Porträt Digitale Transformation unter weiblichem Einfluss

Dr. Anke Diehl ist Chief Transformation Officer der Universitätsmedizin Essen und ist u.a. Mitglied im Interop-Council. Mirjam Bauer erzählt ihre Erfolgsgeschichte, die zeigt, wie wichtig fachliche Fähigkeiten, Einsatz und das Arbeiten in Netzwerken sind. Dr. Anke Diehl verantwortet als Chief Transformation Officer (CTO) die digitale Transformation der Universitätsmedizin Essen. Dr. Anke Diehl verantwortet seit Anfang des Jahres 2021 als Chief Transformation Officer (CTO) die digitale Transformation der Universitätsmedizin Essen. Vom März 2018 an agierte sie dort bereits als Digital Change Managerin. Weil diese Tätigkeit von außen jedoch wenig sichtbar war, entschloss sich die Geschäftsführung, eine neue eigene Stabsstelle zu bilden. Seitdem ist Diehl gut als Top-Führungskraft erkennbar, ein C im Titel machte den kleinen Unterschied. Weil die Digitalisierung viel mehr als nur eine Technifizierung verschiedener Abläufe ist, begleitet die engagierte Ärztin den digitalen Wandel auf verschiedenste Weise. Digitalisierung ist komplex und bringt einen kulturellen Wandel mit sich. Die Stabsstelle digitale Transformation führt nicht nur neue digitale Techniken und KI ein, sondern fördert das interdisziplinäre und interprofessionelle Arbeiten auf Augenhöhe. Gemeinsam neue Dinge denken ist dabei ein wichtiges Ziel. Die Mitarbeitenden dürfen keine Angst haben, dass man sie belehren möchte oder ihnen etwas wegnimmt. In die Medizin ohne klassisches Abitur Die verheiratete Ärztin hat zwei erwachsene Töchter, ihr Mann ist Psychologe. Sie studierte Medizin in Heidelberg und Kapstadt, übrigens ohne Abitur. Weil sie die Oberstufe ihrer Schulzeit komplett im Ausland – im damaligen Swasiland – verbracht hat, war ein Medizinertest zeitlich nicht möglich; ihr Abschluss war das International Baccalaureate Diploma. Trotzdem wurde sie zu Auswahlgesprächen in der Universitätsklinik Heidelberg ausgelost. Die Mediziner vor Ort waren sehr erstaunt, da sie in keine Kategorie passte, aber doch als Stipendiatin der Studienstiftung des Deutschen Volkes sogar den Studienort wählen konnte. Nach dem letzten Staatsexamen begann sie im ärztlichen Dienst in der Neurologie im Alfried-Krupp-Krankenhaus in Essen, promovierte und wechselte zum Universitätsklinikum – in die Neuroradiologie. Dieses Gebiet faszinierte sie v.a. aufgrund der Forschung im Bereich des „functional imaging“ in der Magnetresonanztomographie. Dabei werden Denkmuster und Gefühle sichtbar gemacht. Zur damaligen Zeit gab es eine Ärzteschwemme, doch Neuroradiologen und -radiologinnen wurden gesucht und so begann Diehl bei Prof. Dr. Michael Forsting und blieb dort elf Jahre: „Insgesamt war es eine hochspannende und interessante Zeit, in der ich ein Studienzentrum aufgebaut und zwischendurch zwei Töchter bekommen habe. Im Jahr 2004 durfte ich die Leitung des Clinical Adjudication Centers übernehmen. Sehr wichtig war mir dabei immer die enge Zusammenarbeit mit der IT, nicht hierarchisch, sondern im Team. Die KI hat sich aus der Radiologie heraus entwickelt, die damals die erste volldigitalisierte klinische Abteilung durch den Aufbau eines PACS (Picture Archiving System) war. So musste man nicht ständig ausgedruckte Bilder mehr suchen. Insgesamt habe ich viel gelernt – doch auch, dass die Medizin nicht alles weiß und deshalb habe ich mich entschieden, zusätzlich Medizinmanagement zu studieren. Das lief berufsbegleitend an der TU Kaiserslautern in Kooperation mit der Universität Witten/Herdecke.“ Von der Neurologie zur Versorgungsstrukturentwicklung Nach einer kurzen Zeit in der Gerontopsychiatrie der LVR Klinik Essen und weil man damals an einer Universitätsklinik ohne Habilitation auf befristeten Verträgen nur zeitlich begrenzt arbeiten durfte, wollte sich Diehl etwas Neues suchen. Sie fand eine spannende Stelle als wissenschaftliche Mitarbeiterin im „Fachbereich Versorgungsforschung und gesundheitliche Vorsorge“ im Strategiezentrum Gesundheit NRW in Bochum und wurde zwei Jahre später am Landeszentrum Gesundheit NRW zur Leiterin des Fachbereichs Versorgungsstrukturentwicklung. In den Fachbereich gehörten auch die neuen Felder Telemedizin und E-Health. Beim Austausch auf Kongressen traf die Ärztin ihren ehemaligen Chef Forsting wieder, der mittlerweile medizinischer Direktor der Zentralen IT am Essener Universitätsklinikum war, und kam nach Gesprächen mit der Klinikführung im Jahr 2018 zurück nach Essen. Lange gehörte Diehl der Ethikkommission der Universität Duisburg-Essen an, aufgrund vielfältiger Aufgaben in diversen Gremien und Beiräten, wie der aktuellen Berufung ins nationale Interop-Council, schied sie dort allerdings zum Ende 2021 aus. Im siebenköpfigen Interop-Council steht sie aktuell stellvertretend für die IT-User und wünscht sich: „In Deutschland sollen endlich die Sektorengrenzen aufgehoben werden, damit man mit Gesundheitsdaten durchgängig arbeiten kann. In anderen Ländern läuft das besser, manche haben die Interoperabilität sogar gesetzlich verordnet. Eine verpflichtende Interoperabilität ist mir ein dringendes Anliegen!“ Ein weiterer Meilenstein in Diehls Karriere war die Übernahme der Konsortialführung im SmartHospital.NRW im zweistelligen Millionenbereich – erstmalig an die Ärztin Diehl im März 2021. Sie setzt sich hier u.a. für die Gendermedizin und neue Studien ein. Obwohl viele Frauen in der Medizin arbeiten, fehlt die weibliche Expertise, je mehr Technik und IT-Affinität bestehen. Die möglichen Unterschiede in Bezug auf die Nutzung digitaler Devices sind überhaupt nicht untersucht. Da 90 Prozent aller KI-Entwickler Männer sind, wurde die weibliche Sicht oft unbeabsichtigt nicht berücksichtigt. Das zu ändern, ist ein Wunsch der engagierten CTO. In der Literatur (z.B. Amazon scraps secret AI recruiting tool that showed bias against women: https://www.reuters.com/article/us-amazon-com-jobs-automation-insight-idUSKCN1MK08G) wurde herausgearbeitet, dass die genutzte KI eine Art Vorsichtung erbringt, weil sie kaum Frauen vorschlug. Der Grund: In der Bewertung von Lebensläufen stellte sich heraus, dass weibliche Vornamen seltener waren. Daraufhin nahm die KI an, diese seien schlechter und wählte sie nicht aus. Auch der österreichische Medizinertest bewertete Frauen lange schlechter. Mittlerweile wurde dieser Umstand behoben. „Auch wenn Menschen nicht die Schuld tragen, muss uns das bewusst werden, denn nur dann können wir es ändern. So sind Tonfrequenz und Wortschatz bei Frauen anders zu bewerten als bei Männern, analog wie die Symptome beim Herzinfarkt – und erst recht bei Diversität“, erklärt Diehl. Jede sollte „die Frauenfahne hochhalten“ Anke Diehl engagiert sich beim Ärztinnenbund, den Spitzenfrauen Gesundheit, Shehealth und bei einem eigenen Verein der Universitätsmedizin Essen. Letzter ist ein lokales Frauennetzwerk für alle Professionen, finanziert durch einen Mitgliedsbeitrag. Warum sind Frauennetzwerke so wichtig? „Für mich ist der Ärztinnenbund eine ideale Kombination zwischen berufsspezifischen und fraueneigenen Belangen, zudem ist er auch international tätig: top! Für die lokale und politiknahe Arbeit sind die Spitzenfrauen, ähnlich wie die Healthcarefrauen in Berlin ein gutes Beispiel. Und auch in der eigenen Organisation sollte jede die Frauenfahne hochhalten. Gemeinsam ist allen der Netzwerkgedanke besonders wichtig und die gegenseitige Unterstützung hilft, um in der Männerwelt nicht unterzugehen!“ Kontakt zur Autorin: Mirjam Bauer, Freie Journalistin, Health-IT, mirjam-bauer@gmx.de

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