knapp über 5.000 wieder gesenkt werden. „Warten wir noch länger, werden wir mehr als 6.000 Menschen mit COVID-19 auf Intensiv sehen. Ob wir das packen, wage ich zu bezweifeln“, sagt Karagiannidis.
Das DIVI-Prognosemodell das Karagiannidis und Weber-Carstens mit Mathematiker Prof. Andreas Schuppert von der RWTH Aachen aufgebaut haben, zeigt die Zahl der erwarteten intensivpflichtigen Patienten mit Covid-19.
Allen Szenarien gemeinsam ist ein sofortiger Lockdown.
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Laut DIVI-Präsident Marx ist jetzt gerade die wohl kritischste und entscheidendste Phase der Pandemie und so appelliert er eindringlich an Politik und Bevölkerung: „Harter Lockdown über die Osterferien – und dann können wir bei deutlich niedrigeren Inzidenzen mit Schnelltests, PCR-Tests, Impfungen und Apps wieder öffentliches Leben zulassen.“