Zukunft der Pflege Die ideale E-Nurse hat hohe Digitalkompetenz

Immer mehr Menschen benötigen Pflege. Gleichzeitig gibt es immer weniger Pflegekräfte und Ärzte, die sich darum kümmern können. Der E-Nurse kommt daher in der Pflege der Zukunft eine zentrale Rolle zu. Dabei verfügt die ideale E-Nurse neben ihrer medizinischen und sozialen Kompetenz über eine hohe Digitalkompetenz.

E-Nurse
Die ideale E-Nurse verfügt neben ihrer medizinischen und sozialen Kompetenz über eine hohe Digitalkompetenz und bringt ihre praktische Erfahrung in die Innovations- und Produktentwicklung ein. – © HUM Systems GmbH

In Zukunft wird die Arbeit der E-Nurse auch für die Pflege immer wichtiger werden. Bereits 2016 wurde in einem Forschungsbericht des Royal College of Nursing gefordert, dass jeder Pflegende eine E-Nurse sein solle, die wisse, wie Daten, Informationen und Technologie für die Pflege optimal zu nutzen sind. Hintergrund sind die zahlreichen neuen Technologien, die Pflegebedürftige schützen und unterstützen sowie Pflegende und Angehörige entlasten. Diese Technologien können dazu beitragen, die Qualität der Pflege zu verbessern, die Effizienz zu steigern und Kosten zu senken. Die Technologien sollten so eingesetzt werden, dass Pflegende mehr Zeit für den persönlichen Kontakt mit den Pflegebedürftigen haben.

E-Nursing-Anwendungen treiben Digitalisierung in Pflegeeinrichtungen und Krankenhäusern voran

Die Arbeit der E-Nurse ist dabei keineswegs auf den ambulanten Einsatz beschränkt. In Deutschland gibt es eine wachsende Anzahl von E-Nursing-Anwendungen, die die Digitalisierung in Pflegeeinrichtungen und Krankenhäusern vorantreiben. Ein gutes Beispiel für eine Arbeitsentlastung im stationären Bereich sind digitale Monitoring-Systeme. Diese können eingesetzt werden, um den Gesundheitszustand von Pflegebedürftigen zu überwachen und frühzeitig auf Änderungen zu reagieren. Dies kann insbesondere bei Menschen mit schweren Erkrankungen, Demenz oder in der palliativen Versorgung von großer Bedeutung sein. Während die Systeme für die Pflegebedürftigen mehr Sicherheit bieten, bilden sie für das Pflegepersonal eine Möglichkeit, Pflegebedürftige zu betreuen, ohne jederzeit physisch anwesend sein zu müssen. Beim Auftreten einer Veränderung wird das Pflegepersonal umgehend informiert. Pflegeeinsätze lassen sich so anlassbezogen koordinieren.

Ein weiteres sinnvolles Beispiel ist die elektronische Patientenakte (ePA). Diese digitale Akte enthält alle medizinischen Daten eines Patienten, einschließlich der Pflegebedürfnisse und -maßnahmen. Durch die digitale Dokumentation können alle an der Pflege beteiligten Personen auf dieselben Informationen zugreifen, was wiederum eine bessere Koordination und Abstimmung der Pflege ermöglicht. Zeit, die auf die Informationsbeschaffung entfällt, kann stattdessen für konkrete Pflegemaßnahmen genutzt werden. Pflegende profitieren durch Arbeitserleichterung und Pflegebedürftige durch erhöhte Pflegequalität.

Aufgaben einer E-Nurse

Die E-Nurse ist eine speziell ausgebildete, technisch-versierte Fachkraft. Bisher besteht ihre Aufgabe in ambulanten Pilotprojekten darin, die Verbindung zwischen Patienten und Ärzten zu verbessern. Die E-Nurse macht Hausbesuche und führt Routineuntersuchungen wie Blutdruckmessungen oder ein EKG durch. Dafür ist sie nicht nur medizinisch, sondern auch technisch geschult und digital bestens vernetzt. So fließen die Behandlungsdaten direkt in die Software der jeweiligen Ärzte, die die weitere Diagnose stellen und per Video-Sprechstunde konsultiert werden können.

Aktueller Trend im E-Nursing: Active Assisted Living-Konzepte

Ein aktueller Trend im E-Nursing, der auch für Pflegeeinrichtungen interessant ist, sind Active Assisted Living-Konzepte: Dabei werden sensorisch vernetzte Wohnumgebungen für die pflegebedürftigen Bewohner mit z.B. sensorisch ausgestatteten Möbeln (Smart Furniture) mit situationsspezifischen Assistenzfunktionen kombiniert. Smarte Stühle, Badmöbel und Betten sind bereits entwickelt worden. In Kombination bilden sie eine intelligente Basis für ein ganzheitliches Konzept, bei dem Mobiliar, Pflegende und Pflegebedürftige digital miteinander verbunden sind und ein schnelles, situatives Handeln ermöglichen. Das Konzept des Active Assisted Living wird um die sogenannte Ambient Intelligence erweitert. Ambient Intelligence steht dabei für die Zusammenführung von Daten einzelner Komponenten und dem Einbezug kontextabhängiger Faktoren, die Systeme entscheidungs- und handlungsfähiger machen, um aktiv zu assistieren, z.B. mit einer Aufstehhilfe im smarten Bett. Dadurch kann den Pflegebedürftigen mehr Raum für Privatsphäre und ein selbstbestimmtes Leben ermöglicht werden. Der Eingriff durch Pflegepersonal wird nur nötig, wenn die Situation es wirklich erfordert.

Herausforderung: Schulung der Pflegefachkräfte im Umgang mit digitalen Technologien

Allerdings gibt es beim E-Nursing auch Herausforderungen, wie die Gewährleistung des Datenschutzes und die Schulung der Pflegekräfte im Umgang mit digitalen Technologien. Letzteres ist für das Profil der E-Nurse entscheidend. Wie das aktuelle Whitepaper „Die Zukunft der Pflege“ zeigt, müssen mit Blick auf die Digitalisierung der Pflege wichtige Voraussetzungen für das Pflegepersonal erfüllt werden: Diese reichen von einer gezielten technischen und digitalen Aus- und Weiterbildung bis zur Einbindung der Pflegenden in Entwicklungsprozesse für neue Technologien. Die ideale E-Nurse verfügt neben ihrer medizinischen und sozialen Kompetenz über eine hohe Digitalkompetenz und bringt ihre praktische Erfahrung in die Innovations- und Produktentwicklung ein. Um auch hier ein Beispiel zu nennen: Die drei wichtigsten Formen der Unterstützung – Essen, Aufstehen und Hygiene – machen etwa 65 % aller Pflegeaufgaben aus. Gerade hier ist das Fachwissen Pflegender die Quelle für gute Produktentwicklung, die die Arbeitsbedingungen des Pflegepersonals und die Situation für die pflegebedürftigen Menschen verbessern.

Soziale, digitale Pflegenetzwerke gewinnen an Bedeutung

Eine weitere Entwicklung, die für die Rolle der E-Nurse wichtig ist, ist die Verlagerung des Point of Care vom stationären auf den häuslichen Bereich. Wenn die Zahl der pflegebedürftigen Menschen mit dem demografischen Wandel weiter steigt, wird ein großer Anteil dieser Menschen zuhause betreut werden müssen, dies jedoch in Anbindung an stationäre und ärztliche Einrichtungen. Sehr wahrscheinlich werden dadurch soziale, digitale Pflegenetzwerke an Bedeutung gewinnen. Diese Netzwerke setzen sich aus formellen Pflegeprofis und informellen Helfern wie Familienangehörige sowie Ärzten und Dienstleistern zusammen. Als professionell geschulte Fachkraft kommt der E-Nurse auch in diesem Netzwerk in Zukunft eine Schlüsselrolle zu, die kaum überschätzt werden kann.

Die Autoren

Prof. Dr. Florina Speth forscht zur Zukunft von Pflegerobotik und Age Tech. Aktuell arbeitet sie an einem Buch zur Zukunft der Silver Society und berät Digital Health-Unternehmen.

Ali Reza Humanfar ist CEO des Berliner Technologieunternehmens HUM Systems und Erfinder von Livy Care, einer digitalen Sensorstation für den Einsatz in der ambulanten und stationären Pflege. Kontakt: reza.humanfar@hum-systems.com