DMEA 2022 Digitalisieren für eine modernere und bessere Medizin

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Auf Europas Leitveranstaltung für digitale Gesundheitsversorgung wurden Wege zu einer besseren Medizin diskutiert. Es braucht Strategie, IT-Sicherheit und die Möglichkeit, von anderen Ländern zu lernen.

DMEA 2022
Die DMEA fand vom 26. bis 28. April 2022 in Berlin statt. – © Messe Berlin GmbH

„Das deutsche Gesundheitssystem lässt sich nicht wesentlich weiterentwickeln, ohne dass wir einen strategischen Ausbau der Digitalisierung verfolgen“, sagte Bundesgesundheitsminister Prof. Dr. Karl Lauterbach bei seiner Eröffnungsrede auf der DMEA 2022. Sein Credo: Den Ausbau der digitalen Infrastruktur im Gesundheitswesen beschleunigen und unter Aspekte des medizinischen Nutzens stellen.

Gesetz für digitale Strategie entwickeln

Lauterbach hat ein Strategiegesetz für die Digitalisierung des Gesundheitswesens in Deutschland angekündigt. Bisher gebe es zwar „viel Taktik, viel Technik, viel Innovation“, sagte der DMEA-Schirmherr in Berlin. Es fehle aber an einer „übergreifenden Strategie“, die festlege: „Wo wollen wir wann sein, und was sind die Anwendungen, die dem Nutzenden das Gefühl geben, er bekommt eine neue Medizin“. Der Nutzen der Digitalisierung müsse täglich auf allen Ebenen für Patientinnen und Patienten sowie für Leistungserbringende erlebbar und spürbar werden.

Dafür müsse die Anwendung in den Vordergrund rücken, sagte Lauterbach: „Wir müssen vom Ende her denken.“ Digitalisierung im Gesundheitswesen bedeute für ihn „nicht eine andere Form der Dokumentation und Archivierung der Medizin, die wir immer gemacht haben“, sondern tatsächlich „eine bessere Medizin“ in Arztpraxen und Krankenhäuern zu bewirken, die ohne digitale Prozesse nicht möglich wäre. Deshalb werde er nach der Sommerpause einen Strategieprozess ausrollen, in dem alle Beteiligten gemeinsam arbeiten. Am Ende dieses Verfahrens werde ein Gesetz stehen, das Strategie und Infrastruktur zusammenbringt. Denn gleichzeitig müsse der Ausbau der Infrastruktur beschleunigt werden, betonte Lauterbach.

ePA als Kernstück der Digitalisierung

Die elektronische Patientenakte (ePA) sei das Kernstück der Digitalisierung, die Ärztinnen und Ärzten ein ganz anderes Arbeiten ermögliche, Befunde zusammentrage und Doppeluntersuchungen vermeide, sagte der Bundesgesundheitsminister. Im Zusammenspiel mit anderen Anwendungen wie e-Rezept, elektronische Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung oder digitaler Identitätsnachweis komme so „tatsächlich eine neue Medizin zustande“.

Etwas ernüchtert blickten die Softwarehersteller am ersten DMEA-Tag auf die Zukunft der ePA. Nicht einmal ein Prozent der Versicherten in Deutschland hätten bislang eine ePA und gerade drei Prozent der niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte nutzten sie. Jeden Tag kämen im Durchschnitt 958 Akten hinzu, rechnete Carsten Fehlen von der CGM Deutschland AG vor. Derzeit sei der Zugang zur ePA für Patientinnen und Patienten „mit einem nicht gerade barrierefreiem Opt-in“ viel zu kompliziert und die Nutzung für Ärztinnen und Ärzte nicht rechtssicher, erklärte Fehlen. Die Hersteller wiederum seien gezwungen, „immer neue Spezifikationen umzusetzen“, statt die ePA nutzerfreundlich und innovativ auszugestalten. Dabei sei die ePA durchaus sinnvoll, weil Patientinnen und Patienten ihre Gesundheitsdaten von Arzt zu Arzt tragen könnten: „Dafür ist die ePA jetzt schon gut, wenn man sie einmal richtig machen würde.“ Hier müssten sich das Bundesgesundheitsministerium, Gematik und Hersteller gemeinsam an den Tisch setzen, um die Ziele neu zu justieren.

IT-Sicherheit: „Einfach machen“

Beim Thema Informationssicherheit erklärte Benedict Gross, Senior Manager bei PwC, dass eine saubere Planung für den nachhaltigen Betrieb und eine erfolgreiche Umsetzung entscheidend sei. Auch der Zero-Trust-Ansatz des Universitätsklinikums Schleswig-Holstein (UKSH) stelle die Planung in den Vordergrund, nicht die Technik, erklärte Morten Köster vom UKSH. Man müsse einen Zyklus durchlaufen und diesen einfach immer wieder durchlaufen, bis das gewünschte Ergebnis zustande käme. Die Phasen des Zyklus sind:

  1. Bestandsaufnahme
  2. Authentifizierung
  3. Überwachung
  4. Risikobewertung
  5. Gegenmaßnahmen

Alle Vortragenden waren sich darin einig, dass man es „einfach machen“ müsse.

Cybersecurity-Paket für Krankenhäuser

Die Telekom hat ein Cyber-Security-Paket für die Kliniken in Deutschland geschnürt, das aus mehreren Bausteinen besteht wie dem Magenta Security Shield. Dieser Dienst schützt Nutzende, Daten sowie die IT und sichert die bei Hackern beliebten Einfallstore ab: Endpunkte wie Server und Clients, E-Mail, Netzwerke und das Internet. Auch medizinische Geräte und deren Kommunikation untereinander werden überwacht. Die Sicherheits-Tools werden von rund 1.600 Cybersecurity-Spezialisten der Telekom vorkonfiguriert und überwacht. So sollen kurze Implementierungszeiten und weniger Wartungsaufwand entstehen.

Rund ein Drittel aller deutschen Krankenhäuser haben Security-Schwachstellen – dies ergab die Studie „Epidemic? The Attack Surface of German Hospitals during the Covid-19 Pandemic“ des Berliner Beratungsunternehmens Alpha Strike Labs, der österreichischen Firma Limes Security und der Universität der Bundeswehr in München. „Wir sehen, dass die Zahl der Cyberattacken täglich größer wird. Die aktuelle Lage verschärft die Risiken deutlich. Gerade für kritische Infrastrukturen wie Krankenhäuser“, sagt Gottfried Ludewig, Leiter Health Industry bei T-Systems. „Zu häufig ist IT-Sicherheit nicht die oberste Priorität und schwierig zu implementieren. Deshalb haben wir maßgeschneiderte Angebote für Krankenhäuser geschnürt, die zudem nach dem Krankenhauszukunftsgesetz (KHZG) förderfähig sind.“

Was Deutschland von Israel lernen kann

Das Neun-Millionen-Einwohner-Land Israel hat vor mehr als 25 Jahren mit der Digitalisierung des Gesundheitswesens begonnen und ist für seine agile Start-up-Szene bekannt. Warum aber klaffen das deutsche und das israelische System so weit auseinander, und wie kann Deutschland endlich den Durchbruch schaffen – das war das Thema des „German-Israeli dialogue about Digital Health and AI“ („Deutsch-israelischer Dialog über Digitale Gesundheit und KI“) am zweiten Tag der DMEA.

Die Herausforderungen seien im Grunde immer die gleichen, sagte Esti Shelly, Direktorin Digital Health im israelischen Gesundheitsministerium, nämlich wie Ideen raus aus der Diskussion ins Zentrum des Gesundheitssystem gelangen. Die Interoperabilität sei auch in Israel ein großes Thema. Die Regierung arbeite deshalb eng mit der Industrie zusammen, um sicherzustellen, dass die Hersteller auch tatsächlich in der Lage sind, die gewünschten Standards umzusetzen.

Israelisch-deutsche Kooperation gefordert

Israelische Innovationsfreude und deutsche Wirtschaftskraft – in dieser Kombination lasse sich für die Entwicklung von Digital Health und Verbesserungen in der Gesundheitsversorgung eine Menge bewirken, sagte Nitzan Horowitz, Gesundheitsminister von Israel, in seiner Keynote am zweiten Tag der DMEA. Internationale Kooperationen seien dringend erforderlich, damit die Welt zum einen für die nächste Pandemie gerüstet sei, zum anderen aber auch, weil die Probleme im Gesundheitssektor im Grunde global und überall die gleichen seien: Fachkräftemangel, alternde Bevölkerung, wachsender Versorgungsbedarf, steigende Kosten.

Der israelische Gesundheitsminister Nitzan Horowitz
Der israelische Gesundheitsminister Nitzan Horowitz bei seinem Vortrag auf der DMEA. – © Messe Berlin GmbH

Innovationen müssten global entwickelt und dann lokal für die Bedingungen und Bedürfnisse vor Ort angepasst werden. Gerade in der Kooperation zwischen Deutschland und Israel bei Künstlicher Intelligenz im Gesundheitsbereich sehe er großes Potenzial, von dem die öffentliche Gesundheitsversorgung profitieren werde.

DMEA-Nachwuchspreis 2022: Das sind die Gewinner

Machine Learning, Künstliche Intelligenz und Bewegung – diese Themen standen beim diesjährigen Nachwuchspreis bei vielen Arbeiten besonders im Fokus. Mit dem DMEA-Nachwuchspreis werden jedes Jahr die besten Bachelor- und Masterarbeiten aus den Bereichen Medizininformatik, E-Health, Gesundheits-IT, Gesundheitsmanagement, Gesundheitsökonomie und Healthcare-Management auf der DMEA prämiert.

  1. In der Kategorie Masterarbeit setzte sich Marius Oßwald durch. In seiner Arbeit geht es darum, Bewegungen vorherzusehen, um Exoprothesen steuern zu können. Dafür hat er einen verallgemeinerten Rahmen entwickelt, durch den die Kinematik und neuronale Dynamik der Hand untersucht werden kann. Mithilfe von vier Kameras lassen sich die Bewegungen der Handmuskeln millimetergenau abbilden. Für diese Arbeit erhielt er auch den Publikumsaward.
  2. Platz zwei ging an Christian Xu für seine Anwendung „Fimi“, die während eines Workouts Form- und Bewegungskorrekturen anzeigt. Mithilfe einer Webcam, einer App und eines Servers, der die Bewegungsabläufe überwacht, bekommt der Nutzer schon während, aber auch nach der Übung angezeigt, ob die Bewegungsabläufe korrekt durchgeführt wurden.
  3. Den dritten Platz belegte Sebastian Dörrich. Er hat im Rahmen seiner Masterarbeit zwei Algorithmen entwickelt, durch die Standardebenen von Wirbelkörpern deutlich schneller entwickelt werden können.

Reanimationsregister – die beste Bachelorarbeit

In der Kategorie Bachelor konnten Marko Miletic und Alain Nippel die Fachjury überzeugen. Ihre Idee: ReaReg – eine Kleinserver-Architektur, um die gesamte Rettungskette elektronisch dokumentieren zu können. In der Schweiz erleiden jedes Jahr etwa 8.500 Menschen einen Herzkreislauf-Stillstand. Für deren bestmögliche Behandlung haben die Beiden das elektronische Datenerfassungswerkzeug für das Inselspital Bern entwickelt. Durch eine Schnittstelle werden Prä-Klinikdaten, innerklinische und follow-up-Daten gebündelt und als Webapplikation auf dem Tablet oder im Webbrowser ausgespielt. In einer Testumgebung wurde das ReaReg vollständig ausgerollt und funktioniert. Um es noch weiter zu verbessern und zu entwickeln, stellen es die beiden als Open Source zur Verfügung.

DMEA Nachwuchspreis
Gewinner Nachwuchspreis von links: Marko Miletic (1. Platz Bachelor), Marius Oßwald (1. Platz Master), Christian Xu (2. Platz Master). – © Messe Berlin GmbH

Save the Date: Die DMEA 2023 findet vom 25. bis 27. April 2023 in Berlin statt.