Vielfalt als Chance Diversity-Management: Mehr als (m/w/d) in der Stellenanzeige

Offenheit und Toleranz sind Inhalte von Marketingkampagnen, die Vielfalt als Chance zu sehen, ist der Kern des Diversity-Managements. Der Begriff der Diversität spielt im Gesundheitswesen eine immer größere Rolle.Wenn es um die bunte Vielfalt unserer Gesellschaft geht, sind die meisten Deutschen betont offen. Hier kann jeder leben, wie er möchte. So steht es auch im Grundgesetz: Die Würde des Menschen ist unantastbar, heißt es in Artikel 1. In Artikel 3 wird die Gesetzgebung noch etwas konkreter. Dort steht: Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Im Jahr 2009 setzte sich die Initiative „artikeldrei“ eine Ergänzung des dritten Artikels des deutschen Grundgesetzes zum Ziel. Die Initiative des Lesben- und Schwulenverbandes in Deutschland e.V. forderte die Aufnahme des Begriffs der „sexuellen Identität“ in den dritten Absatz des dritten Artikels. SPD, Bündnis90/Die Grünen und die Linke unterstützten die Forderung, ebenso Teile der Union. Die Mehrheit der Abgeordneten von CDU/CSU und FDP war gegen eine ausdrückliche Nennung der sexuellen Identität und hielt eine entsprechende Änderung des Gesetzestextes nicht für notwendig. 2011 lehnte der Bundestag eine Änderung bzw. Ergänzung ab. Der Öffentliche Dienst als Vorbild?Wenn es um Vielfalt, Diversität und Gleichstellung geht, spricht man gleichzeitig auch immer von Ungleichbehandlung, Benachteiligung und Ausgrenzung von Minderheiten. Der Öffentliche Dienst hat sich beim Thema Gleichstellung früh auf einen guten Weg gemacht und eigentlich müsste es dort nur nach Eignung, Befähigung und Qualifikation gehen, denn nach diesen Kriterien werden Mitarbeitende ausgewählt. Andererseits soll der öffentliche Dienst auch ein Spiegel der Gesellschaft sein und genau da besteht nach Ansicht von Tessa Ganserer noch Nachholbedarf. Ganserer ist Sprecherin für den öffentlichen Dienst bei den Bayerischen Grünen. Die Landtagsabgeordnete sagt: „Beim Thema Diversity geht es ja darum, die Vielfalt zu leben und dafür zu sorgen, dass kein Mensch aufgrund gruppenbezogener Merkmale benachteiligt oder abgewertet wird.“ Und da gäbe es noch immer viel Luft nach oben, meint Ganserer im Gespräch mit HCM. Sie weiß wovon sie spricht: 2018 outete sie sich ich während ihrer Amtszeit als transident und gilt als die erste transidente Abgeordnete in einem Deutschen Landesparlament Drittes Geschlecht im Alltag wenig verankertFür Ganserer war ihr Outing ein Befreiungsschlag, sie hatte trotzdem mit vielen Fallen zu kämpfen. Mit öffentlichen Anfeindungen aber auch mit Alltäglichem, wie bei der Änderung ihres Abonnements einer Online-Zeitung: „Auf vielen Plattformen kann man sich per Mausklick einen Doktortitel verpassen, aber seinen Geschlechtsangabe zu korrigieren ist meist nicht möglich“, erzählt sie im Interview. Dass man nur zwischen „Frau“ oder „Herr“ auswählen kann, zeige, dass das Bundesverfassungsurteil zur dritten Option im Alltag nicht umgesetzt wird. Trotzdem sieht Ganserer, die auch Queerpolitische Sprecherin ihrer Fraktion ist, in der rechtlichen Anerkennung nichtbinärer Personen einen Meilenstein. Nicht nur für die Menschen selbst, sondern auch um das Thema in der Gesellschaft zu etablieren, z.B. auch durch gendergerechte Sprache. Vielfalt als Chance für UnternehmenViele Unternehmen haben das Thema Diversity für sich entdeckt und die meisten Unternehmen, die sich mit Diversity-Management auseinandergesetzt haben, haben den Kern der Sache verstanden, nämlich die Vielfalt als Chance zu sehen. Denn der Grundgedanke liegt darin, dass die Vielfalt der Beschäftigten, dem Erfolg des Unternehmens dient. Eine Vielfalt der Beschäftigten bedeutet auch Vielfalt an Erfahrungen. Hier setzt z.B. die „Charta der Vielfalt“ (siehe Infobox links) an, eine Selbstverpflichtung zu Diversity-Management. Die Charta der Vielfalt ist ein grundlegendes Bekenntnis zu Vielfalt, Toleranz, Fairness und Wertschätzung. 3.800 Unternehmen und Institutionen haben die Charta bisher unterzeichnet und sich so verpflichtet, alle ihre Mitarbeitenden gleichermaßen zu respektieren und sich für ein wertschätzendes und vorurteilsfreies Arbeitsumfeld einzusetzen. Und allein mit der Unterzeichnung setzen Firmen ein Zeichen nach außen, dass Diskriminierung in diesem Betrieb nicht akzeptiert wird. Diversity-Management im Gesundheitswesen am AnfangAuch viele Klinken seien Unterzeichner der Charta der Vielfalt, darauf weist die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) hin. Insbesondere die Integration ausländischer Angestellter spiele laut DKG trägerübergreifend eine große Rolle. „Nur ein offener Umgang miteinander erlaubt allen Beschäftigten, ihr Potenzial, ihre Fähigkeiten und ihr Engagement ganz ins Unternehmen einzubringen. Unser Ziel ist es, diesen Ansatz täglich zu leben“, sagt Joachim Odenbach, Bereichsleiter Presse- und Öffentlichkeitsarbeit bei der DKG. Der Verband der Universitätsklinika Deutschlands hat 2019 eine deutschlandweite Kampagne für Vielfalt und Toleranz in den Unikliniken gestartet: „Die Unikliniken verstehen sich als tolerant und weltoffene Einrichtungen, als Verband unterstützen wir sie dabei“, sagt Pressesprecherin Stephanie Strehl-Dohmen. Inwieweit das Thema Vielfalt im Gesundheitswesen vorangebracht wird, hängt aber in vielen Fällen immer noch von Einzelnen ab. „Wir haben festgestellt, dass es die Leitungen, also oft Einzelpersonen sind, die das Thema Diversität voranbringen, oder eben auch nicht“, erklärt Dr. Natalie Sharifzadeh, Geschäftsführerin des DBfK Nordost. Der Deutsche Verband für Pflegeberufe befindet sich beim Thema Diversity aktuell in der Findungsphase, grundsätzlich seien die Pflege und die Achtung der Menschenrechte aber untrennbar. Der DBfK-Regionalverband Südwest startet im Frühjahr 2022 eine Bildungsreihe zum Thema LSBTIQ* in der Pflege und auch der Regionalverband Nordost konzipiert gemeinsam mit verschiedenen Interessensgruppen Fortbildungen zum Thema. Pflegende sehen sich Diskriminierung aufgrund von sexueller Orientierung oder Herkunft immer wieder ausgesetzt, bestätigt Sharifzadeh und hofft, dass das Thema auch immer mehr Platz in der Pflegeausbildung findet. Im Gegensatz zum DBfK gibt es bei der DKG keine Beschwerden über Diskriminierung im Arbeitsalltag, der Verband der Universitätsklinika erhebt solche Zahlen nicht. Diskriminierung kann ein Kostenfaktor seinDiskriminierung macht Angst und macht krank. Das könne nicht im Sinne der Unternehmen sein, sagt die Grünenpolitikerin Ganserer: „Wenn man mal nur das Thema sexuelle Orientierung nimmt: Wir wissen aus Studien, dass mehr als 30 Prozent der quereren Menschen aus Angst vor Diskriminierung am Arbeitsplatz nicht geoutet sind. Das bedeutet, dass sie am Arbeitsplatz nicht offen über Persönliches sprechen können. z.B. wenn die gleichgeschlechtliche Partnerschaft am Wochenende in die Brüche gegangen ist. Soll heißen: Die Angst vor der Diskriminierung macht psychisch krank und ist damit für das Unternehmen auch ein Kostenfaktor.“ Unternehmen sollten also allein schon aus ökonomischer Sicht daran arbeiten, dass alle Menschen im Betrieb angenommen werden. Für Mitarbeitende bedeutet das, dass niemand Angst haben muss, weil er z.B. älter oder homosexuell ist, Kinder hat oder eine andere Hautfarbe. So steht es seit 1949 in Artikel 3 des Grundgesetzes. In Kliniken und Pflegeeinrichtungen wird das Thema Vielfalt vielerorts gelebt und wird mehr und mehr ernst genommen. Diversity-Management erreicht immer mehr Unternehmen, auch außerhalb des Gesundheitswesens. Offenheit und Toleranz zu leben, bleibt aber dennoch weiterhin die Aufgabe jedes Einzelnen. Boris Weltermann

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