Digitale Biomarker bezeichnen datenverarbeitende Verfahren, um objektive, quantifizierbare Charakteristiken biologischer bzw. physiologischer Prozesse abzuleiten. Sie sind nicht-invasiv, ggf. multimodal, erlauben eine longitudinale Beobachtung und entsprechen den Vorgaben des Medizinproduktegesetzes.
1. Synonyme:
keine
2. Kurzhistorie:
Klassische Biomarker, wie sie z.B. bei einer Blutuntersuchung erhoben werden, sind objektive, quantifizierbare Charakteristiken biologischer bzw. physiologischer Prozesse. Sie helfen im Rahmen von Diagnose und Therapie und sind faktisch ein „Schnappschuss“ eines Körpers. Die Messung setzt z.T. einen Eingriff in den Körper (invasiv) voraus und kann zeit- sowie kostenintensive Verfahren erfordern. Beginnend mit dem Jahr 2010 wurde als Reaktion auf den Big Data Hype sowie der verstärkten Nutzung von Wearables der Begriff des Digitalen Biomarkers geprägt.
3. Das Ziel:
Daten sind das neue Blut – Digitale Biomarker haben zum Ziel, uns Menschen mithilfe von uns umgebenden Daten (pervasive sensing) zu beschreiben und den Leistungserbringern im Gesundheitswesen neue Instrumente zur Diagnose und Therapie an die Hand zu geben. Digitale Biomarker bilden somit die wichtigste Basis für eine sogenannte P4-Medizin (prädiktiv, personalisiert, präventiv, partizipativ) zur Individualisierung von Versorgungsansätzen. Zudem zielen sie darauf ab, Messgrößen kostengünstig und durch den Einsatz mobiler Sensorsystem zu erfassen.
4. Wesentliche Merkmale:
Der wesentliche Unterschied zu klassischen Biomarkern ist, das Digitale Biomarker datengetrieben agieren. Methoden der Datenverarbeitung, insbesondere aus dem Bereich der künstlichen Intelligenz, erlauben das Aufdecken von entscheidungsrelevanten Mustern. Hierzu arbeiten Medizin, Medizininformatik und Bioinformatik eng zusammen. Weitere Merkmale sind:
- Ein Digitaler Biomarker arbeitet grundsätzlich nicht-invasiv, denn seine Verarbeitungsgrundlage sind Daten. Gleichwohl kann es sein, dass diese Daten aus invasiven Methoden resultieren.
- Während klassische Biomarker lediglich ein Schnappschuss unseres Körperzustands sind, können Digitale Biomarker auf longitudinale Datenreihen arbeiten. Ein retrospektives Lernen kombiniert mit dem Potenzial des Forecastings kann das Vorhersagen kritischer bzw. medizinisch relevanter Situationen unterstützen.
- Der durch den Digitalen Biomarker beschriebene Zustand kann aus dem Zusammenführen verschiedener Modalität (z.B. verschiedener physiologischer Parameter) resultieren.
- Die Entwicklung von Digitalen Biomarkern erfolgt nach den Vorgaben des Medizinproduktegesetzes, um zu garantieren, dass die zum Einsatz kommenden Verfahren verifiziert und validiert sind.
5. Wesentliche Einsatzgebiete:
Die Stärken Digitaler Biomarker zeigen sich v.a. bei chronischen Erkrankungen sowie Therapien, die ein hohes Maß an Individualisierung erfordern. Beispiele sind die Erfassung epileptischer Anfälle durch mobile Sensorik oder auch die Ableitung eines personalisierten Medikationsprofils.
6. Unterscheidung von ähnlichen Begriffen:
keine
Dr. Sven Meister
Abteilungsleiter Healthcare
Fraunhofer-Institut für Software- und Systemtechnik ISST
sven.meister@isst.fraunhofer.de
Meister S. (2020) Definition Digitale Biomarker. In: Matusiewicz D. Kusch C. (Hrsg.) Digital Health Lexikon, Health&Care Management, URL: hcm-magazin.de, Holzmann Medien, 2020.