User Experience Digitale Anwendungen userorientiert entwickeln

Zugehörige Themenseiten:
Digitalisierung

Es gibt einige Erfolgsfaktoren, digitale Lösungen im Gesundheitswesen nutzerzentriert zu gestalten und zu implementieren. Welche das sind, zeigt das Beispiel Patientenaufklärung.

nutzerzentriert digitale Anwendungen
Ärzte und Ärztinnen erstellen mit der Plattform von medudoc nach dem Baukastenprinzip individualisierte Aufklärungsvideos für Patientinnen und Patienten. – © medudoc education GmbH

Betrachtet man die Benutzeroberflächen, Design und Handhabung digitaler Angebote in Krankenhäusern, wird deutlich, dass diesen Tools oft keine nutzerzentrierten Überlegungen und Ideenfindungsprozesse vorausgegangen sind. In anderen Industrien etablierte Standards wie der Design-Thinking-Ansatz wurden in diesem Markt teilweise vernachlässigt. Medizinische und pflegerische Fachkräfte müssen mit den Resultaten leben. Dies kann einer der Gründe sein, warum digitale Lösungen für eine flächendeckende Einführung in Kliniken scheitern. Wenn man sich die Entwicklung des Administrationsaufwandes für Klinikpersonal anschaut, müsste die Digitalisierung bereits weiter fortgeschritten sein. Der tägliche Zeitaufwand für Datenerfassung, Dokumentation und organisatorische Tätigkeiten hat im Laufe der letzten Jahre im Klinikbereich kontinuierlich zugenommen. Während 2013 nur acht Prozent der Krankenhausärzteschaft vier Stunden am Tag mit administrativen Tätigkeiten beschäftigt waren, waren es 2019 bereits 35 Prozent (Quelle: Marburger Bund MB-Monitor 2019).

Beispiel: die Patientenaufklärung vor medizinischen Eingriffen

Patientinnen und Patienten müssen vor jedem medizinischen Eingriff individuell von einem Arzt oder einer Ärztin informiert und aufgeklärt werden. Der Umfang und die Komplexität medizinischer Informationen haben erheblich zugenommen, dennoch findet die Patientenaufklärung weiterhin über Papierbögen statt, deren Inhalte überwiegend aus medizinischen Fachbegriffen bestehen und den visuellen Aspekt vernachlässigen. Es ist allerdings wissenschaftlich belegt, dass sich eine audiovisuelle Patientenaufklärung positiv auf Verständnis, Zufriedenheit, Compliance sowie den postoperativen Behandlungsverlauf auswirkt. Genau das greift das Berliner Startup medudoc auf. Gemeinsam mit Kliniken sowie Patientinnen und Patienten hat das Team eine Plattform entwickelt, über die Ärztinnen und Ärzte individualisierte Aufklärungsvideos erstellen können. Die animierten Erklärinhalte sind dabei auf die Bedürfnisse der Patienten und Patientinnen abgestimmt. Die Plattform ist bereits in Kliniken in Deutschland und der Schweiz im Einsatz.

Das Bedürfnis nach einer videogestützten Patientenaufklärung kam aus dem Klinikalltag. Als interdisziplinäres Team wurde zunächst die initiale Idee einer videogestützten Patientenaufklärung in Form mehrerer Prototypen verbaut und mit einem Netzwerk von verschiedenen Ärzten und Ärztinnen getestet. Am Ende dieser Testphase und der Einbindung des fachlichen Feedbacks stand eine vollkommen neue digitale Benutzeroberfläche, die mit der ursprünglichen Version wenig gemein hatte.

Erfolgsfaktoren für nutzerzentrierte Anwendungen

Erfolgsfaktor Nr. 1: Digitale Lösungen im Gesundheitswesen müssen gemeinsam mit verschiedenen Ärztinnen und Ärzten sowie Kliniken entwickelt werden, wenn sie fachbereichsübergreifend angewendet werden sollen.

Erfolgsfaktor Nr. 2: Digitale Prototypen werden zum Lernen und Verwerfen entwickelt. Stichwort: User-Testing. Das Feedback und Nutzerverhalten ist bei der Produktgestaltung entscheidend, um Lösungen zu entwickeln, die sich sinnvoll in klinische Abläufe einfügen lassen.

Erfolgsfaktor Nr. 3: Technologie und Plattform-Architektur müssen an die individuellen Bedürfnisse jeder Klinik angepasst werden.

Erfolgsfaktor Nr. 4: Digitale Lösungen sind keine Substitute bestehender analoger Produkte. Sie müssen ganzheitlich gedacht und an Klinikprozesse angepasst sein. Nur so entstehen Effizienzgewinne und eine nachhaltig erfolgreiche Digitalisierung im Klinikalltag.